Zur Wiederwahl des Uni-Rektors Rüdiger: Ein Botschafter der kapitalistischen Universität
Heute, am 6. November 2014, wird Amtsinhaber Ulrich Rüdiger (rechts im Bild) als alter, neuer Rektor der Uni Konstanz wieder gewählt werden. Die Wiederwahl des ehemaligen Physikprofessors ist ein weiteres Symptom für den Umbau der Universität in ein marktkonformes Unternehmen
Der Universitätsrat, ein Gremium aus sieben Externen, und der Uni-Senat wählen den Rektor unter Aufsicht der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes. Aus Sicht der Universitätsmitglieder ist dies ein demokratisch höchst fragwürdiges Verfahren, das fatal an die Wahl des Staatsratsvorsitzenden der DDR erinnert. Das Staatsoberhaupt der DDR wurde aus den elitären Zirkeln des Staatsapparates ausgewählt und mit dem Einverständnis des großen Bruders in Moskau von der gleichgeschalteten Volkskammer inthronisiert. Die Untertanen hatten kein Mitspracherecht und keinerlei Einfluss auf die zukünftige Politik des Landes. Gleiches geschieht derzeit an der Uni Konstanz.
Den untertänigen Mitarbeitern und Studierenden wird ein Rektor vor die Nase gesetzt, bestätigt von einem Senat aus Ja-Sagern. Dabei repräsentiert der Senat nicht einmal 10 Prozent aller Uni-Mitglieder, weil die Professoren über die absolute Mehrheit verfügen. Die Mitglieder des Universitätsrates, der laut Grundordnung das Rektorat kontrollieren soll, kennt kaum jemand an der Uni. Sie wurden von der Ministerialbürokratie bestimmt und entstammen der bürgerfernen Nomenklatura. Über ihre hochschulpolitischen Vorstellungen und Ziele mussten sie den Uni-Mitgliedern nie Rechenschaft ablegen.
Rüdigers erste Amtszeit: glanzlos
Neben dem undemokratischen Wahlverfahren zum Rektor oder sonstiger Uni-Institutionen, das aus der Verfassung irgendeiner Bananenrepublik entlehnt zu sein scheint, sind die hochschulpolitischen Ansichten des Kandidaten selbst eine Zumutung für die Universität. Mit der Wahl von Rektor Ulrich Rüdiger 2009 verbanden sich viele Hoffnungen und Wünsche, da der Rektor selbst Professor an der Uni Konstanz war. Bei Lichte betrachtet war die erste Amtszeit Rüdigers jedoch glanzlos.
Das größte Verdienst des Rektors ist nach seiner Auffassung die Verteidigung des Exzellenz-Titels und der damit verbundenen Investitionen. Der Wiedererhalt dieses Titels ist allerdings am wenigsten mit der Person des Rektors und seinen überragenden Visionen verbunden, sondern vielmehr mit dem üblichen Politik-Geschachere in den Landeshauptstädten und Berlin. Außerdem kriegen ohnehin nur finanziell gut ausgestattete Unis diesen Titel, also vornehmlich Unis, die bereits bei der ersten Runde der Exzellenzinitiative mit Steuermitteln überschüttet wurden. Elite durch Elitenförderung ist die sich selbsterfüllende Prophezeiung geistloser Bildungspolitikerinnen. Der einzige Gewinn, den die Studierenden aus dem Exzellenztitel zogen, war eine gründliche Reinigung des Uni-Innenhofes – allerdings nur an den Stellen, die die Exzellenz-Jury zu Gesicht bekam.
Weiterhin rühmen sich der Rektor und die anderen Rektoren des Landes, dem Wissenschaftsministerium mit ihrem Aktionstag am 21. Mai 2014 endlich die notwendigen Geldmittel abgetrotzt zu haben. Nachdem die Rektoren 30 Jahre lang die offensichtliche Unterfinanzierung der Hochschulen verschlafen haben, jammerte Rektor Rüdiger in einer Ruck-Rede vor der Uni-Öffentlichkeit über die finanziellen Folgen des eigenen Versagens. Die Studierendenvertretung musste gute Miene zum bösen Spiel machen. Das Ergebnis des Aktionstages war in der Tat eine bessere Ausstattung der Uni, was der Rektor gleich als persönlichen Erfolg verbuchte. Dabei vergaß er freilich zu erwähnen, dass diese Mittel politisch längst beschlossen waren und aus Fördertöpfen stammten, die einfach umbenannt wurden. Die Uni ist immer noch chronisch unterfinanziert, was das Rektorat sicher auch weiß. Die einschneidendste Investition in die Uni, von der tatsächlich auch Studierende profitieren, ist die aufwändige Renovierung der Uni-Bibliothek. Auch für die rühmt sich der Rektor, obgleich der eigentliche Grund die Asbest-Verseuchung der Uni ist. Weiterhin gab es natürlich viele nette Veranstaltungen und Festlichkeiten, auf denen der Rektor seine charmante Rhetorik ausspielte, deren Einfluss auf die Qualität der Lehre und Forschung allerdings gingen gegen Null.
