Ach, Almanach
Der neue Almanach ist kürzlich erschienen und gilt, so die Bezeichnung der Redaktion, als „illustriertes Jahrbuch der Stadt Konstanz“. Klingt gut und macht auch neugierig, aber wenn man die Inhalte genauer unter die Lupe nimmt, fällt das Urteil über diese Publikation eher ernüchternd aus und manches hätte man vor Drucklegung besser dem Papierkorb anvertraut
Zum 61. Mal ist nun der Almanach auf dem Markt und kann im Buchhandel für 7,95 Euro erstanden werden. Verlegt wird das knapp 100 Seiten starke Büchlein vom Stadler Verlag, der dafür von der Stadt einen Produktionskostenzuschuss über rund 7000 Euro erhält. Die aktuelle Ausgabe beläuft sich laut dem städtischen Pressesprecher Walter Rügert, der den Almanach zusammen mit Martina Keller-Ullrich redaktionell betreut, auf rund 2000 Exemplare. Nach Fertigstellung übernimmt die Stadt in der Regel bis zu 500 Exemplare, für die sie pro Stück nochmal vier Euro an den Verlag überweist. Gratis weitergegeben wird das städtische Kontingent bei Empfängen, an ehemalige KonstanzerInnen, die mittlerweile im Ausland leben, und auch an alle GemeinderätInnen.
Alter Käse, nochmal aufgewärmt
Die aktuelle Ausgabe bietet leider kaum etwas, was man nicht schon zigmal, mal kürzer, mal länger, irgendwo anders hat lesen können. Auffällig zudem, dass neben Oberbürgermeister Uli Burchardt auch nahezu alle AmtsleiterInnen Jubelarien über die Projekte abfassen durften, für die sie in der Verantwortung stehen. So legt Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn erneut die kommende Aufhübschung der Altstadt dar, Kulturbürgermeister Andreas Osner schwadroniert reichlich lieblos über die Wertigkeit von Kultur, Ruth Bader preist beseelt den gigantischen Erfolg des Konziljubiläums – Selbstbeweihräucherung und Bauchpinselei im Überfluss tropfen aus nahezu allen Zeilen.
Freibrief für den Oberbürgermeister
Gerade diesen Texten hätte eine redaktionelle Bearbeitung – die offensichtlich nicht stattgefunden hat – gut getan. Schreibt doch OB Burchardt höchstselbst zum Thema Handlungsprogramm Wohnen und fängt folgendermaßen an: „Konstanz ist eine lebenswerte Stadt für alle. Eine Stadt, die Platz für jeden bietet und zwar unabhängig von Alter, Herkunft oder Einkommen“. Nein, soviel Verkennung der Tatsachen macht keineswegs Lust auf mehr. Es wäre Aufgabe von Rügert und Keller-Ullrich gewesen, den Text unter journalistischen Standards zu beleuchten. Da aber Burchardt auch Rügerts Dienstherr ist, wird’s schwierig. Wer hat schon die Traute, seinem Chef zu erklären, dass er nicht schreiben kann oder sogar groben Unfug verbreitet? Wahrscheinlich ist auch der Beitrag Rügerts über das Centrotherm, „Die Chance am Seerhein“, diesem in der Tat heiklen Verhältnis geschuldet. Weiß man doch, dass Burchardt das Vorhaben am Seerhein wider besseres Wissen zum Jahrhundertprojekt hochjubelt. Zwischen den Zeilen hört man den Pressesprecher der Stadt Konstanz ganz leise mit den Zähnen knirschen.
Überwiegend journalistische Magerkost
Und weiter geht es mit PR in Reinform. Dem Verlag Stadler ist ein wohlwollender Artikel von Martina Keller-Ullrich gewidmet, die damit wohl ihre Weiterbeschäftigung beim Almanach gesichert hat. Ähnlich kommt die Ergebenheitsadresse, die mit ernsthaftem Journalismus rein gar nichts zu tun hat, an das LAGO daher. Dessen Manager Peter Hermann wird es wohl gerne gelesen haben, dass Autorin Anja Fuchs seinen Konsumtempel als das „größte und attraktivste Einkaufszentrum der Region Bodensee“ bezeichnet und den Laden in den höchsten Tönen preist. 50 000 BesucherInnen an Spitzentagen – ein Ketzer, der daran etwas auszusetzen hat.
Die wenigen Ausnahmen
Interessante und gut geschriebene Texte, obwohl auch die schon in anderen Medien mehrfach nachzulesen waren, kann man an einer Hand abzählen. Dazu gehören die Beiträge von Tobias Engelsing über Jan Hus, seine Ankündigung über eine bevorstehende Ausstellung im Rosgartenmuseum über das jüdische Konstanz und auch auch ein Beitrag von Sigmund und Waltraud Liebl-Kopitzki. Das Autorenpaar beleuchtet nochmals das Theaterstück zum Konziljubiläum von Theresia Walser und Karl-Heinz Ott und läßt dabei löblicherweise dessen Vorgeschichte nicht außer Acht. Ebenso lesenswert Ralf Baumanns „Konstanzer Kinogeschichte in fünf Akten“ und Rene Hornungs Rückblick auf die „Gemeinsame Industriegeschichte an der Grenze“. Das war es dann aber auch. Höchst ärgerlich ist außerdem, dass in beinahe allen Texten der Fehlerteufel sein Unwesen treibt. Ein vernünftiges Lektorat wollte sich der Verlag wohl nicht leisten.
Fazit: Die Stadt sollte sich überlegen, ob sie auch weiterhin bis zu 10 000 Euro investiert, um als Gegenleistung ein Produkt zu bekommen, auf das man schlichtweg verzichten kann.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: H. Reile