Von Kreuzlingen nach Kundus

In der Kreuzlinger Unterseestraße 65 ist die Freude riesengroß. Denn die deutsche Bundeswehr hat jetzt beim Thurgauer Produzenten für Militärfahrzeuge, MOWAG, 195 gepanzerte „Eagle“-Fahrzeuge bestellt. Das Auftragsvolumen beträgt rund 125 Millionen Euro. Und es ist der dritte Großauftrag der Bundeswehr für die MOWAG in nur drei Jahren. Insgesamt fast 500 Kleinpanzer aus Kreuzlingen kurven dann für die Bundeswehr durch den Hindukusch.

Schon im November 2009 hatte die Bundeswehr „Eagle“-Fahrzeuge bestellt. Im Einsatz haben sie sich offenkundig bewährt, denn schon im April 2010 folgte eine weitere Bestellung über 60 Fahrzeuge. Und kurz vor Weihnachten nun der dritte Großauftrag. Zusammen dürften die Aufträge ein Volumen von annähernd 500 Millionen Euro haben, die als Rüstungsgelder in nur drei Jahren von Berlin nach Kreuzlingen geflossen sind.

Die weitgehend unbekannte Waffenschmiede MOWAG (Motorenfabrik AG) wurde 1950 von dem Kreuzlinger Ingenieur Walter Ruf gegründet. Seit 2003 ist sie Tochterfirma des US-Waffenbauers General Dynamics; sie beschäftigt nahezu 800 Menschen in Kreuzlingen, darunter zahlreiche Grenzgänger aus Konstanz und dem Umland. In den 60 Jahren ihres Bestehens hat MOWAG fast 14.000 Panzerfahrzeuge für fast alle NATO-Staaten produziert.

Exportschlager der Kreuzlinger Waffenschmiede ist gegenwärtig der Radpanzer „Eagle“ (Adler). Das über fünf Meter lange Gefährt ist so etwas wie ein Zwischending zwischen Panzer und Geländewagen – der Räder wegen schneller als ein Kettenfahrzeug (Höchstgeschwindigkeit: 110 km/h), der Panzerung und Bewaffnung wegen schlagkräftiger als ein Geländewagen. Es wird als Transport- (fünf Soldaten finden Platz im „Eagle“ ), Aufklärungs- und Führungsfahrzeug eingesetzt. Und hat seine Feuertaufe mehrmals bestanden: Nach mehreren Anschlägen auf Bundeswehr-Fahrzeuge deutscher Bauart in Afghanistan erwies sich der Kreuzlinger Panzer als sicherstes Gefährt im NATO-Fuhrpark. Die Kreuzlinger konnten sich dann auch erfolgreich gegen die Konkurrenz der Rüstungskonzerne Krauss-Maffei in München und Rheinmetall in Düsseldorf durchsetzen.

Und „Eagle“ ist wahrlich ein Bombengeschäft für die Muttergesellschaft aus den USA. Denn der Kreuzlinger Rohbau wird bei einer deutschen General-Dynamics-Tochter in Kaiserslautern erst kriegstauglich gemacht. Da erhält er seine Maschinenkanone, seine Funkausrüstung, seine Tarnfarbe – perfekt für den Kriegseinsatz am Hindukusch. Doch die Kreuzlinger bleiben während der gesamten Lebensdauer des „Eagle“ im Geschäft. Denn MOWAG-Techniker übernehmen den Reparatur-Service in Afghanistan. Stellt sich doch die Frage: Servicemänner der neutralen Schweiz im Kriegsgebiet – dürfen die das?

Autor: Hans-Peter Koch