Geld und Glaubwürdigkeit der Universität Konstanz
Studierende in Konstanz und ganz Deutschland klagen oft über verschulte Studiengänge, zu hohe Mietpreise oder schlichte Überforderung im schlecht organisierten Bologna-System. Bei vielen macht sich darüber hinaus Verzweiflung über die zukünftigen Berufschancen im kaputten Europa breit. Die akademische Elite hingegen sieht ein viel drängenderes Problem: der internationale Wettbewerb um die besten Köpfe für die Forschung.
Um diesen imaginierten Konkurrenzkampf bestehen zu können, müssen hochdotierte Fördermittel für die Universität und ihre Mitglieder gesichert werden. Darin wird schon heute mehr Zeit und Mühe investiert als in die Verbesserung des Lehrangebots selbst. Neben diesem bitteren Widerspruch steht ein noch größeres Problem, das mit der Abhängigkeit von nichtstaatlichen Finanzmitteln einhergeht: der Verlust der wissenschaftlichen Unabhängigkeit und mit ihr langfristig die Glaubwürdigkeit der gesamten Institution Universität. Dieser Trend lässt sich ohne weiteres aus den Pressemitteilungen der Uni Konstanz ableiten, zwei aktuelle Beispiele hierzu:
Zum Beispiel Hans-Werner Hector
Im März 2011 stiftete Hans-Werner Hector (s. Foto links) über seine Hector-Stiftung II der Uni Konstanz drei Millionen Euro zur Förderung der Fächer rund um Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (kurz MINT-Fächer). Hector ist Mitgründer von SAP und hat ein Vermögen in Höhe von mehr als 1.300 Millionen Euro angehäuft – für diese obszöne Summe muss ein Rektor zehntausend Jahre lang arbeiten. Die Uni revanchierte sich, indem sie Herrn Hector im November 2011 die Ehrensenatorwürde als Dank für seine „großzügige Unterstützung“ und die „engagierte Förderung für eine exzellente Forschung“ zusprach. Der Rektor fuhr persönlich nach Heidelberg, um Hector die Auszeichnung zu überreichen. Dieser behielt dies wohl in guter Erinnerung und stockte Ende 2013 die Förderung um weitere drei Millionen auf. Der Rektor fasste die erneute Förderung der Uni Konstanz als Signal auf, dass „sie sich auf dem richtigen Weg befindet“.
Die genannten Fördergelder werden nicht in den Ausbau von Studi-Wohnheimen oder der Einrichtung von Bibliotheksarbeitsplätzen investiert, sondern in „Ausstattungszusagen bei Berufungs- und Bleibeverhandlungen, Gehaltsanreize für außerordentliche Leistungen“, kurzum in Professoren, die ohnehin schon über ausreichend Forschungsmittel verfügen. Bemerkenswert ist auch, dass die Förderung der Humanwissenschaften explizit ausgeschlossen ist. Auf den ersten Blick mag es nicht einsichtig sein, warum dieses Geldgeschenk zum Nachteil der Universität sein soll – einem geschenkten Gaul schaut man schließlich nicht ins Maul.
Warum gelten bei Hector andere Maßstäbe?
Die Vorgänge um die Stiftung Hector II entsprechen allerdings nicht dem üblichen Prozedere bei der Einwerbung oder dem Erhalt von Fördermitteln. Die Uni Konstanz erhielt beispielsweise auch Mittel für Ihren Exzellenzstatus, den sie einer speziellen Jury aus Wissenschaft und Politik zu verdanken hat. Es wäre ein Skandal gewesen, wenn die Uni diese Jurymitglieder oder gar der damaligen Bundeswissenschaftsministerin Schavan persönlich einen Ehrensenatortitel angetragen hätte, etwa als Dank für die „großzügige Unterstützung“. Warum gelten bei Hector andere Maßstäbe?
