Kein Haus für alle
Nachdem der Gemeinderat am 22. Mai 2014 beschlossen hatte, mit der IHK das Centrotherm-Gebäude zu kaufen, tat er am Dienstag den zweiten Schritt: Rund 13 Millionen Euro sollen in Planung und Umbau der Immobilie zum Kongress- und Veranstaltungshaus investiert werden – wenn’s mal langt. Gleichzeitig versuchte OB Uli Burchardt auch schon mal, auf das Projekt einer späteren seerheinischen Elbphilharmonie einzustimmen
In der Debatte schälten sich langsam die Konturen des künftigen Veranstaltungshauses heraus: Es wird teurer als geplant, es wird später eröffnet als versprochen – und das verheißene Haus für alle Konstanzer Bürger und Vereine wird es auch nicht werden. Dafür aber wird der Eingang so geplant, dass man ihn später einmal gemeinsam mit einem auf dem freien Grundstück nebenan eventuell zu errichtenden Konzerthaus nutzen kann. Dies das Fazit einer ernüchternden Sitzung.
Eurograb am Seerhein?
Man erinnert sich: Der Gemeinderat steht mit großer Mehrheit hinter dem Projekt. Die Linke Liste Konstanz war mit ihren beiden VertreterInnen als einzige Gruppierung von Anfang an geschlossen dagegen und wird dabei nur von wenigen versprengten EinzelkämpferInnen aus anderen Fraktionen unterstützt. Holger Reile (LLK) begründete seine Ablehnung noch einmal: „Die Freie Grüne Liste, die mehrheitlich gewillt ist, dieses finanzielle Abenteuer am Seerhein mitzutragen, ist wohl unsicher geworden und hat kürzlich Kostencontrolling angemahnt. Das, Kolleginnen und Kollegen von der FGL, kommt reichlich spät, und die versprochene Kostendeckelung wird ohnehin bald Schnee von gestern sein. Fakt ist schon jetzt – vor Ort hat sich ja noch keine Schaufel bewegt -, dass der Kostenrahmen gehörig bröckelt. Mit einer schwarzen Null rechnet man ab 2018: ein Termin für Phantasten und Träumer. Bis dahin soll ein sogenannter Probebetrieb mindestens 500 000 Euro zusätzlich verschlingen – Plus X. Auch die hochgestochenen Umsatzerwartungen wurden kürzlich bis zu 20 Prozent nach unten geschraubt. Fazit: Schlechter kann ein Millionenprojekt kaum starten.“ Er schlug als Namen für das Veranstaltungshaus denn auch „EaS – Eurograb am Seerhein“ vor.
Zweifel äußerte auch Charlotte Biskup (FGL), die fragte, warum die Verwaltung um Oberbürgermeister Uli Burchardt nicht gleich auf Basis belastbarer Zahlen und realistischer Kostenschätzungen geplant habe und die ein klareres Konzept forderte, denn es sei weiterhin offen, was man von dem Haus erwarte, welches Image es haben und welche Zielgruppen es ansprechen solle. Ihre Fraktionskollegin Annette Mühlhäußer kündigte für die FGL gar zwei Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen an: Die Entscheidung zum Kauf sei im letzten Jahr aus einer Schnäppchen-Euphorie heraus gefallen, jetzt zeichne sich aber ab, dass hier ein ewiger Zuschussbetrieb entstehe.
Schöne neue Kongresshaus-Welt
Ganz anders als man es von linken und grünen Bedenkenträgern kennt, versteht es Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) als emsiger Sachwalter des bürgerlichen Weltgeistes immer wieder unnachahmlich, seinen urtümlichen Optimismus mit einer großen Prise lokalpatriotischen Größenwahns zu einem robusten Weltbild zu verschmelzen. „Dies ist eine große Chance, der Stadt Konstanz endlich die Rolle zu geben, die ihr weit über den Landkreis hinaus, ja, die ihr international zukommt“ rief er in den Saal. Er sieht im Kongresshaus die Möglichkeit, den Standort aufzuwerten und Arbeitsplätze zu schaffen. Auch Ex-Stadtbaumeister Johannes Kumm (SPD) sah weniger wirtschaftliche als vielmehr psychologische Probleme und forderte daher, „Begeisterung bei der Bevölkerung“ zu wecken und ihr endlich auch die finanziellen Vorteile des Hauses aufzuzeigen. Irgendwie vergaß er aber in seiner Euphorie, diese finanziellen Vorteile mal aufzuzählen.
Aus anderer Ecke wurde in ein anderes Horn geblasen: Der Grüne Günter Beyer-Köhler, der im Mai 2014 als einziger neben den beiden Linken gegen den Ankauf des Centrotherm-Gebäudes stimmte (zwei FGLer und eine SPDlerin enthielten sich damals), bleibt konsequent bei seiner Ablehnung. Er kritisierte, dass vom versprochenen „Haus für alle“ nichts übriggeblieben sei und jetzt vielmehr ein Spekulationsobjekt hochgezogen wird, mit dem die Stadt Konstanz ins riskante Kongressgeschäft einsteigen will. Kultur- und Sportförderung wären ihm wesentlich lieber gewesen.
Und was ist mit dem Konzerthaus?
