Schwabenstreiche überall in der Republik
Von Calw und Cuxhaven bis Hamburg und New York – auf mindestens 100 Bahnhöfen in mindestens 70 Städten fanden bislang „Schwabenstreiche“ statt; 30 allein auf Stuttgarter Bahnhöfen. Und es sollen noch mehr werden: Denn für den kommenden Dienstag, 26. Oktober, 19 Uhr, sind diese lautstarken Proteste auf Bahnhöfen überall in Deutschland vorgesehen.
Das Protest-Bündnis gegen Stuttgart 21 lässt nicht locker und überrascht mit immer neuen Ideen..
Trotz Kälte und Regen, trotz Gegendemonstrationen und Schlichtungsgesprächen – unverdrossen gibt es jeden Montag in Stuttgart weitere Demonstrationen und samstags Kundgebungen im Schlossgarten (übrigens auf seemoz mitzuverfolgen, wie auch die Schlichtungsverhandlungen – einfach am rechten Rand unserer Startseite auf fluegel.tv klicken). Und längst auch sind die Proteste auf die Bodensee-Region übergeschwappt – so treffen sich schon seit Wochen immer montags Demonstranten am Radolfzeller Bahnhof.
Ein neuer Höhepunkt ist für kommenden Dienstag geplant: Am 26.10. sollen sich auf möglichst vielen Bahnhöfen der Republik um 19 Uhr lärmende Menschen zum „Schwabenstreich“ treffen. Alle, die sich am Schwabenstreich beteiligen, werden zur verabredeten Zeit am verabredeten Ort für eine Minute „infernalisch laut“: Pfeifen, Kochtöpfe und Tochlöffel, Tröten und Trompeten sind beliebte Instrumente. Der erste Schwabenstreich wurde übrigens am 28. Juli von Walter Sittler und Volker Lösch, beide mittlerweile bundesweit bekannte S21-Protestler, auf dem Stuttgarter Marktplatz initiiert und seitdem immer wieder montags zelebriert. Reden werden nicht geschwungen, aber Plakate, Banner und Flugblätter sind immer dabei.
Anlass für den Aktionstag ist der Protest-Kultur-Zug von Stuttgart nach Berlin: Morgens um 7.30 Uhr fahren am 26. Oktober 600 Stuttgart 21-GegnerInnen per Sonderzug in die Hauptstadt. Einen ganzen Tag lang werden sie mit Musik, Kultur, Kabarett und Infos durch die Stadt ziehen, um „Merkel & Co den Marsch zu blasen“ und die BerlinerInnen über ihren Widerstand gegen Stuttgart 21 zu informieren. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 (K21) und die AnStifter organisieren den Protest-Kultur-Zug.
Lange galt der Protest in Stuttgart vielen als lokale Angelegenheit, bei der sich Gutmenschen um den Schutz einiger Parkbäume und ein altes Bahnhofsgebäude kümmern. Doch mittlerweile ist klar: Dies ist eine bundesweite Angelegenheit, bei der es auch um Demokratie und Machtfragen, um Transparenz und Lobbyeinfluss und die Frage nach dem Einsatz der knappen Haushaltsgelder im Allgemeinen geht – also auch um den Sozialstaat. Die Organisatoren nennen darum in ihrem Aufruf zum Aktionstag nicht nur ihre mittlerweile bekannten Argumente gegen das Prestigeprojekt (z.B.: Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm bringen für den Bahnverkehr mehr Nach- als Vorteile; die Möglichkeiten für die Stadtentwicklung durch das Projekt Stuttgart 21 sind ein Mythos; Stuttgart 21 wurde nicht „demokratisch beschlossen“ – vielmehr wurden sittenwidrige Entscheidungen gefällt und Verträge wider Treu und Glauben unterzeichnet) sondern weisen auch in ihrem Aufruf auf die bundesweite Bedeutung hin:
„Wir protestieren gegen diese Form der „Basta-Politik“, die Arroganz der Macht und die Klientelpolitik auf allen Ebenen! Wir fordern eine stärkere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger auch in Form von direkter Demokratie! Wir fordern eine sinnvolle Mittelverwendung!
Zum Ausbau der Schiene sind an vielen Stellen Investitionen notwendig, um mehr Personen- und Güterverkehr auf die umweltfreundliche Schiene zu bringen und die Bahn attraktiver zu machen!“
Autor: hpk