Ein Pyrrhussieg für die Konzerthaus-Jasager

seemoz-GR-Centrotherm 014In der letzten Sitzung des Konstanzer Gemeinderates vor den Neuwahlen am Sonntag präsentierten sich die bürgerlichen Parteien, wie man es aus den letzten fünf Jahren gewohnt war: Die FGL als zerstrittene Partei, die SPD als Umfaller-Fraktion, die CDU als untalentierte Altherrenriege, die FDP als nicht wahrnehmbar, die Freien Wähler als Fraktion der Pfeffersäcke und die UFG als erzkonservative Ein-Mann-Veranstaltung

In den Applaus nach der Centrotherm-Entscheidung mischte sich eine gehörige Portion Erleichterung bei der parteienübergreifenden Fraktion der Konzerthaus-Jasager – ihre jahrelangen Bemühungen, Konstanz ein Konzerthaus zu bescheren, von zwei Volksentscheiden bislang abgeschmettert, waren in einem Hauruck-Verfahren doch noch geglückt: In seiner letzten, von Demonstrationen (s. Fotos) begleitenden Sitzung hat gestern der Konstanzer Gemeinderat (GR) mit deutlicher Mehrheit dem Kauf des leeren Centrotherm-Gebäudes, den Umbaumaßnahmen und den Inventarkosten zugestimmt. Insgesamt 17 507 811 Euro wurden flugs genehmigt.

Abweichler bei FGL und SPD

Mit 32:3:3 stimmte der GR der Investition zu. Mit „nein“ votierten nur die LLK-Stadträte Hemm und Reile sowie FGL-Mann Beyer-Köhler, enthalten haben sich von der Freien Grünen Liste Werner Allweiss und Stadträtin Mühlhäußer sowie von der SPD Zahide Sarikas (auf LLK-Antrag wurde namentlich abgestimmt). Ein LLK-Antrag, Beratung und Abstimmung dieses Tagesordnungspunktes in die Amtszeit des neu zu wählenden GR zu verschieben, war mit ähnlichem Abstimmungsverhältnis zuvor abgelehnt worden.

Diesem erwarteten Abstimmungs-Erfolg waren eine aufwändig-zeitraubende Präsentation von IHK-Marx, dem Architekten und dem Veranstaltungsberater, die mit bewährten Marketing-Floskeln das Projekt lobpreisten (ihr Kernsatz: „Chance nutzen“ erhellte für den Rest der Sitzung die Leinwand), sowie eine zweistündige, mühselige Debatte voran gegangen, in der die Fraktions-Redner zumeist nur längst bekannte Standpunkte wiederholten:

Jasager bei FGL, SPD und den Konservativen

Charlotte Biskup (FGL) zeigt sich mit der Informationspolitik der Stadtverwaltung zufrieden und hält die Risiken für überschaubar. Nur verschämt räumt sie ein, dass ihre Fraktion – einmal mehr – uneinheitlich abstimmen würde. Roger Tscheulin (CDU), gewohnt wortungewandt, erhofft sich ein „Ausrufungszeichen für die Stadt Konstanz“ und findet die Kosten von gut 17 Millionen völlig in Ordnung.

Wortreich versuchte Hanna Binder (SPD), die Umkehrpolitik ihrer Fraktion zu erklären. Eigentlich seien die Sozialdemokraten immer schon für einen Veranstaltungstempel gewesen – nur am Standort  habe es gehapert. Eigentlich habe man sich nicht ausreichend informiert gefühlt, doch das habe sich nach der huldvollen Akteneinsicht durch die Stadtverwaltung jetzt geändert – eigentlich stimmt die Fraktion nun zu. Immerhin brachte sie den bemerkenswerten Aspekt in die Diskussion, dass Konstanzer Vereine die angepeilten Mieten wohl kaum würden bezahlen können – da seien Subventionen nötig, die aber in der Kalkulation nicht enthalten sind. Diese lokale Komponente jedoch interessierte die GR-Mehrheit nicht.

Wenig verwunderlich, dass Jürgen Faden (Freie Wähler) und Heinrich Everke (FDP) sich vor Begeisterung für dieses Projekt gar nicht einkriegen konnten: Von „Einmaligkeit“ war da die Rede und von „wöchentlichen Einnahmen von mindestens einer Million Euro für die Konstanzer Wirtschaft“. Unübertroffen aber Eberhard Roth, der ehrlich genug war, gleich für den „zweiten Schritt zu einem Konzerthaus gleich nebenan“ zu plädieren. Er und seine UFG stehen übrigens nicht mehr zur Wahl.

Einsame Neinsager bei LLK und FGL

Einzig Holger Reile vertrat gewohnt bissig und hämisch die Position der Kritiker. Von einem  Pyrrhussieg sprach er und meinte damit einen nur vorläufigen Erfolg, der sich später bitter auszahlen würde. Erneut sprach er sich dafür aus, „die millionenschwere Entscheidung dem neu gewählten Gemeinderat anzuvertrauen, damit dieser die Faktenlage Punkt für Punkt und ohne Zeitdruck kritisch prüfe“. Er kritisierte die „obrigkeitshörige Hast“, sprach vom Missverhältnis, wenn eben dieser GR eine Sonderausschüttung für die Mitarbeiter der Spitalstiftung von jämmerlichen 200 Euro pro Kopf abgelehnt habe und nun frohlockend einer Millionen-Ausgabe zustimme. Er forderte einen sofortigen Bürgerentscheid und warnte vor „der Einstiegsdroge dieser Entscheidung, die unweigerlich zu einem monumentalen Konzerthaus führen dürfte“.

Auch Günter Beyer-Köhler (FGL) versagte sich der Mehrheitsmeinung auch seiner Fraktion. Ihm war eine Woche als Informationsvorlauf zu kurz für eine solch weitreichende Entscheidung. Werner Allweiss (FGL) erklärte seine Enthaltung ebenfalls mit „immer noch offenen Fragen“, während seine Fraktionskollegen Peter Müller-Neff und Roland Wallisch ihre Zustimmung trotz voriger Skepsis kryptisch zu erklären versuchten – verstanden hat das niemand im Ratssaal.

Soziale Kälte allüberall

Die soziale Kälte, die der noch amtierende Gemeinderat in seiner letzten Sitzung zeigte, bewies sich auch in zwei weiteren Entscheidungen: Ein Zweckentfremdungsverbot, das für mehr Wohnraum sorgen könnte, wurde mehrheitlich abgelehnt und eine Resolution gegen die Abschiebungspraxis in dieser Stadt sollte auf die nächste Sitzung verschoben werden.

Übrigens: Am Sonntag ist Wahl.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: hpk

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