EU-Lobbyagenturen scheuen das Licht der Öffentlichkeit

Zwei Jahre, nachdem die EU- Kommission ein freiwilliges Lobbytransparenzregister gestartet hat, sind 60% der professionellen Brüsseler Lobbyberatungen nach wie vor nicht dort registriert. Dies, so die Initiative „Lobby Control“, deckt eine neue Analyse des europäischen Netzwerks „Allianz für Lobbytransparenz und ethische Regeln im Lobbyismus“auf.

Lediglich 112 der 286 in der EU bekannten Agenturen und Beratungen sind bisher im Register der Kommission gelistet (39,2%). Ein niederschmetterndes Ergebnis, bedenkt man, dass die EU-Kommission nicht müde wird, die Erfolge ihres freiwilligen Registers über den grünen Klee zu loben.

Um möglichst alle in Brüssel ansässigen Lobbyberatungen zu identifizieren, hat ALTER-EU in verschiedenen öffentlich zugänglichen Quellen (den Registern von Kommission und Parlament, dem European Affairs Directory – einer Art Branchenbuch für Lobbyakteure – und anderen) parallel gesucht. Es wurden dabei alle Beratungsfirmen gezählt, die Lobbydienstleistungen anbieten – auch Kanzleien. Unter den fehlenden sind gewichtige Akteure wie FD Blueprint, die Brunswick Group oder die in Deutschland bekannt gewordene Kanzlei Linklaters (sie hatte im vergangenen Jahr im Auftrag des damaligen Bundeswirtschaftsministers zu Guttenberg eine Vorlage für einen Gesetzesentwurf zur Rettung maroder Banken verfasst).

104 der 174 fehlenden Agenturen haben akkreditierte Lobbyisten im Europäischen Parlament. Das heißt, dass diese Lobbyisten jedenfalls Zugangsberechtigungen zu den Gebäuden des Parlaments haben. Derzeit sind die Transparenzanforderungen dafür minimal. Es ist nicht besonders glaubwürdig, dass all diese Lobbyagenturen zwar beim Europäischen Parlament Lobbying betreiben, nicht aber bei der Europäischen Kommission.

Lobbyagenturen oder -firmen arbeiten vornehmlich für große Unternehmen und Interessenverbände, um in deren Sinne Einfluss auf die Politik der EU zu nehmen. In der Praxis bedeutet dies häufig eine Teilnahme an Kampagnen, die Fortschritte beim Umwelt- und Verbraucherschutz aufschieben oder blockieren sollen. Immer öfter bieten sie ihren Kunden heute auch “Serviceleistungen” im Bereich der verdeckten PR – wie beispielsweise die Gründung von so genannten “Frontgroups”. Unter einem neuen, neutralen, oft akademisch klingenden Namen übernehmen diese dann die Lobbyarbeit, um die Glaubwürdigkeit der Kunden zu erhöhen. Eine verpflichtende Eintragung dieser Lobbyfirmen mit ihren Kundinnen und Kunden ins Register ist auch deshalb wichtig, weil sich eine solche verdeckte PR dann leichter identifizieren ließe.

Die Studie ist ein weiterer Beweis dafür, dass der freiwillige Ansatz des Registers gescheitert ist. Bereits im vergangenen Jahr hat ALTER-EU in einer Studie gezeigt, dass die erhoffte freiwillige Registrierung ausbleibt. Gerade einmal 30 Prozent aller in Brüssel ansässigen Lobbyakteure (wie Unternehmensniederlassungen, Verbände, NGOs, ThinkTanks, Kanzleien und eben Lobbyagenturen und -firmen) haben sich bisher registriert. Viele derer, die sich im Lobbyregister eingetragen haben, haben weder einen Sitz in Brüssel noch sind sie im Lobbygeschehen vor Ort wirklich relevant.

Selbst wer sich im Lobbyregister registriert, muss sich bisher aber keine allzu großen Sorgen um zuviel Transparenz machen: Das gilt gerade für Lobbyberatungen: Große Lobbyfirmen können die relative Größe ihrer Verträge mit Klienten bisher problemlos undurchsichtig machen. Bei der häufig genutzten Angabeart in Prozent ihres Gesamtumsatzes können sie mit wenig aussagekräftigen Angaben zu Kundenbudgets den Transparenzanforderungen Genüge leisten. Wie etwa der Lobbyriese Burson-Marsteller. Seine Kunden, die ein Budget von 10% des Gesamtumsatzes ausmachen, können ein Lobbybudget zwischen 0 und 700.000 Euro (Jahr 2008) bei ihm angelegt haben – mehr erfahren wir nicht.

Und auch sonst sind durch fehlende Definitionen, fehlendes Monitoring und nicht vorhandene Sanktionen die Transparenzangaben im Register häufig in Zweifel zu ziehen. „Lobby Control“ fordert daher die neue EU-Kommission auf, sich nicht länger über die Effizienz des Registers in die Tasche zu lügen. Es bedarf dringender Reformen: Eines verpflichtenden Ansatzes mit Sanktionen, eindeutigen Definitionen, was als Lobbybudget anzugeben ist, mehr Transparenz über die Kunden von Lobbyfirmen sowie echten Sanktionen im Fall falscher Angaben.