Panzermotoren aus Friedrichshafen via Ukraine nach Thailand

„Gepanzerte Mannschaftstransportwagen“ werden sie in offiziellen Verlautbarungen genannt. In Internet-Berichten wird von „Radpanzern“ gesprochen. Gemeint sind Panzer, deren Motoren von Friedrichshafen über Umwege nach Thailand geliefert und dort gegen die demokratische Opposition eingesetzt werden. Die Tognum/MTU/EADS-Tochter ist der Lieferant. Einmal mehr bewahrheitet sich: Der Tod wird am Bodensee produziert und gewinnbringend in alle Welt exportiert.

120 neue dieser Panzer sollen jetzt zusätzlich angeschafft werden, hat das Regime in Thailand beschlossen. Panzer, die beim Massaker der Streitkräfte im April und Mai in Bangkok eine tödliche Rolle gespielt hatten. Während die deutsche Rüstungsfirma Deutz erst gar kein Angebot für die Lieferung von Motoren für die in der Ukraine produzierten Panzer abgab, waren Töchter der Friedrichshafener Firma MTU weniger zurückhaltend. Die Motoren wurden aus Friedrichshafen in die Ukraine geliefert, dort in Panzer eingebaut und nach Thailand exportiert. Während in der Ukraine keine Ausfuhrverbote bestehen, umgeht die Friedrichshafener Firma deutsche Ausfuhrbeschränkungen mit dem Hinweis, die Motoren seien nur für „gepanzerte Mannschaftstransportwagen“ und überdies nur in der Ukraine gedacht.

Thailand, das Land des Lächelns, weißer Strände und samtiger Haut – aber auch das Land immer wiederkehrender Militärcoups, Massaker und Unterdrückung. Was die wenigsten Touristen wissen, die sich in die wohlige Atmosphäre der luxuriösen Ressorts begeben, deren Gewinne in der Regel einer der 20 reichsten Familien des Landes zufließen, ist, dass im April und Mai ca. 90 Demonstranten getötet und ca. 2.000 Menschen schwer, teilweise für ihr Leben gezeichnet, verletzt wurden, als Soldaten mit Kriegswaffen – darunter die besagten Panzerwagen – gegen die Demonstranten vorgingen. Nur wenige Geschäftsreisende, die durch niedrigen Löhne, fehlende Gewerkschaftsaktivitäten und großzügige Steuernachlässe angelockt werden, wissen, dass Thailand mit über 130.000 gesperrten Seiten den Weltrekord im Blockieren von Internetseiten und im Ausspähen von Informationen im Internet hält.

Thailand, das zwischen 1997 und 2006 eine Periode der zunehmenden Freiheit und Demokratisierung erlebte, geriet durch einen Militärcoup im Jahr 2006 tief in die finstere Vergangenheit der 1960er Jahre zurück, als brutale und korrupte Militärdiktatoren mit eiserner Faust und der Unterstützung der USA die Menschenrechte auf gröbste Weise missachteten.

Firmen ohne Moral

Wenn Firmen in Deutschland an ein solches Regime Waffen oder für Waffen verwendete Motoren verkaufen, sollte man genauer hinschauen und sich fragen, ob solche Geschäfte durch die Außenhandelsgesetze Deutschlands und der EU abgedeckt sind. Selbst wenn sie zulässig sein sollten, muss man die Frage nach der Ethik und Moral solcher Firmen stellen. Man muss fragen, ob Politiker solche Geschäfte unterstützt haben und in welcher Beziehung sie zu diesem Regime in Thailand stehen. Und da das thailändische Militär bekannt ist für allumfassende Korruption, sollte man auch prüfen, ob Anzeichen von Korruption in diesen Fällen mit dem Verhaltencodex der OECD (Code of Conduct) in Einklang stehen.

