Synagoge: Jetzt wird’s so richtig peinlich

Seit rund zehn Jahren diskutiert der Konstanzer Gemeinderat über den Bau einer neuen Synagoge in der Sigismundstraße. Von Anfang an hat sich das Stadtparlament einstimmig dafür ausgesprochen und das Projekt aus guten Gründen immer unterstützt. Mehrmals kündigte der Bauträger die Grundsteinlegung an, doch passiert ist nichts. Aber man will erneut zuwarten und das Fiasko geht somit in die Verlängerung

Vergangenen Donnerstag stand das Thema wieder auf der Tagesordnung des Gemeinderates. Zum wievielten Male eigentlich? Geladen waren auch VertreterInnen der beiden jüdischen Gemeinden vor Ort. Auf der einen Seite die Jüdische Gemeinde Konstanz (JGK), der eher liberale Flügel, auf der anderen Seite die Israelitische Kultusgemeinde Konstanz (IKG), die man der konservativen Glaubensrichtung zuordnet. JGK und IKG sollen in der neuen Synagoge eine gemeinsame Heimat finden. Der Dachverband IRG (Israelitische Religionsgemeinschaft Baden) tritt als potentieller Bauträger auf, gebärdet sich aber eher als Scheinriese: Je näher er kommt, desto kleiner und auch unglaubwürdiger wird er. Kurzfristig gestärkt fühlen konnte sich die IRG, da der SWR noch vor der öffentlichen Sitzung des Gemeinderates meldete: „Synagoge wird gebaut“.

Wem der Sinn nach totaler Verwirrung stand, der wurde vergangenen Donnerstag bestens bedient. Vertreter der IKG erklärten, die betreffenden Gemeinden seien sich weitestgehend einig, das Grundstück könne der IRG übertragen werden, von Problemen keine Spur. Ruth Frenk von der JGK widersprach umgehend. Die jüdischen Gemeinden in Konstanz seien herzlich in „Unverträglichkeit“ miteinander verbunden und das werde sich wohl auch nicht ändern. Außerdem bemängelte sie, dass die JGK in der geplanten Synagoge nicht genügend Platz habe, von maximal 30 Quadratmetern sei die Rede und das bei einer Mitgliederzahl von rund 180 Personen. Dennoch bat sie darum, mit einer endgültigen Entscheidung über den Neubau der Synagoge noch bis Januar zu warten. Der Hintergrund: Längst verhandelt die JGK mit der IRG über einen monatlichen Zuschuss, der er es ihr ermöglicht, ein eigenes Gebäude für ihre Zwecke anzumieten.

Für die direkt Beteiligten ist anscheinend schon länger klar: Das wird nichts mehr mit einem gemeinsamen Haus, nur der Gemeinderat hat das noch nicht begriffen. Also will die IRG die aufmüpfige JGK per Scheckbuch auslagern, hält aber dennoch fest an einer Synagoge, die dann alleine der IKG, sprich der Familie Nissenbaum und ihren Fußnoten zur Verfügung stünde. Das allerdings widerspricht dem ursprünglichen Ziel, das sich die KommunalpolitikerInnen einst gesetzt hatten. FGL-Rat Peter Müller-Neff erklärte reichlich desillusioniert, er sei über den Zustand der beiden Gemeinden „peinlich berührt“. Seine Fraktionskollegin Dorothee Jacobs-Krahnen indes fabulierte, die beiden Gemeinden seien noch nie „so nah an einer Einigung“ gewesen. Verlegenes Hüsteln und betretenes Schweigen im weiten Rund. Dennoch stimmte eine Ratsmehrheit einer erneuten Vertagung des Langzeitthemas auf Anfang nächsten Jahres zu. Gut` Ding will Weile haben?

Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren von mehreren RätInnen erklärt, man könne sich nicht in innerreligiöse Angelegenheiten einmischen. Doch es geht eben auch um ein mittlerweile völlig verwahrlostes Grundstück im Herzen der Stadt mit einem Schätzwert von rund 620 000 Euro, außerdem hat die Stadt einen Baukostenzuschuss in Höhe von 155 000 Euro in Aussicht gestellt.

Ich bleibe dabei: Sollte auch im Januar keine Einigung zwischen den jüdischen Gemeinden erzielt werden, kann es nur noch eine Forderung geben: Die Verhandlungen mit der IRG sofort abzubrechen und das Grundstück einer alternativen Nutzung zuzuführen. Alles andere wäre spätestens dann nicht mehr vermittelbar. Das Ende einer äußerst geduldigen Fahnenstange ist nicht nur erreicht, sondern bei weitem überschritten.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: H.Reile