Seine Reden bringen Westerwelle ins Gerede

Stolz verkündet die IHK einen prominenten Gast: Guido Westerwelle, FDP-Vorsitzender und Außenminister, ist am 21. Januar Gastredner beim gemeinsamen Neujahrsempfang von Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer (IHK) im Konstanzer Konzil. Westerwelle, www-weit wegen seiner „überschäumende Persönlichkeit“ aktuell im Gerede, gerät seiner Reden wegen allerorten ins Gerede, wie eine aktuelle Presse-Information von abgeordnetenwatch.de verrät.

„Die Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG) und ihre Tochtergesellschaft “Allfinanz” sind seit Jahren bedeutende Großspender von CDU und FDP. Allein in den Jahren 2000 bis 2009 flossen nach Angaben des Portals parteispenden.unklarheiten.de 1.558.971 Euro an die beiden Parteien, wovon die CDU etwa zwei Drittel erhielt und die Liberalen das übrige Drittel.

Nun hat die FDP erneut eine Spende von der DVAG erhalten, die insgesamt dritte seit Juli diesen Jahres. Am 9. November gingen 60.000 Euro auf dem FDP-Konto ein, zuvor waren es 65.000 Euro (August) und 75.000 Euro (Juli) gewesen. Vor dem Hintergrund der Großspenden an die Liberalen gerät eine DVAG-Veranstaltung ins Blickfeld, zu der das Unternehmen 15.000 ihrer Angestellten in die Kölner Lanxess-Arena geladen hatte.

Schumacher, Rehhagel und Löw kassieren mit

Auf Facebook feiert DVAG ihren “Vermögensberatertag” begeistert als die “größte nicht-öffentliche Veranstaltung des Jahres”, im Unternehmensblog ist von einer “unschlagbaren” Ansammlung von Ehrengästen die Rede. In der Tat. Zu den versammelten Vermögensberatern sprach die “‘Creme de la Creme’ des deutschen Leistungssports”: Formel 1-Rekordweltmeister Michael Schumacher, Bundestrainer Joachim Löw, dessen Co-Trainer Hansi Flick, Ex-Nationalspieler Stefan Kuntz, Trainer-Ikone Otto Rehhagel, Fechtolympiasiegerin Britta Heidemann und Schimmweltmeister Paul Biedermann – allesamt Werbeträger der Deutschen Vermögensberatung AG. Den prägendsten Eindruck hinterließ allerdings jemand anderes: Guido Westerwelle.

Dieser war als “Außenminister der Bundesrepublik Deutschland” gekommen, wie DVAG-Vorstandsmitglied Helge Lach im Unternehmensblog schreibt. Als solcher habe Westerwelle “eindrucksvoll unterstrichen, wie wichtig es ist, dass sich in unserem Land Leistung lohnen muss”. Auch in einer DVAG-Broschüre (“Unser Weg”) wird Wert darauf gelegt, dass es der “Vizekanzler und Außenminister der Bundesrepublik Deutschland” war, der es sich “nicht nehmen ließ, eigens aus Berlin einzufliegen, um den annähernd 15.000 Vermögensberatern seine Positionen zu verdeutlichen.”

Man fragt sich allerdings schon, warum ein Bundesaußenminister und Vizekanzler bei einem von Johannes B. Kerner moderierten Firmenevent, bei dem ansonsten zahlreiche Werbepartner des Unternehmens auftreten, 15.000 anwesenden Vermögensberatern “seine Positionen” verdeutlicht. In einem Firmenvideo (“DVAG VB-Tag 2010 – Highlights”) ist zu sehen, wie Westerwelle und andere Gäste beim Einzug in die vollbesetzte Arena begeistert empfangen werden, für Westerwelle gibt es stehende Ovationen. “Großer Beifall” schlägt dem Außenminister und Vizekanzler laut DVAG-Broschüre später auch für seine Rede entgegen. “Leistung”, so Westerwelle, “muss sich lohnen. Leistung muss gefördert werden. Ein Land kann sich Sozialleistungen für die Schwächeren nur dann leisten, wenn die anderen dies erwirtschaften. Sie als Vermögensberater und selbstständige Unternehmer sind erstes Vorbild, wenn es darum geht, Leistung zu zeigen. Und Ihr Unternehmen, die Deutsche Vermögensberatung, macht wie kaum ein anderes Unternehmen vor, wie Leistung gefördert und honoriert wird. Deshalb sind Sie alle so erfolgreich.”

Es ist nicht das erste Mal, dass Guido Westerwelles Kontakte zu FDP-Großspendern aus der Wirtschaft zum Thema werden. Anfang des Jahres war dem Außenminister, Vizekanzler und FDP-Parteivorsitzenden vorgeworfen worden, er wisse Regierungs- und Parteigeschäfte nicht hinreichend zu trennen. Damals waren mehrere befreundete Unternehmer im Tross des Ministers nach Asien mitgereist, darunter der FDP-Großspender Cornelius Boersch.

