31. Konstanzer Jazzherbst 2010: Ein starkes Programm

Der Moment; Foto: Johanna Diehl

Die Vorbereitungen für den 31. Konstanzer Jazzherbst sind abgeschlossen und der Jazzclub Konstanz überrascht wieder mit einer ungewöhnlichen Auswahl. Traditionell abseits des mainstream arbeiten die Gruppen, die vom 27. bis zum 30. Oktober nach Konstanz eingeladen werden. Aus vielen Ländern kommen die Musikerinnen und Musiker. Einige Künstler sind von früheren Festivals bereits bekannt, andere wurden neu entdeckt.

Eröffnet wird das viertägige Festival mit einer Zusammenarbeit zwischen dem Jazzclub und dem Zebra Kino. SHIRLEY ANNE HOFMANN, die aus Kanada stammende Multiinstrumentalistin, einigen sicher noch bekannt von der Avant-Dada-Band The Blech von Hubl Greiner aus den 90er Jahren, vertont in einer Live- Performance den Kult-Dokumentar-Stummfilm „Nanuk, der Eskimo“ von Robert J. Flaherty aus dem Jahr 1921. Zuvor wird der Kurzfilm „Love you more“ (2008) der englischen Fotokünstlerin Sam Taylor-Wood gezeigt. Hier bestimmt die Musik der Pop-Punk-Band The Buzzcocks das Geschehen.

Quadrat:sch

Wie jedes Jahr gehört auch das K9 in der ehemaligen Paulskirche zu den Spielstätten (28.10). Dieser Raum ist wegen seiner wunderbaren Akustik bei Publikum, Veranstaltern und Musikern äußerst beliebt. Deshalb werden in diesem Jahr Saiteninstrumente die Möglichkeiten des Raumes ausreizen. Neue Stubenmusik bringen QUADRAT:SCH aus Österreich zu Gehör. Auf den traditionellen Tiroler Hausmusik-instrumenten Hackbrett (Barbara Romen), Zither (Christof Dienz), Gitarre (Gunter Schneider) und Bass (Alexandra Dienz) reflektieren die vier zeitgenössisch über den typischen Klang der Tiroler Stubenmusik.

Nicht der Minnegesang steht im Wolkensteinsaal im Mittelpunkt, sondern zunächst die Musik von Fred Frith und Björk. Interpretiert wird sie vom diesjährigen Solisten, dem Ausnahmegitarristen PAOLO ANGELI. Bereits bei seinem ersten Auftreten beim Jazzherbst 1999 überraschte er mit seinem auffällig um- und angebauten Instrument. Er ist ein Tüftler und charismatischer Klangmaler, der eine Spieltechnik entwickelt hat, die weit über die Tradition seiner sardischen Heimat hinausgeht.

Maya Homburger, Barry Guy

Klassisch zeitgenössisch bleibt auch der zweite Teil des Abends. Dem Duo MAYA HOMBURGER (Violine, CH) und BARRY GUY (Bass, GB) gelingt der virtuose Brückenschlag zwischen Alter und Neuer Musik. Auf großartige Weise stellen sie Solowerke aus der Barockmusik in den Kontext von Jazz und frei improvisierter Musik. Sie spielt eine originale Barockgeige, ist eine international anerkannte Interpretin barocker Musik und Heinrich Ignaz Franz Biber ihr besonderer Favorit. Er arbeitet kontinuierlich mehrgleisig, interpretiert klassische Musik, schreibt und improvisiert zeitgenössisch modern. Mehr und mehr konzentrieren sich die beiden auf die gemeinsame Arbeit im Duo. Die Konzerte der beiden letzten Tage finden im Kulturzentrum am Münster statt.

Dem eher introvertierten Angeli folgt ein deutsches Krafttrio. Für DER MOMENT (Gerhard Gschlößl -Posaune, Johannes Fink – Bass und Matthias Rosenbauer – Schlagzeug) existiert Musik nur im Moment des Entstehens. Das Ensemble kommt diesem Aspekt gerade dadurch nahe, dass seine Musiker sich im kreativen Prozess des freien Spiels immer wieder ‚selbst überraschen‘ und den Funken der Begeisterung mit Humor überspringen lassen.

Den Abschluss bildet wieder eine Großformation. In seinem neuen PIERRE FAVRE GRAND ENSEMBLE läßt der Altmeister der subtilen Perkussion einen neuen musikalischen Kosmos entstehen. Schon die Orchesterbesetzung ist Ausdruck seiner Sensibilität und schöpferischen Ideen. Das Ensemble teilt sich in zwei Hauptgruppen: Saiteninstrumente und Saxofone. Beide verbunden durch Posaune und Schlagzeug. Eine neuartige Musik jenseits aktueller Moden. Alle Musiker sind hochkarätige Interpreten und Improvisatoren. Sie spielen neue Stücke, die Pierre Favre für dieses Projekt komponiert hat.

Ob mit umgebauter Gitarre, ob mit traditionellen Instrumenten aus den Bauernstuben, ob in freier Improvisation über Barockmusik – alle Musiker lassen eigenständige, ‚spezielle’ Musik entstehen. Neue Stubenmusik, Neue Musik … – zeitgenössische Musik eben.

Autor: PM