Reisender, kommst Du nach Konstanz…
Wer notgedrungen auf dem Konstanzer Bahnhof landet, ist in vielerlei Hinsicht ein bemitleidenswertes Transportopfer. Nicht viel besser geht es Reisenden auf den Bahnhöfen in Radolfzell oder Singen. Ein Blick über die Grenze zeigt: Es geht auch anders. Die SchweizerInnen können sich auf ihre Bahn verlassen und sind mit deren Angeboten höchst zufrieden, wie eine neue Statistik belegt
Erst neulich wieder war auf dem Konstanzer Bahnhof eine Szene zu beobachten, die sich vor Ort täglich wiederholt. Zwei betagte Damen standen mit ihren schweren Koffern hilflos vor dem Transportband. Es ging mal wieder nicht. Nur mit Hilfe mehrerer junger Leute kamen sie mit ihrem Gepäck auf das Mittelgleis, wo ihr Anschlusszug wartete, den sie im letzten Moment erreichten. Das aber auch nur, weil der Zug Verspätung hatte. Eine Durchsage hatte zwar stattgefunden, aber sie war unverständlich und erinnerte an den Balzruf eines stimmbandgeschädigten Papageis im Endstadium.
Auch Barrierefreiheit ist hier ein Fremdwort, nur über mehrere Treppen kommt man durch eine viel zu enge Unterführung auf die anderen Bahnsteige. Kurz und schlecht: Ein völliges Desaster. Abhilfe schaffen soll eine geplante Unterführung, die ausgehend vom Bahnhofplatz barrierefrei zu den Gleisen führt. Eine längst fällige Maßnahme, die aber auf der Kippe steht. Die veranschlagten Kosten von bis zu 20 Millionen Euro möchte Oberbürgermeister Uli Burchardt lieber in das Prestigeprojekt Centrotherm stecken, wie er schon mehrmals hat wissen lassen. Gut möglich, dass sich am jämmerlichen und kundenunfreundlichen Zustand des Konstanzer Bahnhofs auf Jahre hinaus nicht viel ändert. Und das in einer Stadt, die sich als kulturelles Oberzentrum versteht und derzeit wegen des Konziljubiläums viele Gäste aus ganz Europa verzeichnen darf.
Ein Blick in die benachbarte Schweiz, und da in den Thurgau, zeigt, dass es anders geht, wenn man nur will. Dort wurde das Angebot in den letzten Jahren ständig verbessert. Zwischen 2000 und 2013 erhöhte sich das Fahrplanangebot bei den Bahn- und Buslinien um 37 Prozent auf 12,2 Millionen Kilometer. Allein in dieser Zeit stieg die Nachfrage um 81 Prozent auf sagenhafte 34 Millionen Passagiere. Im vergangenen Jahr verzeichneten die öffentlichen Verkehrsmittel im Vergleich zu 2012 wieder einen Anstieg um mehr als 1,2 Millionen Fahrgäste, was einer Steigerung von knapp 4 Prozent entspricht.
Praktischen Anschauungsunterricht für Konstanzer Bahngeplagte gibt es um die Ecke, am Kreuzlinger Bahnhof. Ein barrierefreier Zugang zu den Gleisen, bei Verspätungen (was dort selten ist), erfolgen klar verständliche Durchsagen, die Bahnsteige sind längst so erhöht, dass der Ein- und Ausstieg problemlos zu bewältigen ist. Dafür nehmen die Schweizer auch richtig viel Geld in die Hand und der Erfolg, das zeigen die ständigen Zuwächse, gibt ihnen Recht. Da können den KonstanzerInnen nur die Augen tränen.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: H.Reile