Ein bescheidenes Zubrot für Ex-Politiker

Westerwelles Auftritt beim DVAG-”Vermögensberatertag” verdient auch deswegen Beachtung, weil der FDP-Chef bis zu seiner Ernennung zum Bundesaußenminister selbst auf der Gehaltsliste der DVAG stand. Westerwelle, der dem Finanzdienstleister seinerzeit beratend zur Seite stand, darf als Regierungsmitglied inzwischen keinen bezahlten Nebentätigkeiten mehr nachgehen.

Die Deutsche Vermögensberatung AG unterhält seit langem enge Beziehungen in die Politik. In Vorstand, Aufsichtsrat und Beirat der DVAG sitzen zahlreiche ehemals aktive und hochrangige Unions-Leute, die noch immer über gute Verbindungen in die aktive Politik verfügen dürften. Vorsitzender des Aufsichtsrats ist z.B. der frühere Kanzleramtschef Friedrich Bohl, außerdem gehört dem Gremium der ehemalige Finanzminister Theo Waigel an. An der Spitze des DVAG-Beirats steht Altkanzler Helmut Kohl, ein Freund von Unternehmensgründer Reinfried Pohl.

Weitere Berater sind der frühere Vize-Kanzleramtschef Horst Teltschik, der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen und Rheinland-Pfalz, Bernhard Vogel, sowie die Oberbürgermeisterin von Frankfurt, Petra Roth. Im DVAG-Vorstand sitzt der langjährige hessische Wissenschaftsminister Udo Corts, nun zuständig für Unternehmenskoordination, -kommunikation und Recht. Das gesamte politische Netzwerk der Deutschen Vermögensberatung hat die ‚Wirtschaftswoche‘ vor einiger Zeit in einem Beziehungsdiagramm veranschaulicht.

Bedingungslose Kapitulation vor den Anbietern von Finanzprodukten”.

Bei soviel Nähe zwischen DVAG und Politik lohnt sich ein zweiter Blick auf die Parteispenden der Deutschen Vermögensberatung. DVAG-Vorstandsmitglied Helge Lach begründet die Zuwendungen mit der “gesellschaftlichen Verantwortung” seines Unternehmens. Die Deutsche Vermögensberatung habe “regelmäßig an Parteien gespendet”, dabei seien “nicht nur die CDU und FDP berücksichtigt” worden, schreibt Lach im Kommentarbereich des firmeneigenen Blogs. Zumindest für die Jahre 2000 bis 2010 sind in den Rechenschaftsberichten der Parteien allerdings keine meldepflichtigen Spenden über 10.000 Euro an eine andere Partei als CDU und FDP zu finden.

Die jüngsten DVAG-Spenden an CDU und FDP erfolgten im zeitlichen Umfeld einer Gesetzesinitiative, mit der die Bundesregierung den Anlegerschutz stärken will. Vor eineinhalb Jahren klagte DVAG-Gründer Reinfried Pohl, sein Unternehmen werde immer stärker durch politische Vorgaben beeinträchtigt. Mit dem Gesetzentwurf, über den derzeit im Bundestag beraten wird, könnten bald neue politische Vorgaben auf Finanzdienstleister wie die DVAG oder MLP zukommen. Finanzminister Wolfgang Schäuble will zum Beispiel Falschberatungen durch Finanzdienstleister “entgegenwirken”.

Nach Auffassung der Opposition ist die Branche hinter den Kulissen bereits äußerst aktiv – und erfolgreich. Die SPD spricht im Zusammenhang mit dem Anlegerschutzgesetz von einer “bedingungslosen Kapitulation vor den Anbietern von Finanzprodukten”. Zahllose Interessengruppen, so SPD-Finanzexperte Carsten Sieling, hätten die ursprünglichen Vorschläge “entschärft und verwässert”, bevor der Deutsche Bundestag sie jetzt zu Gesicht bekommen habe.

Und so blicken die Bürger dieser Tage auf eine etwas unübersichtliche Gemengelage. Der Deutsche Bundestag berät über einen Gesetzentwurf, der die Finanzdienstleister direkt betrifft. Die Deutsche Vermögensberatung AG schüttet in zehn Monaten 400.000 Euro an die Regierungsparteien aus. Und der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland ist Ehrengast beim DVAG-”Vermögensberatertag” und legt seine Positionen zum Thema “Leistung” dar.

Bei einigen Zuhörern hat Westerwelles Vortrag bleibenden Eindruck hinterlassen. Im Kommentarbereich des DVAG-Blogs ist von einer “super Rede”, von einem “Highlight des Tages” zu lesen, jemand lobt die “wahren Worte” des Gastredners. Ein anderer Kommentator schreibt: “Herr Westerwelle hat sicherlich den ein oder anderen Wähler durch seine wirklich hervorragende Rede dazu gewonnen.”

Ob das Herrn Westerwelle auch in Konstanz gelingt? seemoz jedenfalls wird genau hinhören – und berichten.

Autor: abgeordnetenwatch.de/hpk