Naturgemäß sah Oberbürgermeister Uli Burchardt, der Vater des Projektes, vieles ganz anders. Er gab zu, es habe wegen Überarbeitung und grippebedingter Ausfälle manche Defizite bei der Kommunikation gegeben. Und nachdem er diese Defizite psychologisch geschickt eingestanden hatte, begann er eine grundsätzliche Verteidigungsrede für sein Bauvorhaben. Die Pacht von 270 000 Euro, die das Veranstaltungshaus jährlich aufbringen solle, sei eine feine Rendite auf das eingesetzte Kapital, und dazu komme noch Jahr für Jahr ein fetter Betriebsgewinn – unter dem Strich werde das Veranstaltungshaus also ein gutes Geschäft für Konstanz. Natürlich müsse man dieses Haus hochpreisig vermarkten und könne keine Rabatte für Vereine geben, also müsse die Stadt jene Vereine, die das Haus nutzen wollen, eben entsprechend subventionieren. „Profitabel plus gut für jeden, das geht einfach nicht!“ Statt dessen sei das Veranstaltungshaus wichtig für die Arbeitsplätze, für die Hochschulen und damit für ganz Konstanz und alle Konstanzer. Dass ein solches Projekt natürlich auch wirtschaftliche Risiken berge, wolle er nicht verschweigen, rechnet aber schlimmstenfalls mit einem kleinen Minus von 100.000 Euro im Jahre 2019.
Der Mann hat einen Plan
Dann aber zog der Magier auf dem Oberbürgermeister-Sessel vor dem staunenden Publikum das Kaninchen aus dem Hut – eine nüchterne technische Zeichnung. Das zuständige Büro krehl.girke architekten projizierte einen Plan an die Wand, auf dem zu sehen war, dass der jetzige Eingang des Hauses auch von einem späteren Konzerthaus auf dem leeren Grundstück nebenan mitbenutzt werden kann, so dass man jetzt nichts Überflüssiges baue. Auch die Verkehrsplanung auf dem Grundstück genüge bereits den Bedürfnissen eines späteren Konzerthauses (hier gab es einige Zwischenrufe von der sichtlich genervten Linken Anke Schwede, dass es hier nun wirklich nicht um ein künftiges Konzerhaus gehe). Natürlich versicherte der Oberbürgermeister, dies alles sei nur mal so dahin getuscht und niemand wisse, ob und wann ein Konzerthaus jemals kommen werde, aber bitteschön, man habe hier schon einen Konzertsaal mit 1.500 Plätzen hingezeichnet, und das passe alles bestens zueinander.
Interims-Geschäftsführer Michel Maugé erklärte dann noch einmal, hier sei keine Stadthalle geplant, sondern ein Veranstaltungs- und Kongresshaus, das mitnichten ein Selbstläufer werde und für das man kräftig akquirieren müsse, um es profitabel zu vermarkten. Für Vereine sei dieses Haus eher unattraktiv, denn kaum ein Verein brauche einen Raum für 1 000 Menschen. Vom „Haus für alle“ ist also keine Rede (mehr).
Am Ende stimmten 28 Rätinnen und Räte für die 13 Millionen für Umbau und Planung, sieben enthielten sich und vier (zwei Linke, zwei Grüne) waren dagegen. Worauf Holger Reile erquickt kommentierte: „Es werden immer weniger Ja-Stimmen.“
Wenn er sich da mal nicht täuscht. Die Argumentationslinie von Oberbürgermeister Uli Burchardt ist nicht ungeschickt: Auf der einen Seite entsteht momentan das Veranstaltungshaus, mit dem man den dicken Reibach machen will (geht das schief, muss man halt den Sozialetat zusammenstreichen) – und nebenan gibt es dieses schnuckelige leere Grundstück, auf das man dann das verheißene (Konzert-)“Haus für alle“ setzen kann, mit dem alles irgendwann mal anfing und das außer der Philharmonie niemand braucht.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: O. Pugliese
Zitat aus einer Pressemitteilung der Stadt Konstanz: „Diese [eine Veranstaltungshalle für große Konzerte] könnte jedoch in einem späteren zweiten Bauabschnitt auf dem westlich angrenzenden Grundstück realisiert werden. Das soll, so hat OB Burchardt stets erklärt, zu einem späteren Zeitpunkt in einem Bürgerentscheid entschieden werden“.
Auf dem Jahresempfang des Oberbürgermeisters im September 2013 betonte er, dass die Konstanzer Bürgerinnen und Bürger bei allen Großvorhaben durch Bürgerentscheide mitbestimmen sollen. Letzten Dienstag klang das schon etwas anders, nämlich, dass es in Sachen Konzerthaus „vielleicht“ einen Bürgerentscheid geben werde.
Wir werden sehen und Herrn Burchardt gerne an sein mehrfach gegebenes Versprechen erinnern.
Man fragt sich, ob Charlotte Biskup (FGL) nicht beim Kauf des Gebäudes ein gewisses Geschmäckle im Mund hatte und dem Kauf trotzdem zustimmte. Es war bereits dem OB und FGL-Kollegen Horst Frank klar, dass die Kosten für den Umbau wohl enorm sind und er seine Finger davon lies. Frau Biskup kann jetzt nicht so tun, als wäre sie auf die Mehrkosten durch Desinformation hinters Licht geführt worden. Wem war wohl schon beim Kauf nicht klar, dass es bei den avisierten Umbaukosten nicht bleibt. Auch wenn OB-Burchardt, bei seinem Wunsch nach einem Prestigeobjekt, allen Sand in die Augen gestreut hat, geschlafen hat wohl auch eine Charlotte Biskup nicht. Damals hatten schon viele Kritiker und Warner ein „klares Konzept“ usw. eingefordert. Hat Frau Biskup wirklich die damalige Entscheidungszeit verschlafen oder meldet sie sich jetzt erst mit populistischer Stimme?
Von dem Vorwurf kann sich auch nicht Anne Mühlhäußer, sonst eine scharf recherchierende Stadträtin, freisprechen. Zwei Kostenarten standen beim Kauf an, die Kaufsumme und die Umbaukosten. Beides ist in einer Gesamtsumme für die Investition von diesem Veranstaltungshaus vorhanden. Ein Schnäppchen kann das nicht sein.