Kommen die Sheriffs zurück?
Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass Konstanzer StadträtInnen der Security-Idee aus der Stadtverwaltung die letzte, deutliche Absage erteilten. Doch das Ordnungsamt lässt nicht locker. Auf seiner morgigen Sitzung wird der HFA (Haupt- und Finanzausschuss) erneut aufgefordert, 40 000 Euronen für den Streifendienst der Sheriffs freizugeben: Besonders in den Bereichen Herosé-Park/Uferweg, Seestraße und Schänzle soll der kommerzielle Sicherheitsdienst für Ruhe und Ordnung sorgen
Von Ostern/April bis Ende September soll an Freitag- und Samstagabenden in der Zeit von 23 bis 2 Uhr bzw. in den Monaten Juni-August von 24 Uhr bis 2 Uhr die private Security patrouillieren. Und wieder keimt der Verdacht, dass hier ein Sonderservice für die Edelquartiere Seestraße und Hofgärten geschaffen werden soll – das Klientel der Bürgerlichen im Gemeinderat will bedient sein. Und wieder schlägt sich OB Burchardt auf die Seite der ruhebedürftigen Wohlstandsbürger.
Und dann ist Ruhe
Nur hat man sich aufseiten der Stadtverwaltung dieses Mal besser munitioniert: In einer sicher teuren, aufwändigen „ethnographischen Orientierungsstudie (=Prämediation)“ hat Dr. Franziska Becker die Befindlichkeiten der Eigenheim-Besitzer im Uferbereich abgefragt. Und auch der Oberbürgermeister ist in „zahlreichen Einzelgesprächen“ mit seiner Klientel zu der erstaunlichen Erkenntnis gelangt: Die Begüterten wollen ihre (Nacht)Ruhe. Und zwar spätestens ab 23 Uhr. In seiner Vorlage für die morgige HFA-Sitzung holt das Ordnungsamt dann richtig aus, wenn von „der ordnungsrechtlichen Sicherung des menschlichen Grundbedürfnisses auf Einhaltung der Nachtruhe“ die Rede ist. Wohl gemerkt: Es geht um feiernde, manchmal laute Kinder und Jugendliche, die ihr Recht, auch am Seerhein-Ufer zu sitzen, wie selbstverständlich wahrnehmen.
In letzter Konsequenz führt solche Politik, wie sie die Stadtverwaltung jetzt durchziehen will, zur freiwilligen Ghetto-Bildung: Man kennt das aus den USA und Südfrankreich – fehlt nur noch eine Mauer um die Nobelviertel mit wenigen Eingängen, die von Sheriffs bewacht werden, und die Abschottung ist vollkommen: Dann ist Ruhe.
Dabei handelt es sich bei den vermeintlichen Regelverstößen der vornehmlich Jugendlichen ohnehin nur um Ordnungswidrigkeiten wie ‘Vermüllung’ und ‘Lärmerzeugung’, für die selbst die Polizei im Einzelfall nicht ausrückt. Also soll die Security ran, um Drohgebärden des erbosten Bürgertums zu produzieren.
Verzwickte Rechtslage
Doch die Rechtslage ist verzwickt. Mit ihrem vom Ex-OB Frank durch gepeitschtem Glasverbot ist die Stadtverwaltung vom Gericht abgewatscht worden; mit seinen Appellen an die Landesregierung, für eine Rechtsgrundlage in seinem Sinne zu sorgen, stößt OB Burchardt in Stuttgart auf taube Ohren. Also streicht man die „guten Erfahrungen der Stadt mit Security-Diensten“ heraus, spricht beschwichtigend zunächst nur von einer Erprobungsphase und verspricht zusätzliche Sanierungsmaßnahmen im Uferbereich: Die arg strapazierten Rasenflächen sollen aufgehübscht werden, weitere „Grillstellen“ seien ins Auge gefasst.
Dennoch bleiben die grundsätzlichen Bedenken, die bereits in der Diskussion vor einem Jahr vorgebracht wurden: Der Einsatz privater Sheriffs kann kein Ersatz für ein Sicherheitskonzept des Bürgeramtes sein; die Gefahr von Übergriffen durch Security-Leute ist nicht auszuschließen; die 40 000 Euro sollten besser für Prävention ausgegeben werden.
Autor: hpk
Danke für den Link zur Studie etc. Wer sich die Mühe macht, die Bestandsaufnahme zu lesen, wird sich mit vorschnellen populistischen Urteilen zurückhalten . Eine einfache Lösung gibt es nicht; unbestreitbar aber ein Problem….
