Jugendwahn trifft auf Generation Pattex
Der Startschuss für die Kommunalwahl ist längst gefallen und fast alle Konstanzer Parteien haben ihre KandidatInnen benannt. Auffällig ist: Mehr denn je bemüht man sich darum, junge Leute auf aussichtsreiche Positionen zu hieven. Das ist löblich, wirft aber auch einige Fragen auf. Wer beispielsweise die Liste der CDU unter die Lupe nimmt, entdeckt in der Tat einige junge Gesichter auf den vorderen Plätzen, altgediente Platzhirsche findet man eher im Mittelfeld
Doch glaubt wirklich jemand, dass alleine die Gnade der späten Geburt ausreicht, um einen (längst fälligen) Generationenwechsel einzuläuten? Wäre das so, hätte sich ein Alexander Fecker, Jahrgang 1940 und seit exakt 30 Jahren Stadtrat, nicht mit Platz 20 zufrieden gegeben. Ähnliches ist bei Wolfgang Müller-Fehrenbach, Jahrgang 1941 und seit 36 Jahren im Rat, zu vermuten. Die alten Herren, darunter auch Andreas Ellegast, Heinrich Fuchs, Kurt Demmler oder Peter Kossmehl, sind sich ihrer Sache sicher und werden – wie fast immer in den vergangenen Jahrzehnten – das Feld von hinten aufrollen. Da muss schon viel passieren, dass zumindest ein etwas jüngeres Gesicht den Altersdurchschnitt bei dieser Altherrenriege einige Jährchen nach unten drückt. Und ob Sabine Feist, auf Platz 2 gewählt, es schaffen wird, darf ebenfalls bezweifelt werden.
Man glaubt es kaum: Die achtköpfige CDU-Ratsriege besteht nur aus Männern. Und die sind allesamt gut vernetzt und bekannt in der Stadt. So können sie sich locker zurücklehnen und nach ihrer Wiederwahl darauf verweisen, dass die WählerInnen eben lieber auf die altbewährten Kräfte setzen. Wie sang einst Franz-Josef Degenhardt: „Wer alt ist, ist weise, wer dick ist, ist stark und den dicken Alten glaubte man aufs Wort und ohne Arg“. Kommunalpolitischen Beobachtern fiel zudem auf, dass Stefan Grumbt, Behindertenbeauftragter der Stadt, auf Platz 7 zu finden ist. Weder sein Outfit noch seine politischen Äußerungen im öffentlichen Raum passen ins konservative Denkmuster der Konstanzer Christdemokraten. Hat sich Grumbt in der Tür geirrt? Mitnichten, sagt er, vielmehr gehe es ihm darum, die „verkrusteten Strukturen bei der hiesigen CDU aufzubrechen“. Das werden die Altvorderen in seiner Partei wohl nicht gerne hören.
Auch bei anderen Parteien grassiert der Jugendwahn. Peter Müller-Neff, erst lange Jahre CDU-Rat, aber seit 2004 bei der FGL (Freie Grüne Liste), musste sich heftiger Attacken erwehren. Er, Jahrgang 1942, sprach auch schon von „Altersdiskriminierung“, die er bei seinen grünen ParteifreundInnen herausgehört haben will. Mit Platz 12 wurde er zwar weit nach hinten gewählt und manche seiner MitstreiterInnen im Rat wollen aus politischen Gründen nicht mehr mit ihm kooperieren. Derlei Ärger kann sich die (noch) größte Fraktion im Rat eigentlich nicht leisten. Doch Müller-Neff nimmts gelassen, denn die Wiederwahl des stadtbekannten Kommunalpolitikers gilt ebenfalls als sicher.
Richtig abgewatscht wurde Dorothee Jacobs-Krahnen und landete auf der FGL-Liste noch weiter hinten. Aber auch sie ist damit noch nicht abgeschrieben. Eng dagegen wird es wohl für den amtierenden Rat Roland Wallisch, dessen Stimmverhalten von seinen eigenen Leuten meist nicht verstanden wird. Aussichtsreich auf Platz 2 der junge Stephan Kühnle, dem gute Chancen zugeschrieben werden, den Sprung ins Stadtparlament zu schaffen.Dennoch geht man allgemein davon aus, dass die FGL, bei der spätestens seit dem KKH-Debakel intern dicke Luft herrscht, mindestens einen Sitz verlieren wird.
