Der wahre Bodensee-Krimi

Privatdetektive und Tonbandprotokolle, Strafanzeigen und geklaute Patientendaten – die Affäre um die Herzkliniken in Konstanz und Kreuzlingen weitet sich zur Kriminalgeschichte mit Unterhaltungswert aus: Angriff als beste Verteidigung ist jetzt die Taktik der Geschäftsleitung, die auf einer Pressekonferenz gestern in Kreuzlingen massive Vorwürfe gegen einstmals leitende Ärzte ihrer eigenen Klinik formulierte. Motto: Das Drehbuch dieses Bodensee-Krimis müsste neu geschrieben werden 

Auf den Punkt gebracht: Leitende Ärzte würden Vorwürfe gegen das Management streuen, um eine eigene Herzklinik aufbauen zu können – dazu müsste das Herz-Zentrum Bodensee nachhaltig geschädigt werden – die Medien wären deshalb instrumentalisiert worden – jetzt würden die wahren Hintergründe zu den Anschuldigungen aufgeklärt.

Von ausgenutzten Anwälten und instrumentalisierten Journalisten

Doch von Anfang an: Prof. Dr. med. Dierk Maass (s. Teaserfoto), der eigentliche Besitzer der Klinken, und sein angestellter Geschäftsführer Martin Costa fuhren mit Unterstützung zweier Rechtsbeistände schweres Geschütz auf: Sie präsentierten Tonbandaufzeichnungen, auf denen ein vom Herzzentrum angeheuerter Ermittler die Ärzte Dr. S. – einen ehemaligen Oberarzt – und Dr. P. – einen einstigen Chefarzt der Kardiologie – zu erstaunlichen Eingeständnissen bewegt. Von 27 000 abfotografierten Datensätzen ist da die Rede, die auch in Umlauf gebracht worden sein sollen, von ausgenutzten Anwälten und instrumentalisierten Reportern. Originalton (ohne redaktionelle Bearbeitung): „…und die haben uns gesagt, pass auf, Ihr müsst das für die investigativen Journalisten machen, den müsst ihr’s geben, die haben Informationsschutz, die dürfen Euch nicht preisgeben…hat ja auch alles bisher, sage ich jetzt, ganz gut so funktioniert“.

Aber auch die Staatsanwaltschaft bleibt in dem Mitschnitt nicht ungeschoren. Erneut Originalton aus der Abschrift, die während der Pressekonferenz verteilt wurde: Dr.S.: „…nur das die Staatsanwaltschaften jetzt geschmiert werden…der H., als leitender Staatsanwalt…der hat die fünf Akten bei sich liegen…auf’m Fenstersims…und bearbeitet die nicht“. Ermittler F.: „und wie stehen der Costa und der Maass…“. Dr. S.: „die treffen sich einmal in der Woche…äh, einmal im Monat mit dem H….in dieser besagten Kneipe…in Tägerwilen“. Gegen Ende des Protokolls wird angedeutet, dass Dr. P. sich in einer Kreuzlinger Klinik einmieten und eine eigene Praxis für Herzpatienten betreiben wolle.

Strafanzeigen in der Schweiz und Deutschland

Dierk Maass gab sich bei der Schilderung seiner Sicht des Falles arg zerknirscht, vor allem von Dr. P., mit dem er lange Jahre erfolgreich zusammen gearbeitet habe, sei er zutiefst enttäuscht. Aber: „Eine verantwortungsvolle Klinik kann und darf ein solches Verhalten nicht tolerieren. Angesichts der unlauteren Absichten hat die Klinik gegen die entsprechenden Personen rechtliche Schritte eingeleitet. Sowohl in der Schweiz wie auch in Deutschland.“

Auf Nachfragen von Medienvertretern bestätigte Eckhard Besuden, der Konstanzer Anwalt des Herzzentrums, dass neben den Vorwürfen aus den Strafanzeigen weitere Verdachtsmomente gegen die beschuldigten Ärzte bestünden – es könnte zu Schadensersatz-Forderungen oder Approbations-Entzugsverfahren kommen.

Selbstkritik und Aufklärungseifer

Zu den eigentlichen Vorwürfen, die – so die anwesenden Journalisten – ja aus unterschiedlichen Quellen stammen und seit Monaten zu staatsanwaltlichen Ermittlungen führen (seemoz berichtete mehrfach) äußerten sich Maass und Costa selbstkritisch („Auch in unserem Haus können Fehler passieren“) und versprachen zusätzliche Transparenz: „Wir werden der Kritik, auch interner Kritik, offener gegenübertreten und wo nötig Verbesserungen vornehmen“. Dierk Maass zum Ende der Pressekonferenz: „…ich schließe nicht vollkommen aus, dass sich am Ende der Aufklärungen Teilaspekte gewisser Anschuldigungen als begründet herausstellen könnten“.

Im nächsten Satz spricht der Klinik-Besitzer allerdings beschönigend von „ möglichen administrativen Versäumnissen oder Fehlbeurteilungen“, zu deren Aufklärung man zügig beitragen wolle. Ob allerdings die Beschäftigung von Ärzten ohne Approbation, die Verwendung nicht zugelassener Herzklappen oder mutmaßliche Missstände in der Notfallversorgung als „administratives Versäumnis“ abgetan werden sollten, bleibt des Professors Geheimnis.

In jedem Fall ist der wahre Bodensee-Krimi um die Herzkliniken beiderseits der Grenze seit gestern um ein Kapitel reicher. Die staatlichen Ermittler bekommen noch mehr zu tun, die Journalisten noch mehr zu schreiben. Und wenn das mit der Transparenz ernst gemeint ist, könnte tatsächlich eines fernen Tages etwas Licht in das geheimnisvolle Dunkel um das Herzzentrum, um seine Ärzte und seine Geschäftsführer kommen.

Autor: hpk