Sozialarbeit an Schulen bleibt ein Stiefkind
Die Diskussion über die Schulsozialarbeit im Konstanzer Gemeinderat bewies am Donnerstag einmal mehr, dass die Bürgerlichen den Gürtel gern ein wenig enger schnallen, wenn es ums Soziale geht, wovon sie sich letztlich nicht so recht betroffen fühlen. Der gestern beschlossene Betreuungsschlüssel für die Konstanzer Schulen jedenfalls bleibt deutlich hinter den Forderungen von SchulpraktikerInnen zurück.
Um die Sozialarbeit an Konstanzer Schulen wurde durchaus kontrovers diskutiert: Es geht schon längst nicht mehr um die Frage, ob sie nötig sei oder nicht, aber die Vorstellungen, wie viel Geld man dafür in die Hand nehmen solle, gehen denn doch immer noch deutlich auseinander. Der Hintergrund für die aktuelle Behandlung des Themas im Gemeinderat sind die Wandlungen der Konstanzer Schullandschaft: Die Mädchenrealschule Zoffingen wird bekanntlich in ein paar Jahren geschlossen und verliert bis dahin regelmäßig an Schülerinnen, und die Gemeinschaftsschule erlebt einen ungeahnten Boom. Darauf muss die Stadt natürlich reagieren und Stellen für die Schulsozialarbeit von den schrumpfenden Schulen wie Zoffingen oder Theodor-Heuss-Schule an die neue Gemeinschaftsschule Gebhard umlegen. Praktisch funktioniert das so, dass man einen Stellenschlüssel bestimmt. Bürgermeister Andreas Osner schlug für die Gemeinschaftsschule einen Stellenschlüssel von 1:350 vor, er will also 1 Sozialarbeiter- oder Sozialarbeiterinnenstelle auf 350 Schülerinnen und Schüler einrichten. Die scheidende Sozial- und Jugendamtsleiterin Ute Seifried hingegen sah nicht ein, weshalb die Gemeinschaftsschule besser behandelt werden solle als die Realschulen, für die der Schlüssel bei 1:450 liegt. Sie verwies außerdem darauf, dass die Konstanzer Schlüssel im Vergleich zu anderen Schulträgern sehr großzügig sei. So hantiere der Kreis an seinen Werkrealschulen etwa mit 1:900. Auch Matthias Heider (CDU) hielt 1:450 für ausreichend, lehnte eine Bevorzugung der Gemeinschaftsschule ab und wollte an der bisherigen Einigung nicht rütteln, und auch das JFK fand diesen Schlüssel „aus Fairness“ (wie es auf Zwischenruf angab) ausreichend.
Anke Schwede (Linke Liste) hielt diese Stellenschlüssel für unzureichend: „Schulsozialarbeit soll auch nach dem Willen des Gesetzgebers eine Anlaufstelle für alle Schülerinnen und Schüler sein und nicht auf die Unterstützung von sogenannten Problemschülerinnen und -schülern reduziert werden. Das macht aus unserer Sicht eine substanzielle Verbesserung des Stellenschlüssels unumgänglich. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft beispielsweise fordert für alle Schularten einen Stellenschlüssel von 1:150. Der in Konstanz geltende Schlüssel spiegelt nicht den tatsächlichen Bedarf wider, sondern leitet sich aus finanziellen Erwägungen ab. Das halten wir für die falsche Herangehensweise.“ Sie erinnerte daran, dass die Stadtverwaltung noch im November 2011 für die Hauptschulen und die Förderschule einen Richtwert von 1:200, für die Realschulen von 1:300 und für die Grundschulen von 1:400 zugrunde legen wollte. „Warum also,“ fragte sie, „unter diesen Zahlen bleiben und nicht zumindest einen Schlüssel von 1:300 für die Schulsozialarbeit an der Gemeinschaftsschule beschließen?“ Sie drang mit ihrem Antrag aber nicht durch, und so wurde von der breiten Mehrheit beschlossen, für die Schulsozialarbeit an der Gebhardschule 1 Stelle auf 350 Schülerinnen und Schüler bereitzustellen. Die Gemeinschaftsschule Gebhard erhält eine 50%-Stelle von der Theodor-Heuss-Schule und eine ebensolche von der Mädchenrealschule Zoffingen.
Dieses Ergebnis mag ja im Vergleich zu anderen Schulträgern wie dem Kreis erfreulich sein, stimmt aber doch eher nachdenklich, wenn man an die Empfehlungen der Fachleute von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft denkt. Hier drängt sich der Eindruck auf, dass Soziales im Konstanzer Gemeinderat eine eher schwache Lobby hat, sowie es etwas kostet.
O. Pugliese
Zwischen Theorie und Praxis liegt bekannterweise ein himmelweiter Unterschied, der gerade im sozialen Bereich Folgen haben kann. Nicht von ungefähr fordert die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft einen Stellenschlüssel von 1:150, dieser wird auf Erfahrungswerten beruhen. Prävention ist sinnvoll, denn wenn „das Kind erstmal in den Brunnen gefallen“ ist, ist es zu spät. Natürlich kann die Schule nicht alles auffangen, was in Familien, die heutzutage in vielfältigen „Modellen“ gelebt wird, evtl. versäumt wird oder nicht gegeben werden kann – aber es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche im Notfall eine vertrauenswürdige Anlaufstelle haben. Denn von außen wie auch im Schulsystem wird immer mehr Druck aufgebaut und es gibt inzwischen traurigerweise genügend Beispiele was passieren kann, wenn dieser sich entlädt. Es sollte im Gegenteil „aus Fairness“ überlegt werden, diesen sog. Schlüssel auch in anderen Schulen zu senken, damit keine „Benachteiligung“ entsteht, warum kann man sich nicht an Positivem orientieren? Dass in unserer Stadt das Gleichgewicht schon lange nicht mehr stimmt, wird nach wie vor von der Mehrheit der „Repräsentative“ ignoriert. Der Kern, dort wo es um das Wohl und die Zufriedenheit der Allgemeinheit geht, fault – eine gesunde Stadtentwicklung ist so schon lange nicht mehr möglich.