Oligarchen-Universität wird zum Unternehmen, das Bildung als Ware verkauft
Die eigentlichen Weichenstellungen dieses Rektors erfolgten in kleinen Details, deren dramatische Auswirkungen wohl erst in Jahren vollends sichtbar werden. Während der ersten Amtszeit hat sich die marktwirtschaftliche Zurichtung der Uni Konstanz und ihrer Mitglieder massiv beschleunigt und ist beinahe unumkehrbar geworden. Die Wiederwahl dieses Rektors ist das deutlichste Symptom für den Umbau der Uni in ein Unternehmen, das Bildung und Forschung als Ware verkaufen soll.
Seitdem die Universitäten in den 1960er Jahren endgültig für alle offen stehen, kriselt die Massen-Universität. Die Universitäts-Idee und -Struktur wurden nämlich nur vervielfältigt, aber nicht demokratisiert. Die Professoren waren damals schon die einflussreichste Fraktion der Uni, wobei es in dieser Oligarchie oftmals zu Kompetenzgerangel und Blockaden kam. Dies verlangsamte Entscheidungsprozesse, die dann nicht mehr mit der rasanten wirtschaftlichen und politischen Entwicklung außerhalb der Uni mithalten konnten. So ist die Uni bis heute eigentlich eine Ausbildungsfabrik mit Massenabfertigung und hochschulpolitischen Strukturen wie zu Kaisers Zeiten.
Der Kapitalismus reagiert auf diese Krise mit dem Rezept, das für alle Lebensbereiche heilsam sein soll: Privatisierung, Vermarktung, Wettbewerb und Unterfinanzierung. Das Amt des Rektors wurde aufgewertet und mit den Befugnissen eines Vorstandsvorsitzenden ausgestattet. Genauso wie das Gesundheitswesen wurde endlich auch das Bildungswesen der Naturgewalt des Geldes und der Märkte untergeordnet. Das bedeutet natürlich einen immensen Qualitätsverlust in den Studiengängen, Verlust der Arbeitsplatzsicherheit bei den Angestellten und Kaputtsparen der Infrastruktur.
Damit das von den Uni-Mitgliedern akzeptiert werden kann, braucht es eine Integrationsfigur, die alle von der Alternativlosigkeit, dem nicht vorhandenen Fortschritt überzeugt und selbst in der depressiven Resignation vieler noch etwas Gutes sieht. Diese Funktion einer Kapitalismus-Marionette erfüllt nun Prof. Dr. Dr. h. c. Ulrich Rüdiger.
Dazu muss gesagt werden, dass es sich hierbei nicht um eine Verschwörung im eigentlichen Sinne handelt. Die einflussreichen Clans – Ministerium, Universitätsrat wie Senats-Professoren – haben halb bewusst, halb unbewusst den Zeitgeist des Marktkonformismus und New Public Managements verinnerlicht. Diese innere Gleichschaltung ist Voraussetzung für den Aufstieg und Verbleib in der Riege der Mächtigen.
