Antisemitische „Franziskaner“ in Konstanz unterwegs

Vergangenes Wochenende in der Konstanzer Innenstadt: Ein ausladender Stand an der Marktstätte, dahinter zwei Frauen und ein Mann, alle in Franziskaner-Kutten. Sie verteilen Flugblätter mit dem Titel: „Ein Kompass der Moral für die Lebensreise“, bezeichnen sich als „Die Bruderschaft der Menschheit“ und erklären auf Anfrage, Mitglieder des Franziskaner-Ordens zu sein. Doch hinter den vermeintlich braven Ordensleuten versteckt sich die „Universale Kirche“, die als extrem antisemitisch gilt.

Nein, die „Universale Kirche“ sei ihnen kein Begriff, sagen alle drei. Wer aber die Schriften am Stand studiert und eine Kontaktadresse sucht, wird schnell fündig: „Wir ermutigen dich, mit uns im Briefwechsel zu stehen – Die Neue Franziskanische Weltmissionsbestrebung der Universalen Kirche“. Seit Jahren schon wird so die Öffentlichkeit getäuscht, die hinter der Gruppierung lediglich fromme Schwestern und Brüder vermutet.

Ständiger Etikettenschwindel

Die Universale Kirche (UK) tritt unter folgenden Bezeichnungen auf: „Fundament für höheres geistiges Lernen“, „Bruderschaft der Menschheit“, „Äußere Brüderschaft der Großen Weißen Loge“, „Der Heilige Orden und die Innere Bruderschaft der Universalen Kirche“ und „Neue Franziskanische Welt-Missionsbestrebung“.

Gegründet wurde die theosophisch-esoterische Sekte von dem 1938 geborenen Engländer Peter William Leach-Lewis, in Sektenkreisen auch kurz PLL genannt. Für seine Anhänger ist Leach-Lewis der unumschränkte Führer, dazu „aufgestiegener Meister“ und „göttlicher Kanal“,  der ihnen den „Weg ins Licht“ weist. Kritik an ihm kommt einer Gotteslästerung gleich. Der Sektenguru PLL war nach eigenen Angaben schon mehrmals auf der Welt, einmal sogar als Jakobus (Bruder von Jesus), das letzte Mal als Ehefrau des Komponisten Richard Wagner.

Die UK zählt weltweit rund 2500 Mitglieder und ist vor allem in den USA und der Schweiz missionarisch tätig. Die Weltzentrale befindet sich in Virginia/USA, die europäische Hauptstelle in Luzern. Deutsche UK-Mitglieder treffen sich in einem privaten „Sanktuarium“ in Herrenberg bei Tübingen.  In den vergangenen Jahren traten UK-Mitglieder immer wieder als verkleidete Ordensleute auf und sorgten vor allem in katholischen Kreisen für Verwirrung. Der Franziskaner-Orden hat sich mehrmals von der UK distanziert.

Verschwörungstheoretiker und Antisemiten

Tat man die UK jahrelang als religiöse Spinner ab, so änderte sich das Ende der neunziger Jahre. In der Schweiz wurden mehrere UK-Mitglieder wegen antisemitischer Aussagen übelster Art zu Gefängnisstrafen auf Bewährung und Geldstrafen verurteilt. Die Bundespolizei hatte bereits Ende 1998 eine Einreisesperre gegen Leach-Lewis verfügt und Strafanzeige gegen ihn eingereicht. Anlass war ein Rundschreiben „Das Innere Licht“ (Nr.18), das an etwa 500 Mitglieder der UK verschickt wurde. Darin hieß es: „..die Schlangen aus dem jüdischen Gezücht“ und „der jüdische Pöbel der Gegenwart“ hätten sich gegen Leach-Lewis verschworen, wie sie bereits vor 197 Jahrzehnten gegen Jesus vorgegangen seien. Dazu wörtlich: „Nichts hat sich geändert, außer dass dieses unerträgliche Ungeziefer inzwischen auf der ganzen Welt verstreut ist“ und „Positionen von außerordentlichem Reichtum eingenommen und die höchsten Macht- und Kontrollstellungen über alle Völker in jedem Land beansprucht hat“. Außerdem hätten die Juden in „ihrer satanischen Gier“ den Zweiten Weltkrieg angezettelt. In dieser Hetzschrift wurden die Kult-Mitglieder auch aufgefordert, sich ihrem Führer und Meister bedingungslos zu unterwerfen, denn nur dann führe sie eine „Autobahn in den Himmel“.

Bei der Debatte um Mobilfunkgeräte und Mikrowellengeräte mischte sich die UK ebenfalls ein. Ihr damaliger Europapräsident Hans Ulrich Hertel, ein Schweizer Naturwissenschaftler behauptete, Mikrowellenöfen seien heimtückischer als die Dachauer Gasöfen und Mobilfunk mache psychisch und physisch krank, da er tödliche Gefahren berge. „Mit der Klasse einen sinnvollen Umgang mit dem Handy üben“. Unter dieser Bezeichnung haben UK-Mitglieder Kurse an Volkshochschulen und Schulen in der Schweiz durchgeführt und 2008 auch in Deutschland angeboten

Kein Fall für die Konstanzer Behörden?

Eine seemoz-Nachfrage beim Bürgeramt Konstanz blieb bislang unbeantwortet. Hatte die UK überhaupt eine Standerlaubnis? Sind weitere Stände geplant? Gibt es da niemanden, der quasireligiösen und menschenverachtenden Hetzern und Brunnenvergiftern vorzeitig auf den Zahn fühlt? Eine kurze Recherche via Internet sollte möglich sein, um sich zu informieren, denn am vergangenen Samstag warf noch ein weiterer Stand ähnliche Fragen auf.

Am Obermarkt hatte sich das „Universelle Leben“ (UL) postiert, gebärdete sich als Tierrechtsorganisation und verteilte putzige Plakate an Kinder. Die selbsternannte UL-Prophetin Gabriele Wittek, die sich auch als „Sprachrohr Gottes“ bezeichnet, ließ ihre Anhänger in der Schrift „Das ist mein Wort“, schon 2004 wissen: „Ich, Christus, erkläre, berichtige und vertiefe das (Bibel-) Wort: (….) Prüft euch und euer Leben, (…) denn was der Mensch sät, das wird er ernten. Seit nahezu 2000 Jahren ernten die Juden von einer Fleischwerdung zur anderen, was sie damals und auch in ihren weiteren Einverleibungen gesät haben – bis sie ihren Erlöser an- und aufnehmen und das bereuen, was sie verursacht haben.“ (4.Auflage 2004, Seite 733f).

Auch das kein Fall für die Konstanzer Behörden? Da war es wohl wichtiger, einer Gruppe meist junger Demonstranten, die ebenfalls am Samstag in einer Spontandemo gegen Stuttgart 21 durch die Stadt zogen, mit einer Strafanzeige zu drohen.

Autor. Holger Reile