Sozialwohnungen statt Shopping-Mall in Singen

20140716-230806-83286199.jpgDie Hamburger Investorengesellschaft ECE will beim Singener Bahnhof ein Einkaufszentrum von 16 000 Quadratmetern bauen lassen – größer als das Lago-Center in der Nachbarstadt Konstanz. Die ECE, in Besitz der Milliardärsfamilie Otto, ist der europäische Marktführer bei der Entwicklung von Projekten im Bereich Gewerbe- und Einzelhandelsimmobilien. Die Linke lehnt das Projekt ab und erklärt das in einer Presseerklärung:

Schon bei der nächsten Sitzung des Gemeinderats am 24. Juli soll ein Grundsatzbeschluss zur Ansiedlung des Einkaufszentrums gefasst, der geltende Flächennutzungsplan entsprechend geändert und ein Bebauungsplan verabschiedet werden. Damit wären die Weichen für das Mega-Einkaufszentrum am Bahnhof gestellt.

Die LINKE lehnt diese Pläne aus mehreren Gründen ab. Empirische Studien zeigen, dass sich solche Zentren schnell zu Institutionen entwickeln, die die vorhandene Kaufkraft zugunsten der Mall-Mieter absorbiert, und damit dem bestehenden lokalen Einzelhandel massiv schadet. Die Erfahrungen aus anderen Städten belegen die negativen Auswirkungen insbesondere für Einzelhandel und Gastronomie und damit einhergehend einer Verödung des urbanen Lebens insgesamt. Um diese Fakten zu entkräften, verweisen die Befürworter darauf, man wolle vor allem Schweizer Kundschaft in die Stadt ziehen.

Einmal davon abgesehen, ob sich solche Erwartungen kurzfristig bewahrheiten würden, sind sie als Begründung für eine Investition, die das Singener Stadtbild auf Jahrzehnte prägen würde, schlicht verantwortungslos. Denn schon eine geringfügige Veränderung des Wechselkurses zwischen Euro und Franken könnte genau den gegenteiligen Effekt auslösen. Nebenbei sei nur darauf verwiesen, dass eine Realisierung der jüngst vorgestellten Pläne des Bundesverkehrsministeriums für eine Ausländer-Maut auf allen Straßen das Schielen nach Kunden aus dem Nachbarland mit noch mehr Fragezeichen behaften würde. Unabhängig davon droht mit dem Neubau einer solchen Mall eine massive Zunahme des automobilen Verkehrs, der einerseits zu einer Verödung der Innenstadt beitragen und andererseits die Steuerzahler Millionen für einen Ausbau der passenden Verkehrsinfrastruktur kosten würde.

Gewichtigstes Argument für die LINKE gegen die Pläne für eine Shopping-Mall ist aber, dass sie an den Aufgaben, die sich der Singener Kommunalpolitik stellen, völlig vorbei gehen. Wie andere Gemeinden im Landkreis auch, leidet Singen unter einer massiven Wohnungsnot. Es fehlt an allen Ecken und Enden an Wohnraum vor allem für Menschen mit geringem Einkommen. Zentrale Aufgabe der Stadt wäre es in dieser Situation, ein Investitionsprogramm für Sozialwohnungen aufzulegen. Das sanierungsbedürftige Bahnhofsareal wäre ein idealer Standort dafür. Die LINKE fordert deshalb: Sozialwohnungen statt Shopping-Mall am Bahnhof. Sie begrüßt, dass sich inzwischen eine Bürgerinitiative gegen die ECE-Pläne gebildet hat, und unterstützt deren Aktivitäten nach ihren Möglichkeiten. Eine Entscheidung von solcher Tragweite für die künftige Stadtentwicklung darf nicht der Gemeinderat allein fällen, daran müssen alle BürgerInnen beteiligt werden.

Uns drängt sich der Eindruck auf, dass mit dem massiven Werben der Stadtspitze für das ECE-Einkaufszentrum nicht zuletzt von den selbstverschuldeten schwerwiegenden Problemen abgelenkt werden soll, unter denen Singen ächzt. Offenkundig getrieben von nackter Gier, hat sich die städtische Wohnungsbaugesllschaft GVV mit Rückendeckung von Verwaltung und Gemeinderat in den letzten Jahren durch eine Mischung aus Misswirtschaft und Inkompetenz an den Rand der Insolvenz manövriert. Anstatt ihrer Aufgabe nachzukommen, die Versorgung der Bevölkerung mit erschwinglichem Wohnraum sicherzustellen, hat man in fragwürdige Prestige- und Luxusprojekte wie den sogenannten Hegau-Tower investiert und sich damit nur allzuhäufig verspekuliert. Wenn in der Stadt aktuell Gerüchte die Runde machen, wonach GVV-Aufsichtsräte den ECE-Verantwortlichen ihre Unterstützung im Gemeinderat angedient haben sollen, wenn die Gesellschaft für die Millionenschulden der Wohnungsbaugesellschaft aufkomme, spricht das jedenfalls Bände über die politischen Zustände in der Stadt unter dem Hohentwiel. Sollten sie zutreffen, hieße das nichts weniger, als dass Teile der politischen Elite bereit sind, die Stadt bedenkenlos einem Privatinvestor auszuliefern.

Autor: PM