„Die Banken sind saniert – das Volk wird ruiniert“

Massendemonstration in Brüssel, Bankbesetzung in Berlin, Generalstreik in Spanien – und Bankenbesuch in Ravensburg. Der gestrige „Bankenaktionstag“ wurde von attac und den Gewerkschaften zu einem hundertausendfachen Protest gegen die europaweite Kürzungspolitik der Regierungen. Und die Bodensee-Attacis scheuten selbst vor radikalen Forderungen nicht zurück: „Großbanken zerschlagen“ war eine ihrer Parolen auf dem Marienplatz in Ravensburg.

Der „heiße Herbst“ hat die Bodenseeregion erreicht: Mit Pfeifkonzert und Straßentheater, mit pffiffigen Transparenten und schrägen Slogans zogen die Demonstranten durch Ravensburg. Ihr Ziel war die Filiale der Deutschen Bank am Marienplatz. Und als dann 15, 20 Attacis den Schalterraum bevölkerten, verstummten die Kundengespräche und verharrten die Bankbeschäftigten hinter ihren Trennwänden. Verdattert sammelten sie die Flugblätter ein, fast andächtig, eher noch ohnmächtig lauschten sie der Ansprache von Lothar Höfler aus Lindau und waren erkennbar erleichtert, als der Spuk für sie nach zehn Minuten vorbei war. Da traute sich auch Handwerksmeister S. wieder in die Bank, der zuvor erstarrt vor der Tür gewartet hatte: „Ist das ein Überfall auf meine Hausbank“?

Die Polizei verspätete sich

Währenddessen hatten rund 40 attac-Aktivisten vor der Bank ihre Transparente entrollt, einen Infostand aufgebaut und ein Straßentheater organisiert. Und was sie zu sagen hatten, war manchen Passanten dann doch zu starker Tobak, das hatten sie im trauten Ravensburg noch nie gehört: “Banken sorgen dafür, dass die Armut zunimmt“. Oder: „Die Banken sind saniert – das Volk wird ruiniert“. Und: „Wir fordern eine Zerschlagung von Großbanken: Keine Bank darf mehr so wichtig und mächtig sein, dass ihr Konkurs die gesamte Wirtschaft bedroht“.

Die Polizei rückte übrigens erst 35 Minuten später an. Auch sie verdattert oder zumindest überrascht: „Das ist aber nicht angemeldet“ wusste der Ranghöchste und ließ sich von einem attac-Mitglied aus Singen überzeugen: „Das ist auch alles ganz spontan“.

Erstmal hatten sich attac-Gruppen aus Lindau, Ravensburg und Singen zu einer solchen Aktion zusammen gefunden; auch einzelne aus Tuttlingen, Konstanz und Friedrichshafen schlossen sich der Demonstration an. Angelika aus Immenstaad war dann auch erkennbar stolz: „50 Aktive am Vormittag eines Werktages hier am Bodensee auf die Beine zu bringen, ist schon eine Leistung“. Was sie nicht sagte: Die Demonstranten waren selten älter als 25 und kaum jünger als 60 – außer Studenten und Pensionären traute sich zu dieser Zeit niemand auf die Straße.

Die Journalisten lachen sich eins

Ein Schmankerl verteilten die attacis außerdem auf dem Marienplatz in Ravensburg: „Financial Crimes“ ist ein täuschend echter Nachdruck einer deutschen Finanzzeitung mit jetzt allerdings attac-typischen Inhalten, selbst die Anzeigen sind eine Täuschung. Doch während „Zeit“-Chefredakteur di Lorenzo über einen solchen Schabernack, der im vorigen Jahr auch seine Zeitung traf, nur lachen konnte, erwägen die „Financial-Times“-Verantwortlichen offensichtlich rechtliche Schritte gegen diesen Scherz, ausgeheckt von einer „Fälschungsredaktion“ der attac-Zentrale in Frankfurt. Restexemplare dieser Journalisten-Jux-Zeitung sind bei den Bodensee-attac-Gruppen noch zu bekommen.

Letzte Meldung: Während sich die Bürgerproteste von Madrid und Brüssel, Berlin und sogar Ravensburg auf Dublin und Warschau ausgeweitet haben, schlug die EU-Kommission am Mittwoch eine Verschärfung des Euro-Stabilitätspaktes vor – am Donnerstag.tagen die EU-Finanzminister in Brüssel. Und noch eins: Am 27. März 2011 ist Landtagswahl in Baden-Württemberg – die erste Chance im parlamentarischen System, den besserwissenden Poltikern eine Rechnung aufzumachen für Stuttgart21, für den Ausstieg aus dem Atomausstieg, für die sogenannte Gesundheitsreform, für Rente ab ’67 und auch für die fehl gesteuerte Finanzpolitik.

Autor: Hans-Peter Koch