Konstanzer Solidarität mit den Abgeschobenen

20140601-234335-85415694.jpgThema einmal mehr: Abschiebung aus Konstanz, wieder zwei Beiträge in einem Artikel: Ryk Fechner berichtet über eine Solidaritätsparty von Konstanzer Jugendlichen am vergangenen Wochenende, auf der richtig viel Geld eingesammelt wurde. Und Jürgen Weber vom Konstanzer Aktionsbündnis Abschiebestopp beschreibt seine Recherchen in Mazedonien auf den Spuren der abgeschobenen Familie O. Ihre Lage ist verzweifelt und nahezu hoffnungslos

Soli-Party für Asyl-Bündnisse

105 Menschen kamen, um unter dem Motto „Refugees Welcome“ ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Die antirassistische Solidaritätsfeier der Linksjugend[’solid] Konstanz in den Räumen des Jugendkultur Contrast e.V., war ein Erfolg.  Die Spenden gingen zu je 50 % an das Bündnis Abschiebestopp Konstanz und an die [’solid]-Asyl-AG Mannheim. Insgesamt kamen über 400 Euro zusammen.

„Die Gesetzesänderungen, von der Asyl-AG Mannheim (SeeMoZ berichtete) maßgeblich vorangetrieben, sind bitter nötig, ihre Arbeitsweise fasziniert uns. Deswegen sind wir erleichtert, dass so viel Geld zusammenkam, damit andere [’solid]-Projekte in Baden-Württemberg keine finanziellen Einschnitte erfahren müssen“, findet Simon Pschorr von der Linksjugend[’solid] Konstanz.

Auch für das Bündnis Abschiebestopp gab es mehr als 200 Euro sowie 27 neue Unterschriften für die Online-Petition „Roma-Solidarität! Alle Kinder bleiben hier„: „Ein wichtiges Zeichen gegen die brutalen Abschiebepraktiken des Landkreises. Ich bin froh, dass es so etwas gibt“, findet Marco Radojevic. Nicht nur für ihn war die Abschiebung einer sechsköpfigen Roma-Familie zwei Wochen zuvor ein Wermutstropfen an diesem Abend: „Wir sind immer noch zutiefst erschüttert und wollen, dass so etwas am besten nie wieder vorkommt. Die Familie muss wieder nach Deutschland kommen dürfen. Die über 1.000 Unterschriften aus dem Landkreis sprechen eine deutliche Sprache: Die VolksvertreterInnen vor Ort müssen endlich alles in ihrer Macht stehende tun, damit AsylbewerberInnen hier bleiben dürfen. Als einer von zwei LINKE.-Vertretern im neugewählten Kreistag will ich mich zukünftig verstärkt für deren Rechte und Interessen einsetzen.“

Hohe Solidarität in der Bevölkerung

„Wenn in schwierigen Zeiten, in denen die politische Rechte in Europa auf dem Vormarsch ist, 105 Menschen zusammenkommen, um ein Zeichen gegen Rassismus zusetzen, ist dies für mich vor allem ein Beweis dafür, dass es viele Menschen gibt, die in schwierigen Zeiten eng zusammenrücken und sich nicht auseinanderdividieren lassen“, meint Michael Schiefelbein. Die Anteilnahme an dem Abend war so groß, dass sich DJ Max Bar dazu bereiterklärte, umsonst aufzulegen.

Perspektiven für politische Arbeit

Nachdem der Abend erfolgreich verlief, hofft die Linksjugend Konstanz indes auf Nachahmer-Effekte: „Unser Vorstoß, die örtlichen Asyl-und Abschiebestoppbündnisse mit Solidaritätsaktionen zu unterstützen, soll Vorbildwirkung für andere linksjugend[’solid]-Gruppen haben. Wir möchten sie dazu anregen, bei sich vor Ort ähnliches auf die Beine zu stellen“, erklärt Violett Grössl.

Autor: Ryk Fechner, Foto:

 

Abgeschobenen Kindern wird Zugang zur Bildung in Mazedonien verwehrt

„Über mehrere Ecken“ konnte ich die abgeschobene Familie O. in deren Herkunftsort bei Bitola im Süden Mazedoniens ausfindig machen und über den Festnetzanschluss eines Bekannten mit Vater Ahmed sprechen. Gerade im Namen der Kinder lässt er alle herzlich grüßen, die an sie denken. Er war von Reaktionen und Anteilnahme aus Konstanz überrascht und gerührt. Er klingt sehr besorgt und kann es immer noch nicht fassen, dass seine Familie aus Konstanz abgeschoben wurde. Die Familie ist geschockt und ohne jede Perspektive.

Die schlimmsten Befürchtungen sind leider eingetreten: Den Eltern wurden von der mazedonischen Polizei die Pässe abgenommen. Das hat weitreichende Folgen. Dadurch ist die Familie von Sozialversorgung, Arbeit, Wohnen, Gesundheitsversorgung und Bildung weitgehend ausgeschlossen. Eine erneute Ausreise ist ohne Papiere legal nicht möglich. Die Familie lebt derzeit bei Verwandten mit neun Personen in zwei Zimmern.

Der Vater war schon aktiv, aber die örtlichen Schulen in Mazedonien verweigern den Kindern den Unterrichtsbesuch. Spontan bat Ahmed O. die Konstanzer Schulen um Schulbescheinigungen und Empfehlungsschreiben. Ich werde es auf der morgigen Sitzung des AK Roma-Solidarität einbringen. Ich selbst werde voraussichtlich Ende Juni die Familien in Mazedonien besuchen und darüber berichten können.

Die mazedonische Roma-Familie, die am 20. Mai 2014 kurz nach 2 Uhr nachts von der Polizei in ihrem Zimmer im Flüchtlingslager in der Konstanzer Steinstraße überrascht und abgeholt wurde, ist nach einem Tag und zwei schlaflosen Nächten vorübergehend bei Verwandten in ihrem Herkunftsort bei Bitola im Süden Mazedoniens untergekommen. Sie wurden bei der Einreise polizeilich verhört und ihnen wurden die Pässe abgenommen. Damit sind sie praktisch „Illegale“ im eigenen Land und ohne Chance auf Arbeit oder darauf, eine ordentliche Wohnung zu finden. Eine Sozialversorgung gibt es für sie nicht und die Schulen weigern sich, die Kinder aufzunehmen. Die Einstufung der deutschen Bundesregierung Mazedoniens als „sicheres Herkunftsland“ gerät zur Absurdität. „Sicher“ scheinen nur anhaltende Diskriminierungen. Dem Vater droht nun gar ein Prozess wegen „Verunglimpfung des mazedonischen Staates“. Vergehen: Nennung von Asylgründen bei den deutschen Behörden…

Jetzt erst recht! Unterstützt die Petition:https://www.openpetition.de/petition/online/alle-kinder-bleiben-hier-keine-abschiebung-von-roma-aus-konstanz

Der Arbeitskreis Roma-Solidarität „Alle Kinder bleiben hier! – Keine Abschiebung von Roma“, welcher die Petition koordiniert, trifft sich am heutigen Montag, 2.Juni, 20 Uhr, im Gemeindezentrum der Konstanzer Petruspfarrei, Wollmatinger Str. 58. Interessierte sind herzlich willkommen.

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Autor: Jürgen Weber/www.juergenweber.eu

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