Herbert Weber (SPD) könnte im neuen Rat Alterspräsident werden. Der bald 76jährige sitzt seit 1977 im Gemeinderat und wird auch dem neuen angehören. Nach dem Weggang des SPD-Urgesteins Jürgen Leipold war klar, dass sich es sich die Sozialdemokraten nicht leisten konnten, auch noch Weber in den Ruhestand zu bitten. Auffällig hier: Die amtierenden SPD-RätInnen haben sich alle auf Spitzenplätze wählen lassen – man weiß ja nie. Auf Platz 5 findet man mit dem Jungsozialisten Jan Welsch einen jugendlichen Newcomer, der auf seinen Einzug ins Rathaus hofft.
Die LLK (Linke Liste), momentan mit zwei Mandaten im Rat vertreten, hätte gerne ein drittes, um somit Fraktionsstärke zu erreichen. Das wird nicht leicht, da ihr mit Vera Hemm – die aus Altersgründen nicht mehr antritt – ein prominentes Gesicht verloren geht. Andererseits hat sich auch die LLK verjüngt und präsentiert auf den ersten acht Plätzen drei KandidatInnen aus dem studentischen Milieu.
Seit einigen Wochen versucht eine WählerInneninitiative auf sich aufmerksam zu machen, die sich „Junges Forum Konstanz“ (JFK) nennt und beschlossen hat, eine Liste für die Kommunalwahlen auf die Beine zu stellen. Vor allem junge Leute und StudentInnen möchte man ansprechen. Hochgejazzt wird die Gruppe unter anderem von der örtlichen Tageszeitung, die hinter dem Kürzel JFK junge Leute vermutet, die den „Parteienmief“ satt haben und für frischen Wind sorgen ´möchten. Dass auch Oberbürgermeister Burchardt und Unirektor Rüdiger in dieses Horn blasen, erweist sich als eher sehr durchsichtige Wahlkampfhilfe. Man darf dem CDU-Mitglied Burchardt unterstellen, dass es ihm darum geht, SPD, FGL und LLK zu schwächen. Denn wenn das Junge Forum Konstanz Stimmen holen wird, dann mehrheitlich dort.
Ein Blick auf die Facebook-Seite von JFK verrät allerdings schnell, dass deren Aktivenspitze längst dem jugendlichen Alter entwachsen ist und ihre Gruppenbezeichnung reichlich schräg daher kommt. Und wer den Auftritt von Matthias Schäfer, offensichtlich einer ihrer Sprecher, im Gemeinderat erlebt hat, durfte sich schon gewaltig wundern. Der bald Vierzigjährige plädierte bei der Bürgerfragestunde – es ging um den geplanten Security-Einsatz am Heroségelände – im Namen seiner Gruppe tatsächlich dafür, Schall- oder Lärmschutzwände am Seerhein aufzustellen. Bei dem Bestreben, sich von anderen Vorschlägen abzuheben, war dieser allerdings der absurdeste. Was kommt als nächstes? Überwachungsdrohnen zum Sonderpreis von EADS? Das wiederum könnte zu einer Koalition mit der CDU führen, deren Vertreter Andreas Ellegast kürzlich gefordert hatte, das gesamte Gelände mit Videokameras auszustatten.
Autor: H.Reile (60). Der an dieser Stelle offen zugibt, als LLK-Spitzenkandidat alles andere zu sein als ein unabhängiger Schreiber. Dem das aber wiederum völlig schnuppe ist.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
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Es ist doch gut zu verstehen, dass der Blogbetreiber nicht unabhängig ist. Den Parteien steht es offen, ebenso einen Blog zu betreiben. Warum eigentlich nicht? Wenn es schon zwischen den Wahlen keine Bürgernähe gibt, kann man sich im Elektronischen Zeitalter nur wünschen, dass auch andere Parteien endlich zumindest auf dieser Basis mit den Bürgern kommunizieren.