TTIP im großen SPD-Crashtest

seemoz-KrimiwinterPessimismus sieht anders aus: Dem Minister für auch Internationale Angelegenheiten in Baden-Württemberg, Peter Friedrich (SPD), scheint viel daran gelegen, das  Freihandelsabkommen TTIP auf eine „solide“ Basis zu stellen. In einer Diskussion  in Konstanz warb Friedrich für Chancen des Abkommens. Der Eindruck, dass damit alles besser würde, entstand trotzdem nicht

Vor rund 50 Gästen setzte Friedrich vor allem Hoffnungen in den Umstand, dass das Verhandlungsmandat zu TTIP darauf fuße, dass dann in den USA die Normen der internationalen Gewerkschaftsorganisation ILO durchgesetzt würden. Auch für mittelständischen Unternehmen  könnten sich neue Absatzmärkte auftun, schließlich würden Produkte heutzutage viele unterschiedliche US- sowie EU-Tests durchlaufen, die gleichwertig seien. Nach Vorstellungen Friedrichs könnten entsprechende Produktzertifikate dann einfach für Europa vergeben werden, sollte der gleichwertige amerikanische Test bestanden sein. Umgekehrt sei das dann auch für europäische Produkte auf dem amerikanischen Markt möglich.

Von Gleichem und Gleichwertigem

Als Vertreter für das Konstanzer Bündnis gegen TTIP saß Simon Pschorr auf dem Podium. Der Jurastudent hatte trotz gewandten Auftritts so seine liebe Not, dem SPD-Publikumsteil den Unterschied zwischen gleichartigen und gleichen Verfahren begreiflich zu machen. Auch das Beispiel des gleichwertigen Abiturs aus Bayern oder Hessen, welches dieselbe Note haben könne, aber unter anderen Bedingungen zustande gekommen sei, half wenig, um diesen semantischen Unterschied deutlich zu machen. Dass damit in Sicherheitsstandardtests völlig verschiedene Dinge mit demselben Gütesiegel ausgezeichnet werden und dies für eine von beiden Seiten damit einen Wettbewerbsvorteil bedeuten könne, kam bei Peter Friedrich kaum an. Immer wieder wurde er aus dem Publikum und auch von Simon Pschorr darauf hingewiesen, dass in so einem Falle mit zwei verschiedenen Maßen gemessen werde und es sich nicht um Friedrichs „beschworene gemeinsame Regeln“ handle, die mit TTIP einhergingen.

Alles wird super, alles wird wunderbar

seemoz-Simon versus Friedrich 005Der Abend machte deutlich: Die SPD bereitet ihre Wählerschaft auf Zustimmung zu dem Abkommen vor. Zwar weiß Friedrich, dass das Ergebnis noch nicht feststeht. Gleichzeitig versucht er allerdings zu suggerieren, dass das Freihandelsabkommen fast ausschließlich dann zustande käme, wenn es soziale und qualitative Verbesserungen für die Menschen mit sich brächte. Ohne dies kein TTIP, so seine Quintessenz.

Eine Einlassung aus dem Publikum betraf die Haltung von Bundesinnenminister Sigmar Gabriel (SPD), der verlauten ließ, dass es „keine echte Option“ sei, „den Investorenschutz aus (dem kanadisch-europäischen Freihandelsabkommen) CETA komplett herauszunehmen.“ Friedrich, der zuvor immerhin den Investorenschutz in TTIP kritisierte, ließ sich in seiner Haltung nicht beirren. Und sollte doch ein Investorenschutz kommen, so sollten die Streitparteien erst den normalen, deutschen Rechtsweg bestreiten müssen, bevor eines der internationalen ICSID-Schiedsgerichte angerufen werde.

Friedrich macht für die SPD deutlich, dass nicht umsonst so lange verhandelt werde. Viel Wunschdenken wurde transportiert, Bedenken gezielt ignoriert. Der Nachfrage, wie denn dann eine Mindestprivatisierungs-Quote und weitere Einschnitte beim zeitgleich verhandelten Dienstleistungsabkommen TISA zustande kommen konnten, wich Friedrich aus unter dem Verweis auch darauf, dass der Begriff „public services“ im Englischen semantisch anders besetzt sei. Mit dieser eindeutigen Haltung dürfte klar sein, dass soziale Einschnitte mit der SPD nicht zu machen sind – bis man in letzter Sekunde doch zustimmt, denn ein Einschnitt ist besser als nichts.

Pschorr geht die sozialen Fragen an

seemoz-Simon versus Friedrich 022Während der Minister sich am CETA-Anhang für die Angleichung von Technikstandards abarbeitete, versuchte Simon Pschorr, auf soziale Fragen einzugehen. Im Publikum wurde die Frage laut, was TTIP denn für diese „unsere deutsche Wirtschaft brächte“. Pschorr befand: „TTIP wird zu Schäden in mehreren Volkswirtschaften führen.“ Er mahnte, dass es bei der Frage ohnehin nach dem Motto gehe: ‚lieber wir als andere‘: „Ich halte diese Sichtweise für ziemlich unethisch.“ Und selbst wenn das Wirtschaftswachstum käme, so würde sich dies sogar bei den Schätzungen TTIP-freundlicher Institute wie der Bertelsmannstiftung nur zu ernüchternden Ergebnissen führen: „2,5 Prozent in zehn Jahren.“

Bioäpfel zum Abschluss

Am Ende drehte sich dann doch wieder alles um die Normen für Unternehmen; ob der Außenspiegel eines Autos einklappbar (in der EU) oder fest (in den USA) sein müsse. Beide führten letztlich dazu, dass ein sicheres Auto dabei herauskäme, was nach einem Crashtest eben platt ist. So platt wie die Vorstellung, dass mit TTIP alles besser würde.

Zum Abschluss gab es für die beiden Podiumsteilnehmer noch je einen Korb Bioäpfel. Ob es für Bioprodukte dann auch einen sicheren Korb gibt, wenn die SPD in Bundestag und Bundesrat TTIP zustimmen wird, blieb nach der Veranstaltung allerdings offen.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: Ryk Fechner; Fotos: Nicolas Kienzler und hpk