Die Stiftung Hector II ist nach eigenen Angaben nicht gemeinnützig, sondern will mit ihren Wissenschaftsfonds „eine Anstellung an einer Elite-Universität für besonders begabte und erfolgreiche Hochschullehrer und -forscher noch attraktiver zu machen“. Hectors Millionen sind also kein bedingungsloses Geschenk eines Milliardärs, der an seinem Lebensabend reuig noch etwas für die Gesellschaft tun will, dieses Geld soll Politik machen. Welches Gewicht haben dann noch die Interessen der Studierenden oder nicht forschungsstarken Hochschullehrer? In Anbetracht dieser gefährlichen Abhängigkeit von Drittmitteln alternder Milliardäre, die glauben, mit einer fragwürdigen Agenda die Hochschulen wieder auf den richtigen Weg bringen zu müssen, sollten sich alle Universitätsmitglieder für eine unabhängige und verbesserte Grundfinanzierung der Hochschulen aussprechen. Obwohl sich Universitätsleitung als auch die Professorenschaft dieser Abhängigkeit voll bewusst ist, fällt ihr doch als einziges Mittel dagegen nur die Pflege weiterer informeller Kontakte zu reichen Geldgebern ein.
Zum Beispiel Bertil Andersson
Aus diesem Grund wurde Ende 2013 Bertil Andersson, Präsident der Nanyang Technological University in Singapur, einstimmig von Senat der Uni Konstanz der Ehrendoktortitel verliehen. Der Schwede Andersson (s. Foto rechts) war ein renommierter Pflanzenbiochemiker, bevor er sich für eine Karriere in der Leitung der Universität Linköping, der Europäischen Wissenschaftsstiftung und ab 2007 der NTU Singapur entschied. Letztlich motivierte die große Bedeutung Anderssons für die Uni Konstanz „unter institutionellen Gesichtpunkten“ und die „hervorragende Basis“ der „vorhandenen persönlichen Kontakte“ im Fachbereich Biologie und vermutlich zur Graduiertenschule KoRS Chemical Biology die Verleihung des Ehrentitels. Diese Graduiertenschule pflegt bereits seit längerem Kontakt zur NTU Singapur, so wurde im September 2013 ein internationales Doktorandenprogramm öffentlich vorgestellt, das die Graduiertenschule und die NTU gemeinsam initiierten.
Dieser Kooperationseifer wird verständlicher vor dem Hintergrund der singapurischen Wissenschaftspolitik. Singapur ist ein sehr reicher Stadtstaat, der allerdings autokratisch regiert wird. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ führte Singapur 2013 in ihrem Pressefreiheitsranking auf Platz 149 von 179 (Deutschland: Platz 17). Für mittlere Vergehen wie Diebstahl ist körperliche Züchtigung mit einem Rattanstock eine oft verhängte Strafe. 2013 verweigerte die NTU die Berufung des Medienwissenschaftlers Cherian George, einem Kritiker der singapurischen Pressezensur, was neben anderem deutlich macht, dass die Universität Teil des singapurischen Staatsapparats ist.
Die großen Investitionen in den Wissenschaftsbereich sind ganz offiziell Teil der Politik des rohstoffarmen Landes, um zum Wissenschafts- und Technologiezentrum Asiens aufzusteigen. Singapur erlaubt sogar die Herstellung menschlicher Embryos zu Forschungszwecken, um in der Stammzellforschung konkurrenzfähiger gegenüber den USA aber auch Deutschland zu werden, deren Gesetzgebung dahingehend restriktiver ist. Singapur ist damit zum Geheimtipp unter Stammzellforschenden geworden, die ihre Forschung durch die heimische Gesetzgebung eingeschränkt sehen. Singapur und seine Universitäten bieten ausländischen Forschenden beste Bedingungen, da das Land (noch) auf Wissensimport angewiesen ist.
Wissenschaft und Bildung werden zur Ware gemacht
Für die Uni Konstanz und die Doktorandenschule KoRS Chemical Biology wird dieser exklusive Kontakt zum NTU-Präsidenten von großem Nutzen sein. Dass man dabei ein autoritäres Regime aktiv unterstützt, wird wohlwissend übersehen. Die Uni Konstanz ist bei dieser Art Korruption der Wissenschaft, Forschung und Lehre, kein Einzelfall. Heute sind alle Hochschulen zu fragwürdigen Kooperationen genötigt, weil die Grundfinanzierung mangelhaft ist. Dies ist jedoch ausdrücklich politisch gewollt, um das Modell der sogenannten Unternehmerischen Hochschule zu etablieren.
