Karstadt: Einsparungen auch in Singen und Konstanz
Wenn jemand die Misere um den Karstadt-Konzern beurteilen kann, dann Ulrike Wuhrer. Die Konstanzer Betriebsrats-Vorsitzende ist Arbeitnehmer-Vertreterin im Aufsichtsrat des Warenhauskonzerns und weiß wie wenige um die Stimmung der Beschäftigten: „Seit Jahren auf der Verliererseite zu stehen – das zermürbt. Und das gilt auch für die VerkäuferInnen in Konstanz und Singen“
„Denn die Verkäuferin zahlt für die Fehler der Manager“, klagt Ulrike Wuhrer (s. Foto). Auch in Filialen mit vergleichsweise guten Umsätzen wie in Konstanz und Singen zahlen die Beschäftigten drauf: Allein im laufenden Jahr haben sie wegen der Tarifflucht ihres Arbeitgebers bis zu 120 Euro weniger in der Tasche.
Leidensgeschichte in Zahlen
Die Leidenszeit der Karstadt-Mitarbeiter währt nun schon fast 15 Jahre. Es begann 1999 mit der Fusion mit dem Versandhaus Quelle – der mit 113 000 Beschäftigten und einem Börsenwert von 3,3 Milliarden Euro rasend gewachsene Konzern schien bald nicht mehr beherrschbar. Die Krise begann schleichend und erreichte 2004 einen ersten Höhepunkt: Karstadt rutscht in die Miesen – die Beschäftigten leisten durch Verzicht auf Sonderleistungen mit 745 Millionen Euro einen erheblichen Sanierungsbeitrag. 2005 geht’s mit KarstadtQuelle richtig bergab, der Umsatz sinkt um sieben Prozent, Filialen werden geschlossen, die Führungsspitze ausgetauscht. Von 2006 bis 2008 setzt sich die Talfahrt fort – das Management versucht, durch Immobilien-Verkäufe gegen zu steuern: Die Karstadt-Häuser werden zu Mietern auf ihren Grundstücken.
Im Juni 2009 stellt Karstadt einen Insolvenz-Antrag, die Tarifkommission stimmt einem Sanierungstarifvertrag zu, wonach die Beschäftigten auf rund 50 Millionen Euro Einkommen pro Jahr verzichten. Im Mai 2010 taucht mit Nicolas Berggruen der vermeintliche Retter auf – für einen Euro übernimmt er den Konzern und verspricht goldene Zeiten. Im Oktober 2010 wird das Insolvenzverfahren aufgehoben. Bis Ende 2014 sollen weitere 2000 der nur noch 24 000 Arbeitsplätze abgebaut werden. 2012 kauft der österreichische Investor René Benko die Sahnestücke unter den Karstadt-Häusern in Hamburg, Berlin und München auf; im August 2014 die übrigen Häuser.
Neue Einsparungen
„Seitdem ist die Unsicherheit der Angst gewichen“, stellt Ulrike Wuhrer fest. Nachdem es seit Mai 2013 keinen Tarifvertrag mehr für die Beschäftigten gibt, sinken die Gehälter. Und Personalkosten, so will es der neue Besitzer, sollen erneut eingespart werden – um einen zweistelligen Millionenbetrag, vermutet Wuhrer, die auch noch keine präzisen Angaben machen kann, denn „die Verhandlungen im Aufsichtsrat und mit den Betriebsräten sind noch in vollem Gang“.
Aber nicht nur an Arbeitsplätzen könnte gespart werden, sondern auch an der Tarifstruktur. Dann gäbe es zum Beispiel eine Aufteilung in Auffüller, Verkäufer und Kassierer, weitere Einkommenseinbußen wären die Folge. „Und auch das könnte wiederum die Beschäftigten in Singen und Konstanz treffen, denn solche Maßnahmen gelten dann für den ganzen Konzern“.
„Alle Jahre wieder neue Rationalisierungen – das hält kein Mensch aus“, weiß die Betriebsrats-Vorsitzende. „Wie sollen denn junge Menschen da noch eine Lebensplanung versuchen?“[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: hpk (mit Material von „ver.di publik“)