Wie die „Süddeutsche“ am Wochenende punkten will
Es geht um die „Süddeutsche Zeitung“ (echt verkaufte Auflage: 320 000 Exemplare), die in Deutschland als sozialliberales Gegengewicht zur großbürgerlich-konservativen „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (echt verkaufte Auflage: knapp 248 000 Exemplare) gilt. Sie bietet seit drei Wochen ihre Ausgabe am Samstag als „Wochenendzeitung“ an und versucht unter lautem werblichen Hallo, diesen Zwitter als Erfolg zu verkaufen
Es bedarf zweier Vorbemerkungen, um dieses Vorhaben zu verstehen. Auch in Deutschland geraten die Medien, die sich als General-Interest-Medien täglich und wöchentlich um gesellschaftlich relevante Themen kümmern, seit Jahren zunehmend in die Bredouille: Die Auflagen sinken, die Anzeigen werden weniger. Von diesen Medien setzen nun viele auf das Wochenende. Das Argument, das seit Jahrzehnten gilt: Dann haben die Leute Zeit.
Die Wochenmagazine „Spiegel“ und „Focus“ haben diesen Tanz begonnen: Beide erscheinen bisher montags, auch mit dem (seit langem illusionären) Anspruch, die Themen der Woche bestimmen zu wollen. Von Anfang 2015 an wollen beide Magazine am Samstag erscheinen. Das Ziel: die seit Jahren sinkende Auflage wenigstens zu stabilisieren.
Die „Süddeutsche Zeitung“ wollte eigentlich eine richtige Sonntagszeitung auf den Markt bringen, so wie vor vielen Jahren die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“; deren „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ gilt weithin als publizistischer Gewinn. Sie traute sich wirtschaftlich diesen Kraftakt dann doch nicht zu und will nun für einen geringeren Preis doch etwas Besonderes machen. So entstand die „Wochenendzeitung“. Dass Tageszeitungen ihre Samstag-Ausgaben ausbauen, um ihren Lesern mehr Lesestoff zu bieten, das ist nichts Neues. Das machten sie schon immer – beispielsweise mit einem besonderen Reise- und Serviceteil. Und das machen sie auch heute: wie beispielsweise seit einiger Zeit mit Erfolg die „Taz“. Die „Süddeutsche Zeitung“ will jedoch an Samstagen künftig etwas Neues sein: nicht nur eine dickere Tageszeitung, nein, mehr als eine Tageszeitung, aber dann doch weniger als eine Wochenzeitung.
Die Gefahr: Sie fällt damit zwischen den Erwartungen ihrer Kundschaft durch. Die Redaktion sieht sich auf neuen Wegen: „Am Wochenende werden wir in Zukunft eine Art Liebesheirat zwischen Tageszeitung und Wochenblatt eingehen.“ Konkret: Auf der ersten Seite wird – jenseits der Aktualität – ein Titelthema angekündigt; beispielsweise die „digitale Diktatur“ in China. Die Meinungsseite wird verdoppelt. Es gibt ein neues „Buch 2“, beispielsweise mit einer dreiseitigen Reportage über „eine neue Generation von Dschihadisten“. Es gibt die neuen Sektionen „Gesellschaft“, „Stil“ und „Wissen“, es geht um den Ruf der Jogginghose und um „Meilensteine der Hirnforschung“, bevor die „SZ für Kinder“ kommt. Das tagesaktuelle Nachrichtengeschäft wird unter den zahlreichen Kolumnen, Porträts und Reportagen begraben. Wer nach dem ersten Blick urteilt, der sieht eine Kraut-und-Rüben-Tages-und-Wochenzeitung. Eindeutig ist nur: Die „Süddeutsche Zeitung“ lässt seit drei Samstagen die Tageszeitung hinter sich.
Seit immer mehr Konsumenten sich im Netz kostenlos über das Aktuelle informieren, bröckelt mindestens die Position der gedruckten Tageszeitung. Wenn nun aber alle in ihrer Not das Heil im Wochen(end)-Geschäft suchen, kann dieser angeblich neue Weg schnell zur Sackgasse werden. Und vor allem: Was machen dann die bisherigen `echten` Wochenzeitungen?[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: Wolfgang Storz/woz.ch
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