Kreistag stimmt für Abschiebung

Kaum zu glauben, was in der gestrigen Sitzung des Konstanzer Kreistages zu hören war, als es um eine Resolution zum winterlichen Abschiebestopp für Asylbewerber ging: „Das brauchen wir nicht“ oder „froh über jeden freien Platz in der Flüchtlingsunterkunft“ und „die Regeln müssen eingehalten werden.“ Die bürgerliche Mehrheit lehnte eine solche Resolution (s. Infokasten) dann auch ab – ein Signal an die morgige Demo: Konstanz ist bunt?

Im Vorfeld der Kreistagssitzung war gemunkelt worden, die SPD-Fraktion wolle den Punkt „Abschiebestopp“ von der Tagesordnung absetzen lassen – wie bereits in der Dezember-Sitzung, als CDU-Chef Burchardt und Landrat Hämmerle das Thema schon einmal verschoben hatten (seemoz berichtete). Ein weiterer Aufschub auf die nächste Sitzung am 23.3. wäre nun wirklich unsinnig gewesen – dann ist der Winter vorbei.

Die Resolution war von der Linken eingebracht worden, und Marco Radojevic begründete sie wortreich. Er verwies auf die humanitäre Not der Flüchtlinge, erinnerte an die hehren Worte, die bislang im Kreistag zur unerträglichen Situation der Asylbewerber angestimmt wurden und verwies darauf, dass etliche Kreis- und Gemeinderatsgremien, darunter auch der Konstanzer Gemeinderat, ähnlich lautende Erklärungen längst verabschiedet hatten. Eine Zustimmung, so Radojevic, würde zudem als positives Signal zur Mittwoch-Demo „Konstanz ist bunt“ verstanden werden.

Resolution Abschiebestopp: Der Kreistag des Landkreises Konstanz fordert das Land Baden-Württemberg auf, einen sofortigen, umfassenden Winterabschiebestopp zu erlassen, ähnlich den Regelungen in Schleswig-Holstein und Thüringen. Abschiebungen im Winter gefährden ganz konkret Gesundheit und Leben der abgeschobenen Flüchtlinge, da diese meist in extremer Armut am Rande der Gesellschaft leben und dabei häufig direkt in die Obdachlosigkeit abgeschoben werden. Das Innenministerium muss bis zum 31.03.2015 die Abschiebungen in 15 Länder aussetzen. Dazu gehören die Balkanländer, aber auch Afghanistan, Russland, Armenien, die Ukraine, Aserbaidschan, der Irak, Iran, die Türkei und Pakistan. Für Flüchtlinge aus Syrien gilt bundesweit ein Abschiebeschutz.

In der anschließenden Diskussion erwies sich Frank Hämmerle (CDU) als Anhänger einer konsequenten Abschiebepolitik: „Ich bin froh über jeden freien Platz in der Flüchtlings-Unterkunft“. Und SPD-MdL Hans-Peter Storz legte nach: „Einen generellen Abschiebestopp brauchen wir nicht, die Einzelfallprüfung muss genügen.“ CDU-MdL Wolfgang Reuther setzte noch einen drauf: „Wir müssen uns für die Asylbewerber einsetzen, die unsere Hilfe wirklich brauchen“. Und überhaupt würden 60 Prozent der geplanten Abschiebungen gar nicht durchgeführt. Jürgen Leipold (SPD) meinte, einmal erlassene Regeln müssten eingehalten werden.

Einzig Grünen-MdL Siegfried Lehmann sprach sich neben den Linken „aus humanitären Gründen“ für die Resolution aus. Eindrucksvoll, wie er von Erfahrungen seiner Familie berichtete, die mehrfach vom Flüchtlings-Schicksal betroffen war und unter fehlender Integrations-Bereitschaft der deutschen Bevölkerung leiden musste.

Am 20. Januar 2015 gab es in Baden-Württemberg erneut eine Abschiebung von 140 Geflüchteten nach Serbien und Mazedonien. In den beiden Ländern des ehemaligen Jugoslawiens wartet auf die Menschen ein Leben in Armut, ohne staatliche Unterstützung. Nach Angaben von Amnesty International sind insbesondere Roma und sexuelle Minderheiten in beiden Ländern erheblichen Diskriminierungen ausgesetzt und werden kaum oder gar nicht von staatlicher Seite geschützt.

Immerhin 17 KreisrätInnen – neben Grünen und Linken nur zwei SPD-Kreisrätinnen und wenige Freie Wähler – votierten für die Resolution, während sich aber die bürgerliche Mehrheit bei fünf Enthaltungen dagegen aussprach. Für die sozialdemokratischen Jungsozialisten (Jusos), die für die morgige Demonstration unter dem Motto „Konstanz ist bunt“ verantwortlich zeichnen, ist das sicher kein ermutigendes Signal.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: hpk

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