Wohnraum-Spekulanten unter sich?
Eine unendliche Geschichte – der Streit um die Zweckentfremdung von Wohnraum in Konstanz. Unendlich, weil Herbert Weber nicht locker lässt: Trotz zweier Fehlstarts hakt der SPD-Stadtrat und Vorsitzende des Mieterbundes immer wieder nach. Denn es geht ihm nicht nur um die Abschaffung von Ferienwohnungen, wie seine Gegner unterstellen, sondern um Wohnraum, mit dem die Wohnungsnot gemildert werden könnte
Ein Beispiel, von seemoz vor fast einem Jahr ausgegraben: Ein Wohnblock in der Niederburg (s. Foto) wird aufgekauft – aus den Wohnungen der langjährigen Mieter sollen Ferienwohnungen entstehen, seit Monaten allerdings stehen verschiedene Wohnungen nur leer, unklar, was daraus werden soll. Anderes Beispiel: Ein Anbieter von Ferienwohnungen aus der Konradigasse, auch in der Konstanzer Niederburg, bietet im Umkreis von 200 Metern drei luxuriöse Ferienwohnungen an. Beide Vermieter müssen nicht von der Vermietung leben, wie immer wieder behauptet wird, sondern spekulieren schlicht mit Wohnraum und entziehen dem Wohnungsmarkt attraktive Unterkünfte, nach denen sich Mieter die Finger lecken würden. 700 solcher Wohnungen soll es in Konstanz geben.
Schwänzer im Gemeinderat
Dem wollen Stadtverwaltung und etliche GemeinderätInnen endlich einen Riegel vorschieben. Schon im Mai 2014 hatte eine bürgerliche Mehrheit im Gemeinderat den Antrag nur deshalb knapp ablehnen können, weil verschiedene Stadträte auf der linken Seite des Ratssaals die Sitzung schwänzten, jetzt – im neu gewählten Gemeinderat – erhoffen sich die Befürworter eine Mehrheit.
Immerhin steht die SPD-Fraktion wohl geschlossen hinter ihrem Haudegen Herbert Weber, die LLK streitet seit jeher für Wohnraumbeschaffung, das Junge Forum scheint noch unentschieden und die FGL will einheitlich für den Vorschlag einer neuen Satzung stimmen. Bis auf ihren Sprecher Günter Beyer-Köhler, der als Vorstandmitglied im Hauseigentümerverband Haus und Grund in Konflikt gerät: Man sollte ihm raten, aus Gründen der Befangenheit auf die Abstimmung zu verzichten.
Feuerwehrleute im Stau
Doch es geht nicht allein um Ferienwohnungen. Auch die Umwidmung von Wohnraum in Praxen, Kanzleien oder Büros soll untersagt werden. Dem kann jeder Altstadt-Bewohner nur zustimmen, der sich darüber ärgert, dass sich in seinem Quartier immer mehr Steuerberater, Anwälte und Heilpraktiker mit weiträumigen Büros breit machen.
Wohnungssuchende hingegen werden, wenn sie denn überhaupt eine Bleibe finden, in die Randgemeinden abgedrängt. Auch dazu ein Beispiel: Feuerwehrleute, die 15 Minuten nach dem Alarm am Brandort sein sollen, können dieses Limit nicht mehr einhalten. Denn die Wohnung in Konstanz können sie sich nicht mehr leisten und selbst nachts ist die Anfahrt vom neuen Wohnort in der Randgemeinde nicht in einer Viertelstunde zu schaffen – und tagsüber warten sie im Stau.
Frage der Glaubwürdigkeit
Wenn heute im Konstanzer Gemeinderat (Tagesordnungpunkt 3.5. dürfte nicht vor 16.30 aufgerufen werden) das Thema diskutiert wird, sollte sich zeigen, wie ernst OB und Fraktionen ihr so hoch bejubeltes Aktionsprogramm Wohnen wirklich meinen. Denn wer die Wohnungsnot beklagt und gleichzeitig die Zweckentfremdung von Wohnraum zulässt, ist schlicht unaufrichtig. Und so mausert sich diese Abstimmung zu einer Frage der Glaubwürdigkeit. Oder bleiben die Wohnraum-Spekulanten im Gemeinderat unter sich?[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: hpk
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Machen Sie doch bitte die Stadträte öffentlich, welche gegen das Verbot stimmen. Drohen Sie es zumindest an, damit sich etwas bewegt. Der Bürger hat ein Recht darauf zu erfahren, wer ihm das Wasser abgräbt.
In den Vororten stehen im Winter so viele Wohnungen leer, daß man sich schon einsam vorkommt. In der Sigismundstraße hat es jetzt ein ganzes Haus mit Ferienwohnungen. Das macht leider Schule.