Wie lange können wir uns das Orchester noch leisten?
Der aktuelle Wirtschaftsplan der südwestdeutschen Philharmonie mit seinen realistischen Zahlen schafft Klarheit, wie es mit diesem Orchester weitergehen kann. Aber er ist mehr als ein Wirtschaftsplan für 2015 – er bedeutet vielmehr einen Systemwechsel: Die Hoffnung, dass das Orchester einen immer höheren Anteil seines Etats selbst einspielen oder gar Schulden tilgen kann, wird mit diesem Plan endgültig beerdigt
Die städtischen Zuschüsse für das Orchester sollen in den kommenden Jahren drastisch erhöht werden. Konkret heißt das, dass der Zuschuss der Stadt für das Orchester von 2014 bis 2018 jährlich um rund 120 000 Euro steigen und 2018 annähernd drei Millionen Euro erreichen wird. Dazu kommt noch eine Steigerung der Landesmittel um jährlich rund 60 000 Euro auf 2,5 Millionen Euro.
Dem stehen aber nicht etwa rasant wachsende Kartenverkäufe gegenüber. Die Eigenerlöse des Orchesters werden in diesem Zeitraum voraussichtlich von 19,53 auf 18,83 Prozent des Haushaltes sinken. Diese Ehrlichkeit ist begrüßenswert, denn Traumtänzerzahlen würden nur sehr bald in die nächste Katastrophe führen.
Wohin bewegt sich der klassische Konzertbetrieb in Konstanz und anderswo?
Liest man die Statistiken des Deutschen Musikinformationszentrums, wird klar: Das erlahmende Publikumsinteresse ist kein Konstanzer Problem, sondern: Der zweite Name des Klassikbetriebs ist „Krise“. Eine aktuelle Studie der Uni Wien stellt fest: „Die Klassische Musik ist im Begriff, einen musealen Charakter zu bekommen. Die Folgen wie die Überalterung des Publikums und das Desinteresse nachfolgender Generationen sind inzwischen unübersehbar.“
Die Generation Smartphone langweilt sich in klassischen Konzerten, die heute noch genauso aufgeführt werden wie vor 150 Jahren. Intendantenlegende Gerard Mortier forderte nicht umsonst bei seinem Abschied aus Salzburg: „Wir müssen in Zukunft völlig neu denken, was das Konzert sein könnte.“ Die jüngere Generation wird sich auch in 20 Jahren nicht für das hergebrachte Konzert interessieren, und auch wer als Kind ein Schülerkonzert erlebt hat, wird dadurch noch lange nicht zum Konzertgänger.
Gibt es Alternativen zu ständig höheren Subventionen?
Sollen wir trotzdem in den nächsten Jahren und Jahrzehnten einen immer größeren Teil der immer knapper werdenden städtischen Kulturmittel in das Orchester investieren? Das sollte der Gemeinderat nur bestens informiert tun. Deshalb ist es angebracht, sehr bald eine grundsätzliche Debatte über die Zukunft des Orchesters zu führen. Es ist Aufgabe des Intendanten Beat Fehlmann, der übrigens eine hervorragende Arbeit leistet, dem Gemeinderat und auch der Öffentlichkeit bei dieser Gelegenheit seine Sicht auf die Zukunft des Klassikbetriebs darzulegen. Viele Klangkörper stehen vor ähnlichen Problemen, und es wäre interessant zu wissen, ob andernorts Alternativen zu einer ständigen Erhöhung der öffentlichen Zuschüsse gefunden wurden, sei es durch Strukturveränderungen, sei es durch eine Erhöhung der Einnahmen.
Die Entscheidung, das Orchester – auch auf Kosten anderer Kulturinstitutionen – derart massiv zu subventionieren, kann nur mit klarem Blick auf die kulturellen und finanziellen Folgen und mögliche Alternativen getroffen werden. Nur mit diesem Wissen könnte dann gegen Ende 2015 der nächste Wirtschaftsplan der Philharmonie für 2016 beraten und beschlossen werden. Alles andere wäre fahrlässig und den BürgerInnen auch nicht zu vermitteln.
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Autor: H.Reile
Die Philharmonie ist wohl die heiligste Kuh der Stadt. Turbulenzen zum hoch überzogenen Haushalt der Philharmonie und den so produzierten Schulden wurden bereits nach kurzer Zeit vergessen und Entscheidungen zum auferlegten Sparen und Kürzung der Subventionen anulliert. Man setzte auf Beruhigung und hat so den Zeitfaktor erfolgreich eingesetzt. Unsere Exponaten im Gemeinderat scheinen anhand von bisherigen Entscheidungen eher zum persönlichen Fan-Kreis der Philharmonie zu gehören und repräsentieren hier wohl nicht die Mehrheit der Bürgerschaft.
Wie sich zeigt, sitzt noch mindesten zwei Drittel der ehemaligen Stadträte in dieser Entscheidungsfunktion, die ihre Aufsichtspflicht im Orchesterausschuss vernachlässigt hatten. Man muss sich fragen, was sich bei weiteren Entscheidungen zu Gunsten der Philharmonie ändern soll. Die Forderung „Das sollte der Gemeinderat nur bestens informiert tun“ ist wahrhaftig von höchster Wichtigkeit. Eine kritische „Sicht auf die Zukunft des Klassikbetriebs“ wird wohl der Intendant seinem Berufsstatus entsprechend nur positiv sehen.
Wie weit die letzte Schuldenkrise der Philharmonie überdeckt werden soll, habe ich als mitzahlender Bürger dieser Schulden selbst erfahren, als ich nach den juristischen im Sand verlaufenden Urteilen gegen die ehemaligen Führungspersonen der Stadt, das Ergebnis des Untersuchungsbericht vom Regierungspräsidium einsehen wollte. Die Einsichtnahme wurde mir aus „Datenschutzrechtlichen Gründen“ verweigert.
Nicht auszudenken, in Konstanz wäre vor diesem Hintergrund ein hochmoderner Konzertsaal gebaut worden. Es ist nahezu ein Wunder und nur der umtriebigen Art des Theaterintendanten geschuldet, dass die Konstanter Bühne (noch) nicht vor ähnlichen Problemen steht. Lassen sich für Orchester und Theater nicht vermehrt Synergien der Zusammenarbeit finden, beispielsweise moderne Musicals? Braucht es ein Orchester in Grossbesetzung mit diesem Personaletat (Tariflöhne, Sozialversicherungsabgeben etc.)? Liessen sich für grössere Stücke nicht besser Musiker auf Honorarbasis einkaufen?