Hier ist die Tagesordnung, mit den zugehörigen Vorlagen und auch der Studie:
https://www.konstanz.sitzung-online.de/bi/to010.asp?SILFDNR=21&options=4
Kann man die Studie irgendwo einsehen? Ich kann mich nämlich hervorragend erinnern, mal an einer Studie mitgewirkt zu haben, die absolut eindeutig belegte, dass der Anteil der berufsgestörten Besitzstandswahrer eine verschwindende Minderheit der Anwohner des Herosé-Parks sind.
Sehr geehrter Herr Peschel,
Der Begriff ‚Schwarze Sherrifs‘, geprägt von den Toten Hosen, ist ein gängiger Ausdruck für private Sicherheitsdienste und spielt zum einen auf die häufig schwarze Kleidung, zum anderen auf das z.T. rüpelhafte, gewalttätige Verhalten an.
Gegen den Einsatz eines Sicherheitsdienstes sprechen die 40000€ Kosten wie die folgenden rechtlichen Ausführungen.
Zu den privaten Sicherheitsdiensten der eindeutige Gesetzeswortlaut, dem man faktisch Nichts hinzufügen muss:
§ 34 a V 1 GewO: Der Gewerbetreibende und seine Beschäftigten dürfen bei der Durchführung von Bewachungsaufgaben gegenüber Dritten nur die Rechte, die Jedermann im Falle einer Notwehr, eines Notstandes oder einer Selbsthilfe zustehen, die ihnen vom jeweiligen Auftraggeber vertraglich übertragenen Selbsthilferechte sowie die ihnen gegebenenfalls in Fällen gesetzlicher Übertragung zustehenden Befugnisse eigenverantwortlich ausüben.
Hierzu BeckOK GewO/Jungk/Deutschland § 34a Rn. 75:
In diesem Spannungsverhältnis hat der novellierte § 34a GewO zusätzliche Klarheit geschaffen. Der Gesetzgeber hat nun eindeutig normiert, dass privates Wachpersonal die sog Jedermannrechte und die von Auftraggebern vertraglich übertragenen Befugnisse, dabei handelt es sich in der Regel zumindest um das Hausrecht, ausüben darf. Die dem Wachpersonal zustehenden Befugnisse sind somit die Notwehrrechte beziehungsweise Nothilferechte gem § 227 BGB und § 32 StGB, die Notstandsrechte gem §§ 228, 904 BGB und §§ 34, 35 StGB sowie die Selbsthilferechte gem §§ 229 und 859 BGB und das Recht zur vorläufigen Festnahme gem § 127 I StPO.
(Bei Bedarf weitere Nachweise)
Eine gesetzliche Beleihung kann Burchardt garnicht durchsetzen – schließlich ist er (erfreulicherweise) kein Gesetzgeber, sondern nur Bürgermeister. Dies führt die Stadt richtigerweise aus.
Die Stadt hat diese Problematik vollständig erkannt (das ist ja das Traurige) und führt deswegen aus:
„Der Einsatz eines privaten Security-Dienstes ist somit darauf beschränkt, die Uferbereiche zu begehen, Präsenz zu zeigen, positives Verhalten zu loben, Ansprechpartner zu sein und StörerInnen zur Einhaltung der Umweltschutz- und Polizeiverordnung anzuhalten. Kommen die Betroffenen bei erheblichen Überschreitungen einer entsprechenden Aufforderung nicht nach, muss staatliche Hilfe – in aller Regel durch die Landespolizei – hinzugezogen werden. Auch hinsichtlich der Weitergabe von personenbezogenen Daten durch einzusetzende Sicherheitskräfte bestehen leider erhebliche Bedenken, da bisher keine spezielle gesetzliche Ermächtigungsgrundlage existiert.
Der Einsatz von privaten Sicherheitskräften kann aufgrund der mangelnden Rechtsdurchsetzungsbefugnisse immer nur eine Ergänzung der öffentlichen Sicherheitsvorsorge sein, nie aber als Ersatz für polizeiliche Streifen dienen.“
Gruß
Simon Pschorr
Sheriffs? Das Wort an sich ist nicht so passend.
Aber warum sollten Sheriffs keinen Dienst ausführen, so z. B. Tag und Nacht in den Strassen der Stadt sein und nach möglichen Bränden Ausschau halten – mehr nicht.
Der Einsatz von Security ist schlicht illegal. Die Security hat keinerlei Befähigung, Personen aus dem öffentlichen Raum zu entfernen, außer der Bürgermeister erdreistet sich, die Security mit polizeilicher VA-Befugnis zu beleihen. Schwarze Sherrifs beschneiden schlicht per Gewalt und Drohgebärde die Freiheit des sich im öffentlichen Raum Aufhaltens.