Explosionsgefahr in der guten Stube
Ein wärmendes, loderndes Feuer im Designerkamin zum Preis von 60 Euro – davon träumen viele im deutschen Winter. In Baumärkten und im Internet sind Ethanolkamine der Dauerbrenner fürs heimische Wohnzimmer. Doch zum Heizen geeignet sind die Dekokamine nicht. Und zudem: Für die Ethanol-Produktion in Brasilien werden artenreiche Tropenwälder und Savannengebiete gerodet, die Arbeiter versklavt und die Indianer von ihrem Land vertrieben. Und nach Angaben der Stiftung Warentest sind die Wohnaccessoires hierzulande auch noch brandgefährlich.
Ethanol wird aus zucker- und stärkehaltigen Pflanzen hergestellt. In Europa dienen dazu vor allem Weizen und andere Getreide sowie Zuckerrüben, in den USA Mais und in Brasilien Zuckerrohr. Brasilien ist nach den USA der weltweit zweitgrößte Ethanol-Produzent. Da die hiesigen Anbauflächen nicht ausreichen und die Produktionskosten bei uns hoch sind, wird Ethanol in großen Mengen aus Brasilien importiert. Die Ethanol-Einfuhren der Europäischen Union aus Brasilien belaufen sich auf etwa 1,5 Millionen Kubikmeter pro Jahr.
Angebaut wird das tropische Süßgras auf riesigen, industriellen Monokulturen. Schon neun Millionen Hektar sind in dem südamerikanischen Land mit den grünen Zuckerrohr-Wüsten der Großgrundbesitzer, Investoren und multinationaler Konzernen belegt.
Sklaven in Brasilien schuften für „Biokraft“ in Deutschland
Die Zuckerrohrschneider schuften als moderne Sklaven auf den Plantagen zu Hungerlöhnen. Bei mörderischer Hitze und Staub müssen sie 15 Tonnen Zuckerrohr und mehr am Tag ernten. Jedes Jahr werden von der brasilianischen Bundespolizei mehrere Tausend Zuckerrohrarbeiter aus sklaven-ähnlichen Arbeitsverhältnissen befreit. Enorme Mengen kostbaren Wassers werden zudem zur Bewässerung der Felder und für die industrielle Produktion vergeudet.
Immer tiefer fressen sich die Plantagen in die Tropenwald- und Savannengebiete des Landes hinein. Indianer und Kleinbauern werden dafür von ihrem Land vertrieben und oftmals auch ermordet. Die brasilianische Regierung plant, die Anbaufläche für Zuckerrohr zu versiebenfachen. Auf 65 Millionen Hektar soll Zuckerrohr kultiviert werden – das entspricht der Fläche Deutschlands und Polens zusammen.
Der größte Teil des in die EU importierten Ethanols wird dem Auto-Benzin als sogenannter “Biokraftstoff” beigemischt; die neue Benzinsorte E10 mit einem höheren Anteil von Bio-Ethanol soll ab Februar an deutschen Tankstellen erhältlich sein. Darüber jedoch, wie viel Ethanol in den Dekokaminen verfeuert wird, gibt es keine offizielle Angaben. Mit einem Liter Ethanol brennen die Wohnaccessoires zwei bis drei Stunden. Manche lassen sich nicht einmal „abstellen“: Sie brennen in jedem Fall so lange, bis das Ethanol verbraucht ist. Die Hersteller werben damit, dass weder Schornsteinanschlüsse noch Genehmigungen nach der Feuerstättenverordnung erforderlich sind. Doch der von vielen beworbene Heizeffekt ist minimal. Die Dekokamine sind kaum mehr als ein optischer Gag.
Die Explosionsgefahr in der guten Stube wird verharmlost
Damit sich nicht zu viele giftige Abgase in der Raumluft ansammeln, muss zudem permanent gelüftet werden. Wissenschaftler sorgen sich um den Schadstoffausstoß – darunter krebserregende Stoffe – auf den Straßen durch den fünfprozentigen Ethanolanteil im Autobenzin. Doch was passiert, wenn stundenlang 96-prozentiger Ethanol mitten in deutschen Wohnzimmern abgefackelt wird? Ethanol ist leicht entzündbar und wird auch als Brandbeschleuniger eingesetzt. Ab 21 Grad Celsius Raumtemperatur bildet sich ein hochexplosives Gemisch. Läuft Ethanol beim Befüllen aus und entzündet sich, brennt schnell der ganze Raum lichterloh.
Wöchentlich berichten die Medien von solchen Wohnungsbränden, Verpuffungen und Explosionen. Ende November erlag eine Frau in Schleswig-Holstein dabei ihren schweren Brandverletzungen. Prüfnormen existieren nicht. Die Stiftung Warentest warnt daher vor den Geräten.
Autor: PMs „Rettet den Regenwald“ und „Stiftung Warentest“