Alles spricht für Streik
Viele Mülleimer blieben gestern ungeleert, denn seit sechs Uhr streikten in Konstanz die Mitarbeiter der technischen Betriebe und der Entsorgungsbetriebe. Beeinträchtigungen gab es auch in Kitas und Krankenhäusern in Konstanz, Radolfzell und Singen. Gut 200 Gewerkschafter beteiligten sich am ersten Warnstreik in der Tarifrunde mit den kommunalen Arbeitgebern
Und das taten sie auf ungemein kreative Weise. Zwar gab es auch die obligatorische Demonstration durch die Konstanzer Innenstadt, vorbei an kommunalen Dienststellen, aus denen sich zusätzlich MitarbeiterInnen immer wieder in den Zug einreihten, zwar wurden Transparente und Reden geschwungen – doch der rote Teppich und die Interviews am Mikrophon waren echte Überraschungen.
Hanna Binder, nicht nur SPD-Stadträtin, sondern auch stellvertretende ver.di-Geschäftsführerin, erwies sich dabei als charmante Conférenciere. Sie bat Betroffene des Öffentlichen Dienstes über den roten Teppich auf der Marktstätte („diese Ehre habt Ihr Euch verdient“) aufs Podium und interviewte sie zu den Forderungen der aktuellen Tarifrunde. Und so erfuhren die zahlreichen Passanten, dass Zweidrittel aller Konstanzer Müllwerker auf einen Zweit-Job angewiesen sind, weil das Gehalt nicht ausreicht, dass es kaum Nachwuchs bei Erzieherinnen gibt, weil junge Leute sich besser bezahlte Berufe aussuchen, dass Beschäftigte aus den Krankenhäuser kaum streiken können, weil dann die Gesundheitsfürsorge zusammenbricht.
Deshalb, so die ver.di-Geschäftsführerin Margrit Zepf, sei die Forderung nach einem Sockelbetrag von 100 Euro so wichtig, weil nur so die unteren Einkommen am realen Zuwachs teilnehmen, deshalb auch muss die Ausbildungs-Vergütung deutlich angehoben werden. „Und das Geld ist da“, rief Zepf den Demonstranten zu, „4,8 Milliarden Euro beträgt derzeit der Überschuss aller Kommunen. Und wer Millionen für Konzilfeierlichkeiten ausgeben mag, darf an den Beschäftigten nicht sparen.“
Die lauten Streik-Parolen der gut 200 Demonstranten auf der Konstanzer Marktstätte belegen, dass die ver.di-Drohung, die Warnstreiks auszuweiten, nicht aus der Luft gegriffen ist: „Sollte es bei der zweiten Verhandlung in dieser Woche wieder zu keiner Einigung kommen, werden wir am 27. März massenhaft nach Freiburg fahren und Herrn Salomon unsere Meinung sagen. Dann wird es zu noch empfindlicheren Einschränkungen im Landkreis Konstanz kommen“, so Zepf. Der Freiburger Oberbürgermeister Salomon ist einer von zwei Verhandlungsführern auf Arbeitgeberseite.
Autor: hpk
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Zu viele Ausnahmen beim Mindestlohn und für Arbeitnehmer in Hochpreisregionen, das muss sich ändern! Die Ausbildungsvergütungen müssen deutlich angehoben werden, damit sie annähernd dem Mindestlohn in Höhe von 8.50 bis 10,00 Euro/Stunde entsprechen. Und für Familien, die dort wohnen, arbeiten, studieren und leben müssen, wo andere Urlaub machen – das sind die Hochpreisregionen – müssen einen „Städte-Zuschlag“ bekommen. Die Tarifforderung im Öffentlichen Dienst, 100 Euro und prozentualer Aufschlag sind in Ordnung.