Ein schwerwiegender Fall der Lieferung von Militärgütern ist der einer Motorenlieferung für inzwischen ca. 300 gepanzerte schwere Mannschaftstransportwagen BTR-3U aus der Ukraine für Thailand. Ein Fahrzeug, das mehr Ähnlichkeiten mit einem Panzer als mit einem gepanzerten Mannschaftstransportwagen hat, da er mit einer mächtigen Bewaffnung ausgerüstet ist. Das Fahrzeug ist so schwer, dass es anders als ursprünglich von der Armee gefordert, nicht schwimmen kann. Was einer der Gründe ist, warum die thailändische Opposition der Vermutung nachgeht, dass es sich um ein massives Korruptionsgeschäft handelt.

Die erste Lieferung von 96 Fahrzeugen, damals noch wie ausgeschrieben und im Internet beworben, mit „Deutz-Motoren“ bestellt, wurde auch drei Jahre nach der Bestellung noch nicht geliefert. Schließlich verbreiteten sich Medienberichte, dass die Firma Deutz keine Motoren für die Auslieferung nach Thailand liefern würde. Die Firma Deutz wollte keine Stellungnahme abgeben, aber die Bundesregierung erklärte gegenüber der Partei “Die Linke”, dass in letzter Zeit keine Anfragen wegen eines Exportes von Militärmotoren in die Ukraine, bzw. zur Lieferung nach Thailand gestellt worden wären.

MTU machte das Geschäft und Heckler & Koch auch

Und doch bestellte die thailändische Armee weitere 100 Radpanzer, in anderen Berichten ist von 121 Fahrzeugen die Rede. Und die thailändische Armee zauberte auch einen neuen deutschen Motorenlieferanten aus dem Hut, die Firma MTU, deren Motoren angeblich noch besser für den Panzer geeignet sein sollen als die der Firma Deutz. Wie meine Recherchen ergaben, ist der wichtigste Anteilseigner von MTU Thailand der Bruder des derzeitigen Verteidigungsministers, General Prawit Wongsuwan, der auch eine wichtige Rolle beim Militärcoup von 2006 gespielt hatte.

Wer den Namen MTU hört, sollte an die Elite der deutschen Industrie denken. Mercedes Benz, Daimler Luft- und Raumfahrt Holding, EADS. Wenn ein solches Firmenkonsortium in Waffenverkäufe an Putschisten verwickelt ist, sollte die deutsche Öffentlichkeit zweimal hinsehen.

Für Thailand besteht keinerlei äußere Bedrohung, welche die Anschaffung von einer so großen Zahl von Radpanzern rechtfertigen würde. Jedoch wurde das Verteidigungsbudget seit dem Militärcoup im Jahr 2006 mehr als verdoppelt und die „gepanzerten Mannschaftstransportwagen“ spielen eine entscheidende Rolle bei der Unterdrückung von Unruhen im Inneren. Dies – und die zunehmende Annäherung an Birma, das von seinen Diktatoren nun Myanmar genannt wird – wirft grundlegende Fragen nach Moral und Ethik von Unternehmen auf, die mit solchen Regimen kooperieren.

Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Die Waffenexporte haben sich zwischen 2000 und 2009 fast verdoppelt. Muss man sein Geld damit verdienen, Tötungsmaschinen zu perfektionieren? Die Fragwürdigkeit dieser Anstrengungen in Sachen Tötung werden zusätzlich sichtbar, wenn man die Lieferungen der Firma Heckler & Koch aus Oberndorf bei Rottweil an Thailand sieht, und dann feststellt, dass nach einem Militärcoup diese Waffen plötzlich gegen Demonstranten zum Einsatz kommen.

Bei den Bildern, die von den blutigen Auseinandersetzungen in Bangkok um die Welt gingen, ist bei näherer Betrachtung zu erkennen, dass auch dort Maschinenpistolen vom Typ MP5 sowie Sturmgewehre vom Typ HK33 der Firma Heckler & Koch gegen die Rothemden eingesetzt wurden. Wie Jan van Aken (Die Linke) schreibt, “wurden im vergangenen Jahrzehnt aus Deutschland 581 Gewehre und Maschinenpistolen für 805.275 Euro an Thailand geliefert. Sogar noch nach dem Putsch von 2006 wurde der demokratisch nicht legitimierten Regierung in Bangkok der Kauf von Maschinenpistolen genehmigt.”

Autor: Mark Teufel, www.spiegelfechter.de