Petershausen: „Pillepalle“ oder geht noch was?

seemoz-pillepalle1Rund 60 BürgerInnen waren der Einladung der Bürgergemeinschaft Petershausen gefolgt, bei einer Podiumsdiskussion mit GemeinderatskandidatInnen die Probleme des Quartiers zu debattieren. Neues war dabei nicht zu erfahren und auch Dauerbrenner wie die Lage am Seerhein wurden aufgewärmt. Dieses Thema lodert weiter, und die Lärm geplagten Anwohner erwägen gar den Gang vors Gericht

Auf dem Podium saßen: Günter Beyer-Köhler (FGL), Andreas Ellegast (CDU), Jürgen Ruff (SPD), Anselm Venedey (FWK), Johann Hartwich (FDP), Hans Peter Koch (Linke Liste) und Christine Finke (JFK). Letztere beschwerte sich schon bei der namentlichen Vorstellung darüber, dass man ihren Doktortitel unter den Tisch habe fallen lassen. Das mag Frau Finke nicht. Bei der Akademikerin, so der Eindruck, hebt miefiger Standesdünkel das Selbstwertgefühl.

Moderator Henrich Tiessen wollte eingangs der Debatte wissen, welches nach Ansicht der KandidatInnen die drängendsten Konflikte im Stadtteil Petershausen sind. Da war man sich weitgehend einig: Wohnen und Verkehr. Wo, so eine weitere Frage, ist denn Wohnbebauung überhaupt noch möglich? Der Grüne Beyer-Köhler brachte die Fläche ins Gespräch, die nach dem Umzug des Autohauses Bodan für Wohnungsbau vorgesehen ist. SPD-Spitzenkandidat Jürgen Ruff, pardon Dr. Jürgen Ruff, setzte nach und schlug vor, einen kleinen und „energieautarken Stadtteil“ entstehen zu lassen. Aber auch für Nachverdichtung sehe er noch „ein wenig Potential“, das es auszuloten gelte und verwies auf das Ravensberg-Gelände. Außerdem, so Ruff ergänzend, dürfe man die moderate Aufstockung in Frage kommender Häuser nicht außer Acht lassen.

Andreas Ellegast erklärte, die Nachverdichtung in Petershausen habe längst eine Grenze erreicht: „da geht nur noch Pillepalle“. Anselm Venedey brachte die Christiani-Wiesen ins Gespräch, plädierte aber ansonsten in Sachen Wohnbau für eine verstärkte Außenentwicklung. Vergesst die Tennisanlage in der Eichhornstraße nicht, die nach einem neuen Standort suche, warf Johannes Hartwich in die Runde und: „Was wird mit den Rieterwerken, was mit dem Siemens-Areal?“

Hans- Peter Koch geißelte die Konstanzer Baupolitik insgesamt  als „gescheitert“ und fragte: „Warum keine Wohnbebauung im fast leerstehenden Kompetenzzentrum oder auf dem Centrotherm-Gelände?“ Das war seinen Mitdiskutanten dann doch zu heikel und man wollte die seit Wochen gärende Konzerthaus-Euphorie an diesem Abend nicht torpedieren. Dr. Christine Finke plädierte beharrlich für neue Wohnprojekte mit „gemeinsamen Wohnküchen“. Dort könnte man sich nach des Alltags Mühen friedlich beim harmonischen Kartoffelschälen treffen.

Auch das vor sich hin dümpelnde Langzeitprojekt Büdingen-Park belebte die Runde. „Wohnen ist dort ausgeschlossen“, sagte Andreas Ellegast und verwies auf einen bestehenden Bebauungsplan, der an dieser Stelle den Bau eines Hotels vorsieht. „Büdingen muss Grünfläche bleiben“, sprang ihm Beyer-Köhler bei. Schon vor Monaten hatte die Linke Liste angeregt, die Stadt solle das Sahnestück an der Seestraße kaufen (Kosten ca. 10 Millionen Euro). Dann könne man auch dort in Eigenregie Wohnraum nicht nur für Begüterte schaffen. Schade, dass an diesem Abend niemand von der Büdingen-Initiative anwesend war und dazu Stellung nahm. Denn das Gerede von einer „grünen Lunge“, die sich für einen Bürgerpark eignen würde, hält sich seit Jahren, aber nichts passiert.

Einzig Anselm Venedey nahm den heißen Ball auf und schloss sich im Grundsatz der Linken Liste an: „Ein Drittel Wohnbebauung und zwei Drittel als Grünfläche erhalten“, so der Rat der Freien Wähler. Und so kann man davon ausgehen, dass der Büdingen-Park bleibt, was er seit langer Zeit ist: Gestrüpp und Bäume für das grüne Wohlbefinden und Rückzugsgebiet für Zwei- und Vierbeiner, die der Harndrang plagt.

seemoz-pillepalle2Weitgehend Konsens bestand auch bei der Forderung, auf den Straßen in Petershausen „möglichst flächendeckend“ Tempo 30 einzuführen. „Ein erster Schritt“, so LLK-Vertreter Hans Peter Koch, „den motorisierten Individualverkehr mittelfristig gegen Null zu drücken“. Allgemein bemängelt wurde, dass im Quartier zu wenig Spielplätze seien. In den Hofgärten, monierte FGL-Kandidatin Karin Göttlich aus dem Publikum, bestünde sofortiger Nachholbedarf. Venedey schlug zudem vor, den Radverkehr aus dem Herosegelände ganz zu verbannen, denn er gefährde vor allem die dort spielenden Kinder.

Zu später Stunde kam ein Konfliktherd zur Sprache, der seit jeher die Zornesadern bei den Bewohnern am Seerhein schier zum Platzen bringt. Mit der Entscheidung des Gemeinderats, an Ort und Stelle keine private Security einzusetzen, haben sich viele nicht abgefunden. Nun, so ein erzürnter Anwohner der hochpreisigen Bienenwaben am Seerhein, ziehe man eine Klage vor dem Verwaltungsgericht in Betracht.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: hr, Fotos: W.Betz/BGP