Streit um 22 „Greifvögel“

seemoz-GripenOffiziell geht es bei der Schweizer Volksabstimmung am 18. Mai um 22 „Gripen“-Kampfflugzeuge für 3,126 Milliarden (Mrd.) Franken. Die Gegner der Vorlage gehen aber davon aus, dass die „Greife“ – so die Übersetzung des schwedischen Namens – im Laufe ihres Lebens eher 10 Mrd. kosten werden. Sie finden das zu teuer und die Dinger insgesamt unnötig. Außerdem steht der Mindestlohn auf dem Stimmzettel

Die Schweizer Luftwaffe fliegt derzeit vor allem F/A-18 Kampfflugzeuge und noch ein paar angejahrte „Tiger“-Jets. Das Militär sowie die Mehrheit von Regierung und Parlament finden, es wäre Zeit, die Armee mit neuen Flugzeugen auszurüsten – umso mehr, als die „Tiger“ 2016 still gelegt werden sollen. Auf der Suche nach Flugzeugen, die sowohl F/A-18 als auch „Tiger“ ersetzen könnten, ist man in Schweden beim „Gripen“ des Herstellers Saab fündig geworden. Nicht zuletzt, weil die ebenfalls geprüften „Eurofighter“ und „Rafale“ so teuer gewesen wären, dass auch den Befürwortern eines Flugzeugkaufes klar war: Diese Summen genehmigen die Stimmberechtigten niemals. Wünsche nach neuen Fliegern blühte in der Schweiz nämlich schon früher das, was im Deutschland der 1960er-Jahre das „Schicksal“ von fast 300 „Starfightern“ gewesen war: der Absturz.

Der „Gripen“ ist zwar günstiger, aber der vertrauliche Evalutionsbericht der Luftwaffe enthüllte, dass die schwedischen „Greifvögel“ nicht nur weniger können als die teuren – und vom Militär sehr gewünschten – „Eurofighter“, sondern auch weniger als die alten F/A-18. Der „Gripen“ sei zwar als Aufklärungsflugzeug ausreichend, aber für Luft- und Erdkampf sowie als Luftpolizei tauge er nicht, hieß es in dem Bericht.

Nun soll der bisher bereits in kleiner Stückzahl gefertigte und verkaufte „Gripen“ für Schweizer Bedürfnisse zusätzlich aus- und aufgerüstet werden. Die Crux dabei: In dieser Version gibt es den „Gripen“ noch gar nicht beziehungsweise erst auf dem Papier. Beschaffungsgegner befürchten deshalb, die 40 Prozent Vorauskasse, die die Schweiz bei einem Kauf leisten müsste, könnten zum Fass ohne Boden werden: Funktioniere der Um- und Ausbau nicht wie gewünscht, bleibe nichts anderes übrig, als so lange zu zahlen, bis ein flugtaugliches Modell auf dem (Flug-)Platz stehe.

Mitten in die Diskussion darüber, ob die Schweiz ein neues Kampfflugzeug brauche, platzte dann die Erkenntnis, dass die Luftwaffe heute den Luftpolizeidienst nur während Bürozeiten ausübt. Nach „Ladenschluss“ und vor „Ladenöffnung“ übernehmen die Nachbarstaaten diese Aufgabe. So mancher spottete, dafür brauche man keine neuen Flugzeuge. Und als klar wurde, dass der „Gripen“ so umgebaut werden solle, dass er Erdziele bekämpfen könnte, wurde der Spott nicht weniger: Welche Ziele das denn sein sollten, wurde gefragt. Solche im eigenen Land? Denn die große und immer noch teure Schweizer Armee ist rein defensiv angelegt. Wie das zu einem neutralen Staat passt.

Außerdem, so die Gegner, solle man erst einmal klären, welche Gegner denn bekämpft werden sollten: Man sei schließlich von befreundeten Staaten umgeben. Aufwind bekamen die Befürworter durch die derzeitige Krise in der Ukraine, die weit herum für Verunsicherung sorgt. Allerdings behaupten nicht einmal die Flugzeugfreunde, der „Gripen“ könne dagegen etwas ausrichten – bis er geliefert wäre, ist hoffentlich die Krise vorbei. Zudem spielt sie sich nicht gerade in Nähe der Schweizer Grenzen ab.

Kaum Freude gemacht haben dürfte den Befürworten auch, dass öffentlich wurde, wie stark der schwedische Botschafter in der Schweiz die Kommissionsmitglieder bearbeitet hatte, die das Beschaffungsgeschäft fürs Parlament vorbereiteten: Vor seinem Einsatz standen die Chancen für den „Gripen“ in der Kommission schlecht. Hinterher gab es eine knappe Mehrheit dafür. Aufgeflogen war der schwedische Einsatz zuerst  in schwedischen Zeitungen. Schweden ist nämlich sehr an dem Geschäft interessiert, weil sich der „Gripen“-Bau erst rentiert, wenn mindestens 200 Flugzeuge verkauft sind. Davon ist das Rüstungskonsortium unter SAAB-Leitung aber noch weit entfernt.

Die Chancen für den „Gripen“-Kauf  stehen derzeit 50:50. Jene, die neue Militärflugzeuge als „tüers Buebespielzüg“ (teures Knabenspielzeug) bezeichnen, sind mit 52 Prozent noch leicht in der Mehrheit.

Mindestlohn und Sexualstraftäter

Am 18. Mai wird es aber nicht nur um Flugzeuge, sondern auch um einen flächendeckenden Mindestlohn und ein lebenslanges Berufsverbot für Sexualstraftäter gehen. Die Gewerkschaften haben eine Initiative für einen Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde lanciert – das entspricht  4000 Franken brutto pro Monat. Die Argumente für und gegen den Mindestlohn sind in der Schweiz die gleichen wie in Deutschland: Die Befürworter wollen, dass alle Arbeitnehmer soviel verdienen, dass sie vom Lohn für eine Vollzeitstelle auch leben können. Die Gegner befürchten den Untergang der Schweizer Wirtschaft, wenn im Gastgewerbe, in der Landwirtschaft und im Verkauf  – die vor allem davon betroffen wären – so viel bezahlt werden müsste. Allerdings braucht man sich darüber nicht viele Gedanken zu machen: Die Initiative hat kaum Chancen, angenommen zu werden.

Weniger klar ist die Lage beim – ebenfalls per Volksinitiative – angestrebten lebenslangen Verbot von Arbeit mit Kindern und Jugendlichen für alle verurteilten Sexualstraftäter. Der populistische Vorstoß hat gute Chancen, eine Mehrheit zu bekommen. Dies, obwohl es inzwischen per Gesetz möglich ist, zehnjährige oder auch lebenslange Arbeitsverbote auszusprechen. Allerdings sieht das Gesetz vor, dass solche Verbote in jedem Einzelfall zu prüfen sind, während die Initiative sie unterschiedslos für alle verurteilten Sexualstraftäter will – also auch für den 20-Jährigen, der mit seiner noch nicht 16-jährigen Freundin geschlafen und sich damit strafbar gemacht hat.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

 

Autorin: Lieselotte Schiesser