Synagogenbau: Trauerspiel auf der Zielgeraden
Erneut steht der Bau einer Synagoge in Konstanz auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung am kommenden Donnerstag. Seit rund zehn Jahren wird über dieses Thema diskutiert und der vorgesehene Bauplatz in der Sigismundstraße 8 hat sich mittlerweile zu einer innerstädtischen Müllkippe entwickelt. Nun ein neuer Anlauf, der auch der letzte sein dürfte.
Bei der Gemeinderatssitzung am 29.4.2014 war das Meinungsbild klar umrissen: Der Bauträger, die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden (IRG), wurde aufgefordert, bis spätestens September 2014, „die zum Nachweis einer nun zügigen Umsetzung des Projektes erforderlichen Unterlagen vorzulegen“. Erst dann sei die Stadt eventuell gewillt, das in ihrem Besitz befindliche Grundstück in bester Lage der IRG zu übertragen. Vorsicht ist geboten, denn über lange Jahre war nichts vorwärts gegangen, immer wieder gab es Verzögerungen der unterschiedlichsten Art, für die ausschließlich die IRG verantwortlich zeichnete.
Die zwei in Konstanz ansässigen jüdischen Gemeinden – Israelitische Kultusgemeinde Konstanz (IKG) und Jüdische Gemeinde Konstanz (JGK) – sollen gemeinsam in der geplanten Synagoge Platz finden. Doch das ist kaum machbar, denn IKG und JGK stehen sich ablehnend bis offen feindlich gegenüber. Die IKG, dort hat die Familie Nissenbaum das Sagen, verkörpert das orthodoxe Judentum, die JGK hingegen steht für eine liberale, sprich säkulare Ausrichtung, der sich eine Mehrheit des Konstanzer Jüdinnen und Juden zugehörig fühlt. Somit trifft Tradition auf Moderne und das birgt seit jeher Zündstoff. Nur ein Beispiel: Die Orthodoxen verbannen während des Gottesdienstes die Frauen auf eine Empore oder hinter einen Vorhang. Diese Geschlechtertrennung wird von den Liberalen strikt abgelehnt. Auch in anderen Bereichen türmen sich zwischen den zwei Gemeinden Hürden auf, die kaum zu überspringen sind. Da stellt sich die berechtigte Frage: Soll die Stadt das umstrittene Vorhaben überhaupt noch unterstützen?
Dass Rami Suliman, Vorsitzender des IRG-Oberrats, ein ausgesprochen freundschaftliches Verhältnis zur Familie Nissenbaum pflegt, nährt zudem bei den liberalen Juden den nicht unbegründeten Verdacht, dass ihnen beim Bau einer neuen Synagoge bestenfalls ein Platz am Katzentisch zugewiesen wird. Zwar sehen die nun vorliegenden Pläne für den Synagogenbau einen eigenen Raum für die liberale Gemeinde vor, der aber, so Minia Joneck von der JGK, „viel zu klein ist“. Der in der Vergangenheit vielfach geäußerte Wunsch, mit dem Bau einer Synagoge würde „der Grundstein gelegt für das weitere Zusammenwachsen aller Juden in Konstanz“, so Suliman in einem Schreiben vom 15.9. an Oberbürgermeister Uli Burchardt, dürfte schwer umsetzbar sein. Dieser Versuch wurde schon mehrmals unternommen, ist aber immer wieder gescheitert. Vorsorglich nahm deshalb die Stadtverwaltung einen zusätzlichen Passus in die Sitzungsvorlage für Donnerstag mit auf: „Die Verwaltung wird beauftragt, in den Kaufvertrag eine Formulierung aufzunehmen, wonach in der zu errichtenden Synagoge grundsätzlich eine diskriminierungsfreie Religionsausübung für alle in Konstanz lebenden Juden möglich sein soll“.