Offenheit und Repression: Teile und herrsche
Rektor Rüdiger redet daher unablässig vom Bildungsmarkt, dem internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe, der notwendigen Nähe zu Industriepartnern und von vielen weiteren Kampfbegriffen, die frei erfunden sind, aber ihre Wirkung nicht verfehlen. In seinem Eifer schadete der Rektor bereits massiv der Glaubwürdigkeit der Uni Konstanz: Er vereinbarte 2011 eine Kooperation mit dem Rüstungskonzern EADS/Airbus und nahm deren Blutgeld. Er verschaffte dem Milliardär Hans-Werner Hector gegen die großzügige Spende von sechs Millionen eine Ehrensenator-Würde (seemoz berichtete). Dem Präsidenten der Singaporer Nanyang Technological University Bertil Andersson verlieh der Rektor die Ehrendoktor-Würde als Dank dafür, dass Andersson sich um die Kooperation mit Konstanz bemühte. Solche Zusammenarbeit ist für die Uni viel Geld wert. Andersson lobte übrigens in seiner Dankesrede gleich zwei Mal überschwänglich den singapurischen Ministerpräsidenten für seine Bildungspolitik. Andersson und der Rektor vergaßen dabei zu erwähnen, dass Singapur Oppositionelle wegsperrt und die Presse zensiert. An diesen und ähnlichen Vorgängen lässt dich deutlich die innerliche Korrumpiertheit der akademischen Elite von Konstanz ableiten.
Nach innen agiert der Rektor autoritär und selbstgerecht. Er verfolgt dabei eine „Teile-und-Herrsche“-Strategie: Mit allen reden und dann in Hinterzimmer-Gesprächen das Beste für sich auskungeln. Viele in der Studierendenvertretung interpretieren die regelmäßigen Gespräche mit dem Rektor als moderate Offenheit, dies ist jedoch Teil seines Regiments. So ließ der Rektor beispielsweise eine Veranstaltung der studentischen Liberalen Hochschulgruppe am 5. Mai 2014 verbieten, mit dem Hinweis, dass in Wahlkampfzeiten die Uni zur Neutralität verpflichtet sei. Das Thema des Vortrags war die Demokratie in der Schweiz, die sicherlich nichts mit dem Europawahlkampf zu tun hatte.
Mit der eigenen weltanschaulichen Neutralität nimmt es der Rektor selbst nicht so genau. So rief der Rektor die Studierenden per Rundmail auf, sich doch am Jungen Forum Konstanz, also einer neuen Partei, zu beteiligen. Oder der Rektor lädt Studierende und Mitarbeiter zum katholischen Weihnachtslieder-Singen in das katholische Münster zu Gunsten einer katholischen Wohlfahrtsorganisation ein.
Solche unprofessionellen Entgleisungen sind aber seltener geworden dank der Unterstützung der Uni-Abteilung Kommunikation und Marketing. Hier helfen zehn Mitarbeiter dem Rektor dabei, seine Botschaften zu transportieren. Diese Abteilung editiert auch die Uni-Zeitung uni’kon und ist somit die Propanda-Abteilung des Rektors. Im aktuellen uni’kon (Nr. 56) schrieb der Rektor das Editorial, wird in einem Artikel für seine Leistung um die Uni-Finanzierung gelobt und gibt noch ein Interview. Unabhängige Beiträge von Studierenden oder Mitarbeitern sucht man vergebens. Das uni’kon ist ein Organ der Selbstdarstellung, eine Zeitung wie das Neue Deutschland der DDR – gedruckt, damit die Mächtigen Großartiges über sich selber lesen können.
Die Universität vernichtet ihr wichtigstes Kapital: Glaubwürdigkeit
Die Verheerungen der Botschaften und des alltäglichen Handelns des Rektors werden vielleicht erst in Jahren deutlich sichtbar werden: Wenn die Studierenden feststellen, dass ihr Masterabschluss sie allenfalls zum Kaffeekochen in einem Großraumbüro qualifiziert; Wenn der letzte Mitarbeiter entweder aus Gründen betriebswirtlicher Einsparungen gefeuert oder wegen Burnouts in die Psychiatrie eingeliefert wurde;
Und wenn der letzte Professor vor einem leeren Hörsaal lesen muss, weil die Studierenden und die Öffentlichkeit nicht mehr wissen, ob sie einem wahrheitssuchenden Wissenschaftler oder einem gekauften Handlanger der Industrie zuhören.
Dann jedoch ist die Glaubwürdigkeit der Uni, ihr einziges Kapital, längst verspielt. Aber wenn die Uni-Mitglieder nichts mehr zu verlieren haben, bringen sie vielleicht den Mut auf, den Blendern, Dummschwätzern und Scharlatanen die Tür zu zeigen. Dann haben die Uni-Mitglieder vielleicht die Kraft, eine basis-demokratische Gemeinschaft des miteinander Lernens und Lehrens, allein der Wahrheitssuche verpflichtet, zu begründen.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: Alexander Schmidt
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