„Queer goes Labor“
Homophobe Einstellungen, angeheizt durch rechtskonservative, religiöse FundamentalistInnen und AfD-UnterstützerInnen haben Hochkonjunktur. In Stuttgart fanden jüngst zwei Kundgebungen gegen den Bildungsplan statt. Der platte Vorwurf: SchülerInnen wolle man „zu Homosexuellen erziehen“. Doch überall, vor allem in Uni-Städten, formiert sich eine Gegenkultur. So veranstaltet man im Konstanzer Contrast jetzt Queer-Parties
Das Labor ist ein sehr eigenwilliges Projekt im JugendKultur e.V. Contrast in Konstanz. Wie man es am besten beschreibt? Dienstag Abend ab 21 Uhr, wahrscheinlich der kreativste Abend der ganzen Woche im Contrast. Man geht hin und sollte nichts erwarten, aber auf alles gefasst sein: In der Regel gibt es DJs mit irgendwas Individuellem im Gepäck: Ob Rock, psychedelische Klangexperimente, aber auch mal die Aufarbeitung wegweisender Popgeschichte – praktisch alles ist möglich. Wenn mal niemand auflegt, holen banderprobte Menschen ihre Instrumente raus und das Publikum wird mit stundenlangen Jam-Sessions unterhalten. Unter die Haut geht es dabei immer. Eintritt: Auf alle Fälle kostenlos. Um den Kommerz geht es dabei nicht.
Darum: Queer-Party
Egal, zu welcher Labor-Veranstaltung man kommt: Es ist immer hedonistisch und freundlich. So passt es, dass sich junge Leute gefunden haben, die über ebenso hedonistische Veranstaltungsreihen sich gesellschaftlichen Problematiken annehmen: „Queer goes Labor“ geht am 15.April in die zweite Auflage. Ab Mai soll es jeder erste Dienstag im Monat sein. Dahinter stecken unter anderem Sophie Petzelberger, Tim Glaser, Meltem Meddur und Jessica Wagner. An der Uni reden die Studierenden über das Konzept. Tim erzählt: „Es gab im Contrast eine Party zu den Aktionswochen gegen Sexismus und Homophobie vom Uni-AStA-Referat für Gleichstellung und Integration. Das war im November. Danach wurden wir von den Labor-Leuten gefragt, ob wir das nicht häufiger machen wollen. Bis dato gab es in Konstanz an und für sich so keine queere Party.“
Sophie ergänzt: „Die Krux an Konstanz ist, dass es wenig Szene gibt, aber unter den Studierenden gibt es zu vielen Themen meist viel Nachfrage, jedoch wenig Angebot. Daher entsteht schnell der Wunsch, es einfach selber zu machen. In Sachen Queer schreien die Leute förmlich nach so was, und die kommen ja dann auch. Zudem ist es nicht einfach, in Konstanz einen Raum zu finden, der für uns kostenlos ist und wo die Leute kostenlos hinkommen können und gleichzeitig einen Raum zu finden, der geschützt ist.“ Geschützt, das heißt, dass sich alternative Gruppierungen oftmals Räume suchen, in denen sexistische, rassistische, homophobe, allgemein diskriminierende Äußerungen und derartiges Verhalten nicht erwünscht sind.
Politik und/oder Party?
Bei dem Thema Queer-Party kommt man unweigerlich nicht an den politischen Geschehnissen und Fragen vorbei. Ob am „Bildungsplan 2015“ für Baden-Württembergische Schulen oder etwa den Vorgängen in Russland. So stellt sich die Frage, ob tagesaktuelle Themen in Zukunft von Monat zu Monat aufgegriffen werden sollen. „Wir haben das im Vorfeld überlegt und es gibt ja ohnehin auch unter den Queers sehr viele politische Stimmen. ,Sotchi’s everywhereʻ wurde bei uns intensiv diskutiert. Da kam die Frage auf: Was soll ein Motto leisten und passt es überhaupt zum unbeschwert feiern? Wir hatten jetzt im Februar das Motto ,Drag Queen Contestʻ. Das passte gut mit der Überschrift ,Laborʻ zusammen. Die Leute sollten sich ausprobieren, sich selber kennenlernen, ein wenig experimentieren“, beschreibt Tim die Situation.
„Wir haben auch überlegt, Vortragsreihen einzubauen, aber uns erst einmal dagegen entschieden. Vielleicht wirkt es auch eher nachteilig, die Leute von vornherein ,hardcoreʻ mit Politik zu überfrachten“, meint Sophie und fährt fort: „Wir ergänzen die Veranstaltung mit einem Infotisch, aber die Leute sollen sie selbst sein dürfen. Das ist erst mal in dem Sinne politisch genug.“
„Seitenhiebe“ auf Konservative
Vielmehr geht es den Initiator_innen darum, dass sich in der Stadt „eine Szene herauskristallisiert“, die sich austauschen kann. „Mit dem Contrast wollen wir vor allem auch Nicht-Studierende, also Arbeitende, Schüler_innen, Auszubildende etc. erreichen, da es im Moment schon sehr studentisch geprägt ist“, merkt Tim an. Als er äußert, dass sich Leute auf der Party anschauen könnten, ob ihnen ein queerer Lebensstil taugt, kommt zwangsläufig die Frage nach dem konservativen Vorwurf der „Umerziehung hin zu Homosexualität“ auf, die gerne darauf verweisen, dass man mit dem Bildungsplan 2015 Kinder schon im Grundschulalter „zu Homosexualität erziehen“ wolle. Tim, Sophie und Jessica müssen grinsen. „Nicht umerziehen. Uminspirieren“, meint Sophie. Tim stimmt zu: „ Natürlich, wir wollen auch schauen, ob es Neugierige gibt oder ob sich eventuell jemand dran stößt. Aber: die Leute sollen doch selber merken dürfen, wie sie ticken.“
Party-Interessierte oder Menschen, die mitmachen wollen, können auf der Facebook-Seite https://www.facebook.com/QgoesLabor nachschauen.
[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: Ryk Fechner