„Willkommen auf deutsch“
Es gibt wohl Filme, die man empfehlen muss, obwohl sie noch nicht angelaufen sind. Von denen es also bislang nur den Trailer zu sehen gibt. „Willkommen auf deutsch“ ist so einer
„Willkommen“ kann für Flüchtlinge in Deutschland so manches heißen. Auch wenn „Ein herzliches und warmes Willkommen im Konzentrationslager“ bislang eine Persiflage ist, zu finden auf Mely Kiyaks Theaterkolumne (http://kolumne.gorki.de/kolumne-27/), so stecken dahinter durchaus ernstgemeinte Überlegungen: In Schwerte wie in Augsburg soll(t)en leerstehende, für die Aufnahme grösserer Menschenmengen „geeignete“ Gebäude auf dem Gelände ehemaliger Konzentrationslager zur Aufnahme von Flüchtlingen genutzt werden.
Abseits solcher Skurrilitäten: Deutschland tut sich schwer mit „seinen“ Flüchtlingen. Das resultiert nicht daraus, dass (als lokales Beispiel) an einem der letzten Wochenenden rund 34 Anhänger der NPD ihr Ressentiment gegen „Fremde“ präsentieren. Diese Leute sind, bei aller individuellen Gefährlichkeit, marginal, und ihr Einfluss auf die reale Flüchtlingspolitik geht gegen null. Auch bei aller Empörung über das „Alleinlassen“ eines Bürgermeisters in Ostdeutschland angesichts des Drucks von Neonazis, der dieser Tage daraufhin zurücktrat: Die dortigen örtlichen Gremien tragen die von ihm durchgeboxte Entscheidungr: Aufnahme von Flüchtlingen in seiner Gemeinde unbeeindruckt weiter. Real erreicht haben die „Kameraden“ gar nichts, die Flüchtlinge werden kommen.
Das unterscheidet Deutschland 2015 vom Deutschland 1992, wo es eben die „Kameraden“ waren, deren Pogrom in Lichtenhagen für die Politik der willkommene Anlass war, das Asylrecht dermaßen zu verschärfen, dass dies in vielen Fällen einer defacto Abschaffung dieses Grundrechts gleichkam (Und leider bis heute immer noch gleichkommt.) Eben deswegen ist es falsch, unter jedem Stein in diesem Land schreienden Rassismus lauern zu sehen. Andererseits ist es auch nicht damit getan, eine „Willkommenskultur“ zu postulieren und für sich „Weltoffenheit“ und „Buntheit“ zu reklamieren. „Refugees welcome“ ist auch erstmal (nur) ein Slogan.
Die Gesellschaft in Deutschland transformiert sich, und jede Geburt hat ihre Wehen. Das Besondere an „Willkommen auf deutsch“ ist es wohl, dass es ihm gelingt, als „Film zur Zeit“ genau diese Wehen einzufangen. Die Autoren Carsten Rau und Hauke Wendler haben schon in 2011 mit „Wadim“ einen der inhaltlich wie filmisch besten Beiträge in der Kategorie „Migration und Film“ vorgelegt. Ihre jetzige Dokumentation beschreibt den Einzug von Flüchtlingen in ein kleines norddeutsches Dorf. Dieser Prozess wird begleitet in Echtzeit und mit „echten“ Protagonisten, also ohne gestellte Szenen.
Nicht alles, was sich dabei im Umgang mit Flüchtlingen an Ängsten, Bedenken, Unsicherheiten, Schwierigkeiten auftut, lässt sich vereinfachend im Sammelordner „Rassismus“ abheften. Auch wenn der Film Passagen mit rassistischen Statements keineswegs ausblendet oder qua Psychologisierung „wegerklärt“. Eben darin liegt wohl seine Stärke:
Als Dokumentarfilm ohne pädagogisierendes Setting kommen Flüchtlinge, („Ur-„)Einwohner und Behördenvertreter in all ihrer Verschiedenheit vor und zu Wort. Kein „wegweisender“ Sprecher aus dem Off gibt die richtige Denkrichtung vor, der Film verliert sich aber auch nicht in bequemer Äquidistanz. Für dieses seltene Kunsttstück gab es Auszeichnungen auf dem Kasseler Dokfest, der DOK Leipzig und den Nordischen Filmtagen.
Und noch was Besonderes: Die Autoren von „Willkommen auf deutsch“ machen ein Angebot:
„Sind Sie in einer Flüchtlingsinitiative oder in einer anderen Gruppe aktiv, die sich zu den Themen Flucht, Asyl und Migration engagiert? Dann können Sie WILLKOMMEN AUF DEUTSCH ab März 2015 nutzen, um bei sich vor Ort breiter auf das Thema aufmerksam zu machen, ihre eigene Arbeit zu präsentieren und dafür auch neue Unterstützer zu finden. Die Idee: Wir arbeiten für dieses Thema zusammen. Wir kümmern uns um den Kontakt zu den örtlichen Kinobetreibern und vereinbaren einen Termin und Sie organisieren mit Ihrer Gruppe einen Themenabend oder eine Podiumsdiskussion. Diese Veranstaltung findet dann im Anschluss an die Filmvorführung im Kino statt. Laden Sie dazu gerne Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner ein, die zu den Fragen und eventuellen Problemen in ihrer Region Stellung nehmen können. Gemeinsam kümmern wir uns um die Presse und machen die Veranstaltung publik. So entsteht bei Ihnen vor Ort auch ein wichtiger Beitrag zur Flüchtlingsdebatte. Unser Projekt wird von gut 20 bundesweit aktiven Verbänden, Stiftungen und anderen NGOs unterstützt.“
Zu finden auf „willkommen-auf deutsch.de“, dort unter Menue-Punkt „mitmachen“. Ein Angebot, das mithelfen könnte, auch das Konstanzer „Willkommen“ (noch) etwas wärmer zu machen?[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: Christoph Linge
Besten Dank für den Hinweis – Wir haben sogleich angefragt, ob es denkbar wäre den Film auch in Konstanz zu zeigen. Mal schauen, was als Antwort kommt.
Der Film läuft aber übrigens bereits morgen, 19 Uhr im Gems in Singen.