Es geht um mehr als Ferienwohnungen
Ganz neue Töne im Konstanzer Finanzausschuss: Die FDP als Verteidiger der sozial Schwachen, die CDU, die „kein Sylt am Bodensee“ will und ein FGL-Stadtrat, dem seine Befangenheit schnurz ist. Möglich macht das die Debatte um die Zweckentfremdung von Wohnraum, die in diesem Jahr schon in dritter Fortsetzung die Gremien beschäftigt
„Das ist nun wirklich keine Revolution auf dem Wohnungsmarkt“ rief Stephan Kühnle (FGL) seinen KollegInnen zu. „aber jedes Mittel ist recht, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen“. Dem schloss sich der Antragssteller Herbert Weber (SPD) an, als er darauf verwies, dass die Umnutzung von Ferienwohnungen gar nicht das Hauptproblem sei: „Es geht um jahrelangen Leerstand, um Wohnungen, aus denen unversehens Büros oder Praxen werden.“
Auf solche Fälle hatte zuvor schon Holger Ratzel, stellvertretender Leiter des Freiburger Baurechtsamtes, hingewiesen, der von positiven Erfahrungen seit einem Jahr Zweckentfremdungsverbot berichtete: „In diesem Jahr sind 150 Anzeigen erfolgt, wurden 120 Fälle bearbeitet und zahlreiche Wohnungen geschaffen“. Ähnlich positiv der Erfahrungen von Udo Casper, Landesgeschäftsführer des Mieterbundes, der aus Stuttgart berichtete, und zudem nachwies, dass vom Bundesverfassungsgericht höchstrichterlich entschieden worden ist, das durch eine Satzung der Zweckentfremdung kein Eingriff auf den Eigentumsbegriff stattfinde.
Das focht Thomas Daiger vom Konstanzer Verband „Haus und Grund“ nicht an, erneut die Leier vom „unangreifbaren Eigentum“ anzustimmen und Roger Tscheulin (CDU) setzte noch einen drauf, als er zum hundertsten Mal das Klagelied von der „überbordenden Bürokratie“ sang – wann immer den Konservativen nichts mehr einfällt, ob beim Mindestlohn oder im Wohnungsbau, kommt die Bürokratie-Keule daher. Allerdings musste er sich von SPD-Stadtrat Weber vorwerfen lassen, noch im Wahlkampf gegen ein „Sylt am Bodensee“ gewettert zu haben. „Wie passt das zusammen?“ Tscheulin hatte keine Antwort. Aber wie Johann Hartwich (FDP) auf die Idee kommt, das Zweckentfremdungsverbot könnte sozial Schwache benachteiligen, hat wohl er selbst nicht verstanden.
So wurden von Gegnern und Befürwortern die sattsam bekannten Argumente aufgewärmt, ohne irgendjemanden von seiner Position abzubringen. Das Abstimmungsergebnis war dann auch entsprechend: Während sich der Finanzausschuss mit 7:6 Stimmen gegen den Vorschlag aussprach, votierte der Technische Ausschuss mit 7:6 Stimmen dafür. Eine solche knappe Entscheidung dürfte auch in der nächsten Gemeinderatssitzung anstehen – wenn, ja wenn der CDU nicht erneut eine Verzögerungstaktik einfällt.
Pikant übrigens: Die Mehrheit von nur einer Stimme kam durch Günter Beyer-Köhler (FGL) zustande, der auch dem Vorstand von „Haus und Grund“ angehört, und sich weigerte, dies als Befangenheit zu werten und deshalb an der Abstimmung nicht teilzunehmen.
Peinlich übrigens: Die Stadtverwaltung kann keine Zahlen über Leerstand sowie über die Anzahl von Ferienwohnungen vorweisen. Axel Mothes, Leiter des Baurechtsamtes, wirkte bei dieser Aussage übrigens nicht sonderlich überzeugend.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: hpk
Auch das FGL-Mitglied im Kreistag (z.B. Bauausschuss), Birgit Brachat-Winder bietet Wohnraum als Ferienwohnungen an, obwohl eine Umwidmung ausdrücklich untersagt worden war. Als FGL-Mitglied, Schuldnerberaterin und Hausverwalterin weiß sie eben, was Konstanz braucht und dass die Aussagen ihrer eigenen Partei ohne Konsequenzen mit Füßen getreten werden dürfen.
Wie schön dagegen ist es, wenn Parteien ganz offen vornherum sagen, wie sehr ihnen die (Wohnungs-)Not der Mitmenschen ganz offiziell am Steven vorbeigeht. So weiß man wenigstens, wen man garantiert nicht wählen kann.
Dass aber das Baurechtsamt keine zuverlässigen Zahlen hat, wundert mich nicht. Zum Einen sind mit Sicherheit nicht alle Ferienwohnungen gemeldet und ehrlich versteuert, zum Zweiten kann niemand kontrollieren, wer die 6 Monate tatsächlich einhält. Durch solche schwammigen Bestimmungen sind jedem Betrug Tür und Tor geöffnet und das Baurechtsamt hat nahezu keine Handhaben gegen diese grassierende Seuche. Warum sich also die Mühe einer Erfassung machen?
Ich habe mir mal den Spaß gegönnt und geschaut, wie viele Ferienwohnungen allein am Seerhein angeboten werden. Da wundert man sich glatt über Südkurier-Artikel, wonach Anwohner vom Seerhein Klage über den Krach des Partyvolkes führen – eher möchte man meinen, dort könnten ausschließlich Ferienwohnungsvermieter protestieren, die Angst davor haben, ihre Kunden zu verlieren.