Giftiges Gezerre um Gesundheitsverbund
Die Misere um die Krankenhaus-Betriebsgesellschaften Konstanz und Singen findet ein vorläufiges, ein friedfertiges Ende: Der Kreistag beschloss gestern Zusatzvereinbarungen zum Fusionsvertrag, die den Gesundheitsverbund in juristisch ruhigeres Fahrwasser bugsieren sollen. Doch auf dem Weg dahin gab es ein giftiges Gezerre – alte Vorwürfe und neue Bedenken überschatteten die Debatte
Über zwei Stunden diskutierten die KreisrätInnen allein diesen Tagesordnungspunkt, 17, teils quälend langatmige Wortbeiträge versuchten Licht in das neue Dilemma des Krankenhausbetriebs zu bringen. Mit dem unbefriedigendem Ergebnis: Ein Rest von Unsicherheit bleibt.
Was war geschehen? Der 2012 vereinbarte Zusammenschluss der Kliniken aus Singen, Konstanz, Radolfzell und Engen unter dem Dach des Landkreises Konstanz als Mehrheitsgesellschafter leidet unter einem Geburtsfehler: Die im Konsortialsvertrag angegebenen Vermögenswerte waren zu hoch angesetzt – daraus ergibt sich ein „Differenzhaftungsanspruch“, der im Insolvenzfall z.B. zu Nachforderungen vor allem an die Städte Konstanz und Singen in zweistelliger Millionenhöhe führen könnte.
Wie wird nachgebessert? Nach einer, für womöglich viel Geld von neuen Wirtschaftsprüfern neu gefundenen Neubewertung der Betriebsgesellschaften (19,4 Mio für Singen – ehedem 43,1 Mio und 24 Mio für Konstanz – vormals 38,6, Mio Euro) soll eine „Klarstellungsvereinbarung“ den drohenden Anspruch einer „Differenzhaftung“ ausschließen – nach Meinung der Anwälte gelingt das aber „nur zu 98 Prozent“. Dennoch wohl die einzige Möglichkeit, einer möglichen Millionen-Forderung zu entgehen – um die Zustimmung zu dieser Klarstellung ging es dann auch in der gestrigen Sondersitzung des Kreistages.
Wie wurde diskutiert? Zunächst: Etliche Kreisräte, die Bürgermeister und andere Mitglieder des Konstanzer Stiftungsrats oder der Singener Fördergesellschaft, nahmen an der Debatte und der Abstimmung wegen Befangenheit nicht mehr teil. Der eigentliche Wortstreit begann dann mit einem Paukenschlag: Dieter Rühland (NL) forderte eine Vertagung der Debatte. Wie schon Hans-Peter Koch (LINKE), der bereits in der Vorwoche schriftlich eine Verschiebung angeregt hatte, bemängelte er die zu geringe Beratungszeit für diese komplexe Materie. Dem widersprach Jürgen Leipold (SPD), der auf die vielfältigen Diskussionen während des Gründungsprozesses verwies: „Der Verbund besteht und er muss bestehen bleiben“ – der Antrag auf Vertagung wurde gegen acht Stimmen abgelehnt. Das war auch dem emotionalen Plädoyer von Landrat Hämmerle zu danken, der nicht nur einmal betonte: „Der Differenzhaftungsanspruch wird mit jedem Tag, den wir verstreichen lassen, dringender.“
Er spielte damit auf die Abstimmungen der Gemeinderäte noch in dieser Woche an, denn wenn nur ein Gremium der Neuregelung widerspricht, scheitert der Heilungsversuch. Und für die heutige Sitzung des Singener Stadtrats liegt (ebenso wie für die Donnerstag-Sitzung des Konstanzer Gemeinderates auf LLK-Anregung) ein Vertagungsantrag vor. Hämmerles Nervosität war also nachvollziehbar.
Die wuchs im weiteren Verlauf der Diskussion, als Veronika Netzhammer (CDU) ihre alten Vorwürfe der Küngelwirtschaft erneuerte, Helmut Kellerknecht (CDU) eine Neuverhandlung („zurück auf Null“) anregte und Hans-Peter Koch (LINKE) kritisierte, dass einmal mehr die Schuldigen für diese Misere nicht benannt und Konsequenzen nicht gezogen würden. Zudem fragte er nach möglichen Rückzahlungs-Forderungen und warnte vor der Gefahr einer Unterkapitalisierung. Dem widersprachen Jürgen Leipold und Walafried Schrott (beide SPD), die zwar Fehlleistungen monierten („Wer lieferte die Zahlen?“), die Schuldigen aber in Reihen der beratenden Wirtschaftsprüfer ausmachten.
Was wird bleiben? 38 KreisrätInnen stimmten schließlich dem Beschluss mit der Klarstellungsvereinbarung zu, vier stimmten dagegen, zwei enthielten sich. Aber wohl niemand verließ den großen Sitzungssaal des Landratsamtes gestern gänzlich unbeschwert: Die Panne bei der Gründung des Gesundheitsverbundes wird nachwirken, die Suche nach den Schuldigen nicht abebben und die Furcht vor Haftungsansprüchen nicht enden.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: J. Mulert
Da täuschen sich Jürgen Leipold und Walafried Schrott aber ganz gewaltig.
Der 73-seitige „Unternehmensplan Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz 2013“ – indem die Erfolgspläne des Konzern, die Erfolgspläne der beiden Teilkonzerne, die Investitionspläne, die Darlehensübersichten und die Stellenpläne, bis ins Detail ausgearbeitet darstellen – wurde zwar formell von Wirtschaftsprüfern gemacht, aber die Zahlen-Vorgaben und Erwartungen kamen natürlich von den beiden Geschäftsführern Peter Fischer und Rainer Ott, die wiederum die Anweisungen bestimmter Aufsichtsräte umzusetzen hatten. Wer die wesentlichen Aufsichtsräte seinerzeit waren bzw. jetzt noch sind, ist allgemein bekannt.
Dass insbesondere die Vermögenswerte des früheren HBH-Verbundes viel zu hoch angesetzt wurden, konnte aufmerksame Beobachter der Geschehnisse ab Ende 2009 bis etwa 2012 überhaupt nicht überraschen.