Konstanzer Hilfe für die Abgeschobenen

Der Konstanzer Journalist Jürgen Weber berichtet über seine mehrtägige Reise nach Mazedonien, bei der er die Familie O. in Bansko bei Strumica besuchte. Die Familie mit vier Kindern war am 20. Mai aus Konstanz abgeschoben worden. Seitdem sammelt das Konstanzer ‚Bündnis Abschiebestopp‘ etliche Spenden und schaltete Anwälte ein

Es sorgt immer noch für ein Raunen und Verwunderung unter den rund 60 ZuhörerInnen im Treffpunkt Petershausen, wenn erzählt wird, dass am 20. Mai rund 30 Polizeibeamte nachts das Asylbewerberheim in der Steinstraße umstellten, um eine sechsköpfige Familie mit vier Kindern mitzunehmen. Derzeit ist Anwalt Tobias Lutze damit betraut, noch Ungereimtheiten zum Polizeieinsatz und der Abschiebung zu klären. So will der Vater der Familie beispielsweise gesehen haben, dass zum Zeitpunkt der Abschiebung ein Polizeibeamter die Wohnungstür aufschloss, was gegen Artikel 13 des Grundgesetzes – die Unverletzlichkeit der Wohnung – verstoßen würde. Aus Polizeikreisen heißt es derzeit, dass man sich dazu  nicht äußern könne.

Die Anteilnahme ist ungebrochen: 1750 Euro Spenden wurden gesammelt. Zusätzlich gibt es noch Auslagen für einen Anwalt in Deutschland, einen in Mazedonien sowie für eine Dolmetscherin. Die Reise hat Weber aus eigener Tasche gezahlt.

Behörden schikanieren Familie O. 

Die wenigen Minuten, die der Familie O. gegeben wurden, ihr Hab und Gut noch in Deutschland zusammenzupacken, reichte nicht, um persönliche Sachen mitzunehmen. Deshalb organisierten findige Flüchtlinge in Deutschland einen Bustransport diverser Habseligkeiten nach Mazedonien. Und auch Jürgen Weber nahm einiges mit. So etwa Nachrichten von ehemaligen MitschülerInnen der vier Töchter oder auch Schulbescheinigungen aus Deutschland, damit die Mädchen nach den Sommerferien endlich eingeschult werden können. Doch das ist noch keineswegs sicher.

Die Gängelung von Roma ist in Mazedonien nämlich allgegenwärtig. Der deutsche Staat behält die Pässe von AsylbewerberInnen ein, sofern Asylverfahren noch laufen. Bei einer Abschiebung sollten diese eigentlich wieder direkt an die Betroffenen zurückgegeben werden. Dennoch übergeben die deutschen Behörden die Pässe einfach den Mazedonischen Behörden, die die Pässe anschließend ein Jahr einbehalten. Das führte auch Familie O. vor existenzielle Probleme: „Nahezu alle Verwaltungsakte erfolgen in Mazedonien nur, wenn die Papiere vorgelegt werden“, schildert Weber: „Dann ist es auch so, dass wenn man in einer bestimmten Frist sich nicht beim Amt meldet, man aus allen Sozialleistungen rausfällt.“ Da die Familie keine Pässe besitzt, kann sie die Fristen auch nicht einhalten.

Auch die Schulbescheinigungen aus Deutschland sind für die Familie O. wichtig. Denn: „Zuvor wurden die Mädchen immer von Schulen abgelehnt mit der Begründung, es seien ja Roma, die waren bestimmt noch nie auf einer Schule“, erläutert der Referent. Der Vater arbeitet jetzt als Tagelöhner zwei, drei Mal die Woche bei umliegenden Bauern. Diese haben nicht jeden Tag Arbeit für ihn. Er verdient umgerechnet 90 Cent die Stunde.

Probleme politisch lösen

Als Weber ausführt, dass Mazedonien in Verhandlungen mit der EU sei, kommt die Frage aus dem Publikum, wie es denn sein könne, dass dort gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen würde: „Mazedonien hat von der EU die Auflage bekommen, dafür zu sorgen, dass weniger Flüchtlinge aus ihrem Land in die EU kommen. Früher hat Deutschland da den stärksten Druck aufgebaut, im Moment sind es Frankreich und Belgien“, zeigt er sich besorgt. RückkehrerInnen müssen sich Verhöre von PolizistInnen über ihre Fluchtgründe gefallen lassen und werden mit falschen Informationen eingeschüchtert, dass sie mit ihrer Flucht etwa den mazedonischen Staat verunglimpft haben und das zu Freiheitsstrafen führen könne.

Alles in allem „ist die mazedonische Gesellschaft tief gespalten. Man sieht sich als Mazedonier, Albaner oder Roma und lebt auch entsprechend getrennt. Die Zustände für Roma sind sehr prekär“, beschreibt Weber die Situation, der stets betont, dass man die Lage politisch beleuchten muss. „Wir sprechen hier über direkte Nachkommen von Holocaust-Opfern. Mit keiner anderen Opfergruppe oder Minderheit wird heute so umgegangen“.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default]

 

 

[/modal]Autor: Ryk Fechner

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