Viele kleine Fluchten
250. Montagsdemonstration gegen S21: So beharrlich war in Deutschland schon lange keine Protestbewegung mehr. Und noch ist ein Erfolg nicht ausgeschlossen
Sie lassen sich einfach nicht unterkriegen. Rund 7000 GegnerInnen des Großbauprojekts Stuttgart 21 (S21) versammelten sich am vergangenen Montag vor dem mittlerweile halb zerstörten Stuttgarter Hauptbahnhof – zur 250. Montagsdemo seit Beginn der Proteste im Jahr 2009. Dass dieses Mal ein paar Tausend mehr kamen als sonst, lag freilich nicht nur am Jubiläum: Zuvor hatte die Stuttgarter Stadtverwaltung unter dem grünen Oberbürgermeister Fritz Kuhn die Kundgebung in eine schmale Seitenstraße verbannen wollen. Und dann war vor zwei Wochen der «Wasserwerferprozess» eingestellt worden: Die Verantwortlichen des rabiaten Polizeieinsatzes am «Schwarzen Donnerstag» Ende September 2010, bei dem mehrere DemonstrantInnen schwer verletzt wurden, bleiben damit straffrei.
Aber wie geht es weiter? Sicher ist, dass der geplante Tunnelbahnhof mit seinen begrenzten Kapazitäten und schräg gestellten Perrons noch lange nicht realisiert werden wird – trotz aller Bemühungen und Versprechen seiner Betreiberinnen, der Deutschen Bahn AG (DB), der Bundesregierung, der grünen-roten Landesregierung von Baden-Württemberg und der Stuttgarter Stadtverwaltung. Denn «nach Plan», wie DB-Chef Rüdiger Grube vor kurzem versicherte, läuft derzeit gar nichts.
So ist die Planfeststellung, ohne die ein Bauantrag nicht genehmigt werden darf, für wichtige Trassen und Tunnels noch immer nicht abgeschlossen. So fehlt es weiterhin an akzeptablen Brandschutz- und Sicherheitskonzepten. So ist weiterhin ungeklärt, wer die horrenden Zusatzkosten schultert (die Bahn hatte im März 2013 ihre Gesamtkostenprognose von 4,7 auf 6,5 Milliarden Euro erhöht und gibt seither vorsichtshalber keine neuen Schätzungen mehr bekannt). Zudem bleiben elementare Fragen etwa zum Grund- und Mineralwasserschutz unbeantwortet.
Kein Wunder, nehmen Fachleute, die einen Ruf zu verlieren haben, Reißaus. Das war schon früher so, jetzt aber massieren sich die Abgänge: Ende November kündigte Stephan Penn, technischer Geschäftsführer von S21, seinen Vertrag; kurz zuvor hatten sich der Projektleiter Tiefbahnhof und der Leiter der zentralen Baulogistik verabschiedet. Selbst Wolfgang Dietrich, langjähriger S21-Sprecher, mag nicht mehr. Die 251. Demo findet am kommenden Montag statt.
Autor: (pw)
PS: Auf der 250. Montagsdemonstration wurden lesenswerte, teils selbstkritische Reden gehalten, die viele Aspekte des Konflikts und der Bewegung behandelten, darunter von Volker Lösch, Walter Sittler und Egon Hopfenzitz.