„I werd´ narrisch“

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WM-Ball 2014 Brazuca, Quelle: Wikipedia

Die Kugel rollt nun in Brasilien und seitdem werden die Zuschauer mit dem Wortbrei diverser TV-Kommentatoren belästigt, deren Unterhaltungswert in der Regel gegen Null geht. Kommen dann noch abgehalfterte Exprofis vor und nach den Übertragungen zu Wort, wird es meist noch schlimmer. Da erinnern wir doch gerne an den legendären Reporter Edi Finger, der einst beim ORF die Einschaltquoten in schwindelnde Höhen trieb

Edi Finger (1924-1989) war bei insgesamt 14 Olympischen Spielen dabei und kommentierte mehr als 200 Fußballspiele. Auch außerhalb Österreichs war Finger überaus populär und beliebt. Die Zahl derer, denen hierzulande das Gelabere der deutschen Sportreporter nachhaltig auf die Nerven ging, stieg – und sie wechselten, vor allem im Süden unserer Republik, scharenweise zu Edi. Unvergessen sind seine Reportagen bei Franz Klammers Abfahrtssieg während der Winterspiele 1976 in Innsbruck und zwei Jahre später beim 3:2 der Austrianer gegen die Deutschen im fernen Cordoba. Damals, bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Argentinien, schoß Hans Krankl zwei Tore und Finger geriet außer Rand und Band: „Der Hansi hot den Boi volley gnommen“ und beim entscheidenden dritten Treffer für seine Landsleute drehte der Reporter völlig durch: „Toooooor, Tooor, Toooooor ….I werd´ narrisch, Krankl schießt ein, 3:2 für Österreich… er hot olles übaspuit…..und jetzt, meine Damen und Herren, warten´s no a bißl, na kemma uns vielleicht a Vierterl genehmigen“. Sie konnten, die Österreicher. Durch die kleine Alpenrepublik donnerte ein Jubelsturm, denn schließlich lag zu jener Zeit der letzte Sieg gegen die ungeliebten deutschen Piefkes schon 47 Jahre zurück.

Für die Cordoba-Übertragung bekam Edi Finger von einer Münchner Zeitung einen Kulturpreis für die beste kabarettistische Leistung des Monats. „Dös hob i eigentlich net woin, aber stoiz bin i trotzdem drauf“. Dabei wäre Fingers erste Reportage auch fast schon seine letzte gewesen. Im Winter 1945/46 sollte er die Schlußminuten der Kärntner Meisterschaften im Skispringen live für den Hörfunk übertragen. Aber als er an die Schanze kam, war das Springen schon lange beendet. „Reden Sie“, brüllte sein damaliger Chef ins Telefon, „sonst sind Sie fristlos entlassen“. Daraufhin eilte Edi Finger an den Schanzentisch und log ins Mikro: „Wir sind in der entscheidenden Phase..“. Die Ergebnisse hatte er ja und ein paar übrig gebliebene Zuschauer klatschten und johlten, was das Zeug hielt. Die Übertragung war gerettet und Fingers Job auch.

Hans Krankl, der „Held von Cordoba“, charakterisierte den Starreporter später folgendermaßen: „Leidenschaft, Herz, Gfui, Verstand und an Superschmäh. Er ist einer der letzten Dinosaurier, die leider am Aussterbn san“. Edi Finger, nach ihm wurde 2006 in Wien sogar eine Straße benannt, hat über Jahrzehnte hinweg für Hörfunk und Fernsehen Sportgeschichte geschrieben. Sätze, wie sie weiland auch der deutsche Reporter Heinz Mägerlein von sich gab –  „Sie standen an den Hängen und Pisten“ – sind den kommentierenden Schwatzmaschinen unserer Tage beim besten Willen nicht zu entlocken. Die Nachfolge der alten Geschichtenerzähler mit Witz, Charme und Esprit haben fürstlich honorierte Langweiler übernommen, die ihre journalistische Unabhängigkeit längst an der Garderobe abgegeben haben.  Auswendig gelerntes wird herunter geplappert und dem Zuschauer wird das berichtet, was er selber sieht. Man braucht sie nicht.

Teddy Podgorsky, früherer österreichischer Generalintendant beim ORF, adelte Edi Finger nach dessen Kommentar im Jahr 1970, als Karl Schranz Skiweltmeister geworden war: „Die Übertragung von Edi Finger – wos soi i sog`n – wir hom daham olle gwant“.

Autor: Holger Reile

Einstiger Fußball-Fan und Freizeitkicker. Dem aber die aktuelle WM und der korrupte Funktionärshaufen sozusagen am Knieschoner vorbei gehen. Dann doch lieber ein unterklassiges Ligaspiel beim FC Wollmatingen nebst Bratwurst und frischem Pils aus dem Plastikbecher. Dennoch sein in der Tat gewagter Tipp: Belgien kommt ins Finale, Österreich scheitert in der Vorrunde. Sorry, Edi.