Daran hat auch der Regierungswechsel in Baden-Württemberg 2011 zu Grün-Rot nichts geändert, was nicht zuletzt an der wenig begabten Wissenschaftsministerin Bauer liegt. Wissenschaft und Bildung zur Ware zu machen, ist letztlich jedoch nicht möglich, da Wissenschaft nicht der Wahrheit und gleichzeitig dem Profit verpflichtet werden kann. Daher ist dieses Universitätsmodell, so erfolgreich es sich momentan öffentlich darstellen mag, zum Scheitern verurteilt. Der zu erwartende Schaden für die Gesellschaft und die Uni-Mitglieder wird enorm sein, wenn das Vertrauen in Wissenschaft allgemein und die Universitätslandschaft im speziellen langzeitig zerstört wird. Der einzige Ausweg ist die Demokratische Hochschule, in der alle Mitglieder gleichberechtigt selbst ihre Hochschule, Lehre und Forschung gestalten und selbstbewusst die nötige Finanzierung von der Gesellschaft einfordern.
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Autor: Alexander Schmidt
Zum Komplex Hector und Co. kann ich nichts beitragen, hier fehlen mir einfach mehr Fakten, diesen spare ich deshalb aus.
Seemoz unterlässt es Behauptungen mit Fakten zu belegen und vermischt Dinge, die einfach nicht zusammengehören, zwei Beispiele:
1.: „Studierende in Konstanz und ganz Deutschland klagen oft über verschulte Studiengänge, zu hohe Mietpreise oder schlichte Überforderung im schlecht organisierten Bologna-System.“
Zunächst kann man die hohen Mietpreise nun wirklich nicht dem Bologna-System ankreiden (andere Baustelle).
Ich habe selbst das B.A./M.A.-System durchlaufen und noch die alten Diplom- und Magisterstudierenden in den höheren Semestern kennengelernt, dabei konnte man feststellen: Das derzeitige System bietet den Studierenden einen stärkeren roten Faden durch das Studium, ohne dass Ausbrüche (wie sie Seemoz wahrscheinlich auch begrüßt) unmöglich werden (längeres Studium zur Orientierung, Auslandsaufenthalte, Studiengangwechsel).
2.: „Um diesen imaginierten Konkurrenzkampf bestehen zu können, müssen hochdotierte Fördermittel für die Universität und ihre Mitglieder gesichert werden. Darin wird schon heute mehr Zeit und Mühe investiert als in die Verbesserung des Lehrangebots selbst.“
Hier würde mich nun wirklich interessieren, wie Seemoz auf so eine wirre Behauptung kommt, dass heute weniger in die Verbesserung der Lehre investiert wird. Zu Beginn meines Studiums gab es keine Evaluation der Lehrenden, heute sind diese Standards und immer häufiger werden Lehrportfolios inkl. der Evaluationsergebnisse bei Berufungsverhandlungen eingefordert.
Auch die Doktorandenausbildung liegt nicht mehr brach und jede bzw. jeder promoviert vor sich hin, sondern kann sich in stärker betreute Promotionsstudiengänge einschreiben mit entsprechendem Kursangebot.
Darüber hinaus haben die deutschen Hochschulen eigene Zentren für Hochschuldidaktik aufgebaut und bieten ihren Lehrenden günstige oder kostenlose Schulungen oder Zertifikatsprogramme an. Ich selbst habe an einem Projekt zur besseren Verzahnung von Forschung und Lehre teilgenommen, den Studierenden hat es gefallen. Hochschuldozierende haben in den 70er, 80er und 90er Jahren wohl kaum 100 und mehr Arbeitsstunden in ihre didaktische Weiterbildung investiert, oder?
Insbesondere in Konstanz hört man doch wenig von Problemen in der Lehrqualität oder von überfüllten Hörsälen und Seminaren. Warum spielt Seemoz hier also Lehre und Forschung gegeneinander aus? Warum werden entsprechende Behauptungen nicht mit Fakten hinterlegt?