Wer wird denn da eine ruhige Kugel schieben?

In der Bürgerfragestunde der Gemeinderatssitzung am Dienstag deutete es sich schon an: Im Haidelmoos herrscht Unmut, denn in der dortigen Kleingartenanlage soll der Boule-Club Konstanz eine neue Heimat finden, nachdem sein Stammplatz in der Pestalozzistraße am Petershauser Bahnhof für die Gemeinschaftsschule benötigt wird. Außerdem wollte ein Bürger wissen, ob die Stadt Geschäfte mit einem ortsansässigen Sicherheitsunternehmen macht

Die Firma Exop, in der Konstanzer Byk-Gulden-Straße ansässig, hilft laut ihrer Homepage Firmen, Behörden und Organisationen „mit professionellen Risikomanagementlösungen für Geschäftstätigkeiten im Ausland […], 24/7 Assistance-Services, Traveller Tracking und professionellem Krisenmanagement“. Ihr Firmenlogo schreibt das „o“ in „Exop“ etwa wie die Markierung, die man in einem Zielfernrohr sieht, und sie bildet auf ihrer Homepage eine Karte von Syrien ab, auf der einige Konfliktherde werbeträchtig mit Symbolen von Explosionen markiert zu sein scheinen. Für den Laien hören sich die begleitenden Werbetexte ziemlich unverständlich an, rufen aber Bilder von Kriegseinsätzen und käuflichen harten Männern in Tarnkleidung wach. Da kam es wohl nicht von ungefähr, dass ein Student in der Bürgerfragestunde von der Verwaltung wissen wollte, ob die Stadt Konstanz, in der es ja dankenswerter Weise kein produzierendes Waffengewerbe gebe, irgendwelche Einsichten in die Tätigkeiten dieses Unternehmens habe und ob sie irgendwelche Geschäfte mit diesem Unternehmen und/oder etwaigen Unternehmenstöchtern tätige. Man versprach ihm schriftliche Auskunft.

Lärm und Dreck?

Als absolut friedliche Betätigung hingegen gilt das Boulespiel, bei dem (so will es das Klischee) gelassene ältere Männer in weiten Hosen und mit einer filterlosen Zigarette im Mund auf baumumkränzten, sonnendurchflirrten Dorfplätzen mit einer Metallkugel nach anderen Metallkugeln werfen, während sie über Existenzialismus, Frauen und Rotwein fachsimpeln. Boule ist also kein Sport, mit dem man gemeinhin lärmende Horden und Blechlawinen verbindet – sofern man nicht Anwohner eines geplanten neuen Boule-Platzes ist. Nachdem der erste Anlauf von Stadt und Verein, einen solchen Platz im Schwaketengebiet zu errichten, am Widerstand der dortigen Einwohner scheiterte, macht jetzt das Haidelmoos mobil gegen Spaß und Spiel.

Für etliche Anwohner des Haidelmooses kommt der 1981 gegründete Boule-Club Konstanz auf der Schreckensskala offensichtlich nur knapp nach dem Steuerzahlen und noch weit vor dem Beelzebub. Der Club will im Haidelmoos ein bereits bestehendes ehemaliges Kleingärtner-Vereinsheim von der Stadt pachten und ca. 15-18 neue Boule-Bahnen errichten. Eine Bürgerin aus dem Haidelmoos nutzte die Bürgerfragestunde, um zu beklagen, die Nachbarn seien nicht befragt worden, und außerdem fehle der hier laut ihrem Rechtsbeistand nötige Bebauungsplan – drohen Bürgerinnen und Bürger erst mit dem Gericht, weiß man: Hier ist die Volksseele am Kochen.

Für die Anwohner jedenfalls ist klar, dass es ganz schlimm kommen wird: Im Sommer fehle es bereits jetzt wegen der Kleingärtner an Parkplätzen, und in Wirklichkeit wolle der Boule-Club die Anlage schnell auf 72 Bahnen erweitern, um große Turniere abhalten zu können, und das alles bedeute Dreck und Lärm ohne Ende. Auch Rätinnen und Räte wie die Grüne Dorothee Jacobs-Krahnen und Matthias Heider (CDU) sahen hier durch die Stadt die Bürgermitbestimmungsrechte und Informationspflichten verletzt.

Ganz so schlimm ist es aber am Ende vermutlich doch nicht. Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn, der gerade wegen der Pappelallee im Tägermoos kräftig Prügel bezogen hat, versicherte, es gehe hier um ein ganz normales Bauantragsverfahren. Es handele sich bei dem Gelände um eine bestehende Freizeitanlage mit einem bereits länger vorhandenen Clubheim, und jetzt gehe es nur noch um den Neubau der Boule-Bahnen. Die Befragung der Bürger sei durchaus vorgesehen, nur sei das normale Verfahren so, dass der Gemeinderat erst einmal der Verwaltung einen Arbeitsauftrag erteilen müsse, ehe dann das übliche Verfahren mit einer Bürgerbeteiligung in Gang komme. Von einer Verletzung von Bürgerrechten könne hier also keine Rede sein. OB Uli Burchardt assistierte ihm, wenn man zuerst die Bürger befrage und danach erst den Gemeinderat, könne man den Gemeinderat gleich ganz abschaffen – was sicher etliche Bürger im Haidelmoos derzeit ganz gern täten.

Und so soll denn alles seinen gewohnten Gang gehen, und im Haidelmoos könnten vielleicht in absehbarer Zeit Boule-Kugeln vor sich hinrollen, während aus den umliegenden Kleingärten der Grillrauch aufwabert, die Ghettoblaster der Gartenkosaken an lauen Sommerabenden die Nachbarn mit auserlesener abendländischer Unterhaltungsmusik beschallen und Rasenmäher und Laubbläser immer wieder ihr garstig Lied anstimmen. Was also wird aus dem Haidelmoos werden, fragt man sich angesichts der Bedrohung durch den Boule-Club bangen Herzens: Kleingartenidyll oder Vororthölle?[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: O. Pugliese