Stimmt der Gemeinderat zu, dann greift folgender Zeitplan: Zuerst würden von März bis September 2015 die Archäologen auf dem Gelände nach historischen Hinterlassenschaften suchen. Ab 1.10.2015 könnte dann mit dem Bau der Synagoge begonnen werden, deren Fertigstellung auf Anfang April 2017 terminiert ist. Alles ohne Gewähr. Der Ausgang der Debatte ist offen. Allerdings mehren sich im Rat die Stimmen, die dem Langzeitprojekt aus mehreren Gründen kritisch gegenüber stehen und schon an alternative Nutzungen des Geländes denken. Denn die Gefahr, erneut und auf Jahre hinaus vertröstet und hingehalten zu werden, ist groß. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass die IRG die Stadt Konstanz an der Nase herum führt.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: Holger Reile
Hallo Frau Fehr,
damit das Landesdenkmalamt mit den Grabungen beginnen kann, ist aus formalen Gründen eine offizielle Übertragung des Grundstücks an die IRG Baden vonnöten. Zitat aus der Vorlage des betreffenden Tagesordnungspunkts der Gemeinderats-Sitzung am 25. 09.: „Die Verwaltung wird ermächtigt, den Vollzug des […] Kaufvertrages zwischen der Stadt Konstanz und der IRG Baden zu veranlassen, sobald die Vereinbarung zwischen dem Land Baden-Württemberg (Amt für Denkmalschutz) und der IRG Baden wegen der auf dem Baugrundstück vorab notwendigen archäologischen Grabungen verbindlich geschlossen wurde“. Soweit dazu – ob die nicht nur historisch bedeutsame „Angelegenheit“ zu einem für alle Seiten akzeptablen Abschluss kommen kann, wird sich (hoffentlich) am Donnerstag zeigen. Auf Antrag der Linken Liste und mit Unterstützung der FGL und SPD sollen am Donnerstag nicht nur VertreterInnen der konservativen IRG Baden, sondern auch der liberalen Jüdischen Gemeinde Konstanz gehört werden.
Angesichts der Unfähigkeit der beiden jüdischen Religionsgruppen, zu einem Kompromiss zu kommen, lässt sich absehen, dass das alte Spiel weitergehen wird: Gegenseitige Schuldzuweisungen, fruchtlose Gespräche, letzte Termine seitens der Stadt usw. Es scheint nur folgender Weg gangbar: Entweder werden zwei Synagogen errichtet, notfalls auf verschiedenen Grundstücken, oder die Stadt zieht endlich die Konsequenzen und behält das Grundstück, um es etwa für eine Wohnbebauung zu nutzen, denn auf dem bisherigen Weg ist man seit rund einem Jahrzehnt keinen Schritt vorangekommen und man könnte die jüdischen Gemeinden nach all diesen Kapriolen jetzt durchaus sich und ihren religiotischen Problemen selbst überlassen.
Abgesehen davon stellt sich dem erstaunten Laien die Frage: Wieso haben eigentlich die Archäologen das Grundstück nicht schon längst durchbuddelt? Schon seit Jahren heißt es bei jedem neuen Anlauf, dieses Grundstück zu nutzen, dass man dann erst die Archäologen abwarten müsse, die ja eigentlich schon längst fertig sein könnten?
Ich verstehe nicht, wie Sympathien einer objektiven Berichterstattung in der Sache entgegenstehen können. Leider bietet die momentane Faktenlage kaum Möglichkeiten, zu einer optimistischeren Einschätzung zu kommen – bestehende Erfahrungswerte und Verstöße gegen Absprachen sprechen eine zu deutliche Sprache. Vielleicht wird die Stadt überrascht und ein erfolgreiches Projekt zugunsten aller jüdischen Gläubigen der Stadt kommt zustande; das würde denke ich große Freude bereiten. Aktuell scheint sich ein solches Ergebis nicht abzuzeichnen. Womöglich ist diese Einschätzung geeignet die Gemeinde aufzurütteln?
Herr Reile, abgesehen der Tatsache, dass die Synagoge bisher leider noch nicht gebaut wurde, hätten Sie nicht ausgesprochen besondere Sympathien für eine der zwei Gemeinden und ihre Auffassungen? Können Sie noch behaupten, dass Sie neutral und objektiv über diese Angelegenheit berichten oder berichten können??