Sonneborn und sein Geschäftsmodell Spaßpartei
Donnerstag-Abend. Man betritt „die Gems“ in Singen und wird von einer Horde junger C&A-Sakko-tragender, überwiegend männlicher Mitglieder der Satire-Partei „die Partei“ begrüßt. Vor rund 200 Leuten spricht Martin Sonneborn, Satiriker des Magazins Titanic und qua „Wahlunfall“ Abgeordneter des EU-Parlaments, über Irrungen und Wirrungen im politischen Alltag. Vor allem RechtspopulistInnen bekommen ihr Fett weg
Martin Sonneborn versteht sein Geschäft. Sein trockenes Auftreten erinnert an den Komiker Rüdiger Hoffmann. Im Gegensatz zu dem verzieht er aber kaum die Miene, seine Ruhe wirkt auch nicht übertrieben gespielt. Und auch wenn auf einer Bühne sicher kaum grundängstliche Menschen zu finden sind, bei Sonneborn fällt auf: Seine Satire, seine Aktionen, seine Show – all das lebt von seiner Selbstverliebtheit. „Die Zeit“ bezeichnete ihn als „Krawallsatiriker mit Profilneurose“. Sonneborn gefiel das.
Er kokettiert damit, dass er gerne über’s Ziel hinausschießt. Zwar beleidigen er und seine Partei auch gerne einmal Leute auf Kellerniveau. Doch Sonneborn scheint über einen KünstlerInnenstab zu verfügen, der dem teils plump wirkenden Humor dann doch so etwas wie eine subtil-intellektuelle Note gibt. So hängte „die Partei“, die tatsächlich zu Wahlen antritt, ein Plakat in Hamburg auf mit der Behauptung „Wähler aufgepasst: Ole von Beust ist schwul!“ Nach Androhung rechtlicher Schritte änderte man das Plakat ab. Es lautete dann: „Schwule aufgepasst: Ole von Beust ist in der CDU!“
Sonneborn ist sich für nichts zu fein. Aus dem EU-Parlament tritt er wohl vorerst nicht zurück, dazu scheint es ihm zu sehr Inspiration zu sein, sich als Kleinstpartei im Plenarsaal zwischen den NPD-Politiker Udo Voigt und Marie le Pen von der Front National setzen zu müssen.
„Ein Propagandaabend für seine Partei“, wie er es nennt, war es definitiv. „Er ist gegen Spaßparteien“, entfährt seinem Mund, als er auf sein Verhältnis zur SPD angesprochen wird. Doch gerade der Spaß der Satire-Partei erlaubt es, einen linken, ironischen Blickwinkel auf die Vorgänge in der Welt zu bieten, der verstanden wird. Die Botschaft versandet nicht gleich, da er sich der Schlagworte „Sozialismus“, „Revolution“ oder etwa „Arbeitskampf“ nicht bedienen muss.
Was der Propagandaabend zeigt, ist auch, dass Politik ein Geschäftsmodell ist. Er kritisiert, dass die AfD in der Parteienfinanzierung Gold verkauft und der Umsatz, den sie erwirtschaftet, durch das Parteienfinanzierungsgesetz vom Staat verdoppelt wird. Daher war die Gegenaktion der Partei „die Partei“, einfach Geldscheine mit einem Aufpreis von je fünf Euro zu verkaufen, um ebenfalls „vom Selbstbedienungsladen Parteienfinanzierung“ zu profitieren. „Kauf kein Scheiß – kauf Geld. Mit Geld kann man Bier kaufen“, so die Slogans.
Sonneborn macht keinen Hehl draus: sein Kabarett lebt vom Aktionismus, lebt vom Bloßstellen öffentlicher Personen, die dem schier nichts entgegensetzen können, da er seine Attitüde, Kabarettist zu sein, wie einen Schutzpanzer vor sich herträgt. Konflikte mit der Justiz sind eher Grund für ihn, noch einen draufzusetzen, als den Schwanz einzuziehen. Wer ihm blöd kommt, hat bereits verloren.
Alles in allem: Die fast 17 Euro für eine Normalkarte sind die Lacher und Spitzen eines Prominenten auf jeden Fall wert. Live vorgetragen erzielen seine Pointen das bisschen Extra-Wirkung. Als Wermutstropfen wirken allerdings die vielen Video-Mitschnitte, die Sonneborn im Verlauf seiner Lesung zeigt, die zwar witzig sind, aber der youtube-Generation schon einschlägig bekannt sein dürften. Politik und Kabarett sind immerhin Geschäftsmodelle, die vielfach von Reproduktion leben. So verwundert es auch nicht, dass der Merchandise-Faktor am Abend fast ein wenig aufdringlich daher kommt. Doch neckisch bis zum Schlucken komisch ist das vielfältige Spaßangebot zwischen Baby-Einhörnerkarten, Feuerzeugen und Eintrittsunterlagen in die Partei-eigene „Hintner-Jugend“ (ein Partei-Kollege Sonneborns trägt den Nachnahmen „Hintner“) allemal.
Wer die Chance bekommt, Martin Sonneborn in Aktion zu sehen, sollte sie auf jeden Fall wahrnehmen. Und wem die Politik der etablierten „Spaßparteien“ zu todernst ist, dem bieten die bereits existierenden Zusammenschlüsse der Partei „die Partei“ im Raum Konstanz sicherlich eine Alternative zum grauen politischen Alltag.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: Ryk Fechner, Fotograf: Nik