Das Gewerbe lässt im Gemeinderat murren
Nachdem die Stadt Konstanz jahrelang großzügig Bewohner-Parkgenehmigungen für Altstadt und Paradies nicht nur an Anwohner, sondern auch an Gewerbetreibende, Hotel- und Ferienwohnungsinhaber ausgab, will sie jetzt ihre Vergabepraxis restriktiver handhaben. Die CDU ließ diesen Punkt gestern von der Tagesordnung des Gemeinderates absetzen. Die geplante Debatte über den Synagogenneubau fiel hingegen dem jüdischen Neujahrsfest zum Opfer
Manchmal ist auch durchaus interessant, was der Gemeinderat nicht debattiert. Dass es zwischen den beiden in Konstanz ansässigen jüdischen Gemeinden – der orthodoxen Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz (IKG) und der liberalen Jüdischen Gemeinde Konstanz (JGK) – kracht, ist ein offenes Geheimnis. Dieser Streit verhindert seit rund einem Jahrzehnt die Übertragung eines städtischen Grundstückes in der Sigismundstraße an die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden (IRG) als Bauherr der seit langem geplanten neuen Konstanzer Synagoge (seemoz berichtete ausführlich), da beide Parteien sich nicht über ihren Anteil an der Synagoge einigen können.
Prost Neujahr!
In der Gemeinderatssitzung am gestrigen Donnerstag sollten der Sachstand geklärt und alle drei Seiten gehört werden, aber während Minia Joneck von der JGK in den Gemeinderat gekommen war, hatten sowohl die IRG als auch die IKG auf den letzten Drücker abgesagt, da der Feiertag Rosch ha-Schana, der jüdische Neujahrstag, heuer auf den 25. September fiel. So wird sich der geplante Synagogen-Neubau in ein weiteres Jahr hinein schleppen, aber trotz aller Beteuerungen des Konstanzer Gemeinderates, jetzt sei das Ende der Fahnenstange erreicht, wird die Stadt Konstanz sich wohl auch weiter auf geduldiges Setzen immer wieder letzter Fristen beschränken.
Holger Reile (Linke Liste) zeigte sich bass erstaunt über das Nichterscheinen der Vertreter der orthodoxen Richtung und sprach von einem wilden „Absurdistan“. Immerhin hat nach seinen Angaben noch am Tag zuvor der vorgesehene Bauträger, die IRG Baden, in einer Pressemitteilung wissen lassen, dass sie sich auf die Gemeinderatssitzung freue. Reiles Fazit: „Entweder hat man bei der jüdischen Dachorganisation nicht gewusst, dass heute ein jüdischer Feiertag ansteht – was ich mir nicht vorstellen kann – oder aber, und das kommt der Wahrheit wohl näher: Man ging davon aus, dass das Vorhaben von uns Gemeinderätinnen und –räten einfach durchgewunken und abgesegnet wird. Ich bin nicht mehr gewillt, weitere Warteschleifen zu drehen und unter Umständen wieder jahrelang vertröstet zu werden. Das Maß ist voll und ich beantrage hiermit, dass die Verwaltung umgehend über eine andere Nutzung des Geländes in der Sigismundstraße 8 – Stichwort Wohnungsbau – nachdenkt.“
Das Gewerbe macht Druck
Wenn der alte Fuchs Roger Tscheulin (CDU) in seinem unnachahmlich entspannt-näselnden Tonfall zum Satzende hin immer leiser und etwas tiefer säuselt, bis sein Satz in einem dahingehauchten Flüstern à la Gebet einer Jungfrau akustisch erstirbt, sollte der geübte Gemeinderatsbesucher aufmerken, zumal wenn Tscheulin kurz vor der Unhörbarkeit noch Worte wie „in den Ausschuss verweisen“ über seine sanften Lippen säuseln lässt.
Dann leitet der CDU-Grande nämlich wieder einmal eine Attacke ein, die einen durchaus menschenfreundlichen Antrag auf dem Umweg über angeblichen zusätzlichen Klärungsbedarf schließlich killt, ohne dass das der Öffentlichkeit allzu sehr auffiele. Meisterhaft hat er so erst jüngst maßgeblich mitgeholfen, die geplante Regelung gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum zur Strecke zu bringen.
Auch gestern bediente er wieder treu sein Klientel – er nannte ausdrücklich das Gewerbe -, als er bei der Verschärfung der Vergaberegeln für Bewohner-Parkplätze in Niederburg und Paradies an dort nicht wohnhafte Gewerbetreibende eine Verlängerung bestehender Erlaubnisse um noch ein paar Monate forderte und weiteren Klärungsbedarf sah. Es schloss sich eine hinreichende Mehrheit seinem Antrag, die Angelegenheit in den Ausschuss zurückzuverweisen und dort zu klären, an, und so darf man getrost davon ausgehen, dass das Gewerbe sich bald über wesentlich gelockerte Regeln für Park-Ausnahmegenehmigungen freuen kann.
Das ist halt der Unterschied zwischen ihm und Holger Reile: Während Reile mit großer Lust unvermittelt als Klapperschlange aus dem Gebüsch hervorspringt und mit seiner Rassel die Bürgerlichen zu Tode erschreckt und in die Flucht treibt, gibt Tscheulin lieber die Schlange Kaa und versetzt mit seinem hypnotisierenden Singsang seine Ratskolleginnen und -kollegen in wohlige psychedelische Zustände, wofür viele Bürgerliche ihn abgöttisch lieben. Seine Umarmung kann trotzdem jederzeit tödlich sein, für Anträge wie für Parteifreunde gleichermaßen. Aber das ist eine gaaanz andere Geschichte …
Autor: O. Pugliese
bliebe noch zu erwähnen, dass marianne reuter und christine webermeister ein und diesselbe person sind. wir werden solchen heckenschützen und anonymen figuren ab sofort den zugang sperren. wer so vorgeht, ist sowieso nicht ernst zu nehmen
h.reile
@ Marianne Reuter
Sie haben den Artikel oben aber schon gelesen oder?!
oder wie kommt man auf so einen Kommentar ?
da die meisten hier, Feiertage wie den 1 Januar oder das christliche Neujahrsfest vom Datum her kennen, würden wir uns früh genug melden…:-)
Dieser Artikel ist doch recht einseitig. Man kann sich durchaus auch fragen, wie weit denn das Verständnis der hiesigen Politiker für jüdische Belange geht, wenn sie eine Debatte über den Synagogenneubau ausgerechnet für Rosch ha-Schana ansetzen, statt die Sitzung um ein paar Tage zu verschieben. Stellen Sie sich einmal vor, eine jüdische Gemeinde lüde dieselben Politiker für den 1. Januar, also das christliche Neujahrsfest, oder für den 1. Weihnachtstag zu einer Arbeitssitzung ein. Das würde dann wohl als schlechter Witz und religiös unsensibel gewertet.