Was ist uns die Erinnerung wert?
Für den kommenden Sommer ist die Ausstellung „Das jüdische Konstanz. Blütezeit und Vernichtung“ geplant. Sie wird auch an die Deportation von Konstanzer Juden 1940 erinnern. Museumsleiter Tobias Engelsing hat in einem Depot der Deutschen Bahn Waggons entdeckt, die er in die Ausstellung integrieren möchte. Doch dafür muss der Etat erhöht werden: Der Gemeinderat ist gefragt
Laut Engelsing handelt es sich um mehrere originale Personenwagen der 4. Klasse, mit denen im Oktober 1940 die badischen Juden, darunter auch viele aus Konstanz, in das Lager Gurs in Südfrankreich deportiert wurden. „Diese Nutzung“, so Engelsing, „ist durch die Deutsche Bahn bestätigt“. Einen dieser Personenwaggons möchte er vom 19. Oktober bis 1. November 2015 nach Konstanz holen, „um ihn zum 75. Jahrestag am 22. Oktober 2015 (….) im Bahnhof Konstanz aufzustellen“. Für ihn wäre „die Präsentation dieses besonderen Relikts der Vernichtungspolitik ein Mahnmal der ganz besonderen Art“.
Die Verhandlungen mit der Bahn sind weit gediehen. Sie hat bereits zugesagt, einen Waggon zu reinen Selbstkosten nach Konstanz zu bringen und die hiesige DB Netzagentur ist auch bereit, einen kostenlosen Gleis-Stellplatz zur Verfügung zu stellen. Dennoch entstehen Kosten von 22 000 Euro (Transport aus dem DB-Depot mit einer Lok nach Konstanz, Aufstellung, Absperrung und behindertengerechte Erschließung, Gestaltung von Infotafeln und Sicherheitsvorkehrungen).
In einem Brief an Oberbürgermeister Uli Burchardt und die Gemeinderatsfraktionen hat Engelsing kürzlich darum gebeten, den Ausstellungsetat des Rosgartenmuseums für das kommende Jahr um eben diese 22 000 Euro zu erhöhen, um das Vorhaben finanziell abzusichern. Stadtkämmerer Hartmut Rohloff lehnt diese Erhöhung nicht grundsätzlich ab, verweist aber auf die derzeitige Haushaltslage und ist der Meinung, der Gesamtgemeinderat müsse darüber entscheiden.
Positive Signale sendet die „Gesellschaft der Freunde und Förderer des Rosgartenmuseums“. Wegen der „besonderen historischen Verantwortung der Stadt“ sei man bereit, das Projekt zu bezuschussen. Auch mehrere Privatpersonen wollen sich finanziell beteiligen. Gut möglich also, dass die Stadtkasse nur gering belastet wird. „Gleichwohl“, erklärt Engelsing in seinem Schreiben, „sollte sich die Stadt hier engagieren, nicht zuletzt, weil die Stadtverwaltung damals aktiv an den Verfolgungsmaßnahmen beteiligt war.“[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: H.Reile
zu Vergangenheitsbewältigung in den 70er Jahren im Gymnasium
Im normalen Geschichtsunterricht war ein schwarz-weiss Video das Erschütterndste: nach dem Krieg wurden Bewohner bzw Menschen einer benachbarten Kleinstadt durch das Konzentrationslager geführt. Beim Rundgang konnte man die vielen hohen Haufen der Leichen sehen (einige Meter hoch).
Ein hochintelligenter Schüler, der aufgrund seiner Schülerzeitung im Gymnasium weit bekannt war, wurde vom Lehrer nach dem Eindruck gefragt. „Ich hätte beinahe den Kaugummi verschluckt. Nun schmeckt er nicht mehr.“ Der Lehrer: „Dann haben die Bilder ja ihren Zweck erfüllt.“
Jahre später gab es Ausschnitte im TV. Interessant die Zuschauer: 2 Frauen in guten Mäntel umarmten sich mit Heulkrämpfen und wandten sich ab.
Dahinter einige Menschen mit leeren stumpfen Blick nach vorne, in jämmerlichen Uniformen, gerade als vom Kriegsgefangenenlager entlassen. Die Seele erloschen: zumindest durch den Frontkampf, vielleicht auch durch sonstige Ereignisse des Krieges oder teilweise Hilfeleistungen beim Holocaust? Man konnte nur Erahnen, woran sie beteiligt waren bzw hineingezogen wurden.
Bei den wenigen Minuten denke ich an den Song „I will survive“.
22000€ für ehemalige Deportationswaggons zur Vergangenheitsbewältigung!
Wie teuer ist dann die Entfernung der Straßenbenennung Franz-Knapp-Passage? Nach einem ehemaligen Bürgermeister benannt, der nach aktuellen historischen Erkenntnissen dem Deportations- und Verfolgungs-Regime nahe stand.
g.j. moersch