…und übrigens: Am Sonntag gibt es Neuwahlen

seemoz-Holger-ReileDa die meisten Berichte über die Entscheidung des Konstanzer Gemeinderates, 17,5 Millionen für eine Veranstaltungshalle auszugeben, auf offiziellen Presseerklärungen oder auf  Hörensagen beruhen, da die Berichterstattung im Heimatblatt zur Werbeaussage und der Lokalchef Rau zum PR-Chef seines Duzfreundes Burchardt mutiert und da die seemoz-Redaktion mit Nachfragen bestürmt wird – deshalb hier die Reile-Rede aus der Gemeinderatssitzung im Wortlaut:   

Werte Gäste, Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen:

So wie es aussieht, gibt es eine satte Mehrheit für den Kauf des Centrothermgebäudes. Sie wollen dafür rund 17 Millionen Euro ausgeben und sprechen erneut von einer historischen Jahrhundertchance für die Stadt. Von eben dieser Jahrhundertchance war in den vergangenen 14 Jahren schon zweimal die Rede. Als nächstes käme dann eigentlich nur noch die Jahrtausendchance. Wenn Sie mit Ihrer hyperventilierenden Begriffsverwirrung so weitermachen, schaffen Sie locker den Sprung ins Guinnessbuch der Rekorde. Nur freuen sollten Sie sich nicht darüber – denn Sie erringen heute aller Voraussicht nach einen Pyrrhussieg, der uns allen noch sehr bitter aufstoßen könnte.

Auf die unterschiedlichen Argumente, die für den Kauf des Gebäudes sprechen sollen, will ich hier nicht näher eingehen. Mit Verwunderung allerdings stelle ich fest, dass einige aus diesem Gremium – und damit meine ich vor allem die Kolleginnen und Kollegen der SPD –  im Vorfeld der heutigen Debatte zum Teil öffentlich haben wissen lassen, dass sie zumindest einer Vertagung dieser für die Stadt richtungsweisenden Entscheidung zustimmen könnten. Dass sie  in wenigen Minuten anders entscheiden werden, wurde ja bereits mit notdürftig zusammengeschusterten Begründungen untermauert. Sehen Sie es mir nach, Kolleginnen und Kollegen, wenn ich der Hoffnung Ausdruck verleihe, dass man Sie für Ihren Schlingerkurs am Sonntag abstraft.

Denn nichts, rein gar nichts, spricht dagegen, die millionenschwere Entscheidung dem neu gewählten Gemeinderat anzuvertrauen, damit dieser die Faktenlage Punkt für Punkt und ohne Zeitdruck kritisch prüfe. Das haben wir von der Linken Liste von Anfang an gefordert und dabei bleiben wir auch. Benennen Sie ein überzeugendes Argument, das Ihre nahezu obrigkeitshörige Hast – drei Tage vor der Kommunalwahl – nur im Ansatz rechtfertigt. Es wäre Ausdruck des politischen Anstands gewesen, diese in jeder Hinsicht weitreichende Entscheidung dem neuen Rat zu überlassen. Ebenfalls haben wir schon vor Monaten angemahnt, auch über den Kauf des Gebäudes die Bürgerinnen und Bürger abstimmen zu lassen – denn schließlich geht es hier nicht um ein Nasenwasser, sondern um 17 Millionen, bei denen es voraussichtlich nicht bleiben wird. Da öffnet sich das Füllhorn schnell – und mir wird reichlich übel, wenn ich mich daran erinnere, dass Sie vor kurzem mehrheitlich eine Sonderausschüttung für die Mitarbeiter der Spitalstiftung  von jämmerlichen 200 Euro pro Kopf abgelehnt haben. Und auch an diese Kaltherzigkeit sollten Sie am Sonntag nachhaltig erinnert werden.

Nun wird uns erklärt, die Bürgerschaft dürfe dann ein Wörtchen mitreden, wenn neben dem Gebäude ein wie auch immer geartetes Konzerthaus entstehen sollte, das unter 30 Millionen Euro nicht zu haben sein wird. Der Kauf des Centrothermgebäudes dient sozusagen als Einstiegsdroge für weitaus größere Pläne. Und ich weiß jetzt schon, dass dann der sogenannte Sachzwang Regie führt, frei nach dem Motto: Wer A sagt, muss auch B sagen. Als Ausstiegsbegründung möchte ich Ihnen den Satz eines Menschen anbieten, der einst formulierte: „Wer A sagt, muss nicht B sagen, wenn er einsieht, dass A falsch war“.

Eine Bemerkung noch: Kein Zufall ist auch, dass kürzlich in der örtlichen Tageszeitung ein Kommentar erschienen ist, der – da muss man gar nicht zwischen den Zeilen lesen – perfider kaum sein könnte. Unter der Überschrift „Keine Chance ohne Risiko“ wurde den Leserinnen und Lesern erklärt, dass das Projekt zwar Risiken in sich trage, aber schlußendlich nichts dagegen spräche, diese Risiken frohgemut auch einzugehen. Mit dem Satz, ich zitiere: „Auch beim Projekt Centrotherm wäre Zögern und Zaudern einfacher als ein mutiger Schritt“. Der Umkehrschluß kann ja nur lauten: Wer gegen den Kauf stimmt, ist ein Zögerer, Zauderer und darüber hinaus ein mutloser Geselle. Billiger Wahlkampf pur also, den man auch als plumpen Versuch der Wählerbeeinflussung bezeichnen kann und der mit der klaren Botschaft verbunden ist: Diese sogenannten Zauderer und mutlosen Zögerer sollen in den Senkel gestellt werden. Ein Taschenspielertrick, dem aber offensichtlich einige aus diesem Gremium erlegen sind.

Und übrigens: Am Sonntag ist Wahl.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]