Mieterbund zum GVV-Deal in Singen: „Mieter zahlen die Zeche“

Was in Singen viele befürchtet haben, wird nun bittere Realität: Der Insolvenzverwalter der bankrotten Singener GVV verhökert praktisch den gesamten Wohnungs- und Gewerbeimmomilienbestand der ehemals städtischen Wohnungsbaugesellschaft an eine private Investorengruppe. Der Mieterbund Bodensee übt in einer Pressemitteilung scharfe Kritik an dem Deal. Die MieterInnen müßten sich darauf einstellen, dass sie nach und nach verdrängt würden, so der Vorsitzende Herbert Weber. 

Zuvor war ein Versuch der Stadt Singen gescheitert, zusammen mit der Konstanzer WOBAK und der Baugenossenschaft Oberzellerhau die 460 Wohnungen der GVV zu übernehmen und damit in kommunaler Hand zu behalten. Der Stuttgarter GVV-Insolvenzverwalter Bilgery ließ die Stadt abblitzen – die Gesellschaft sollte als Gesamtpaket verramscht werden.  Ein Angebot für die maroden Gewerbe-Projekte wie Hegau-Tower und Kunsthallen-Areal wollte man jedoch nicht abgeben. „Die Insolvenz der GVV wurde auf Grund massiver Fehlinvestitionen im gewerblichen Bereich, insbesondere in den Hegau-Tower und das Kunsthallen-Areal ausgelöst, wir konnten uns nicht erneut diesem finanziellen Risiko aussetzen“, begründete der Singener Oberbürgermeister Bernd Häusler die Haltung der regionalen Bieter.

Häusler bedauert, dass die „lokalen Investoren keine Chancen hatten, die ehemaligen städtischen Wohnungen zu übernehmen“. Über die Ernsthaftigkeit des Angebots aus dem Singener Rathaus darf angesichts der Ausgangslage aber durchaus spekuliert werden. Denn der Insolvenzverwalter hatte von Beginn an klargestellt, dass die „Insolvenzmasse“ im Paket vertickt werden sollte. Nur so könnten die Gläubigerforderungen vollständig befriedigt werden. Und daran mußte auch Häusler ein großes Interesse haben, wird die Stadt damit doch eine Bürgschaft in Höhe von acht Millionen Euro los.

Sozialcharta ist Mogelpackung

Wenn Häusler nun hofft, dass „die Investoren ihre Zusage wahrmachen und auch weiterhin sozialverträgliche Mieten beibehalten werden“, klingt das wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde. Der Mieterbund Bodensee macht ihm da jedenfalls keine großen Hoffnungen. Die MieterInnen-Interessensvertretung kritisiert den Verkauf an eine Investorengruppe aus Stuttgart scharf: „Die Singener Mieter bezahlen damit die Zeche für das Versagen der Singener Kommunalpolitik,“ erklärte der Vorsitzende des Mieterbunds Bodensee, Herbert Weber. „Die Sozialcharta, die der Insolvenzverwalter mit den Käufern vereinbart hat, ist eine Mogelpackung“, kritisierte Weber. Sie bleibe hinter dem gesetzlichen Mieterschutz zurück. Dafür lasse sie Rückschlüsse über die unternehmerische Zielsetzung der Erwerber zu. „Die Mieter müssen damit rechnen, dass Ihre Wohnungen schon bald in Eigentumswohnungen umgewandelt werden und dass sie nach und nach verdrängt werden,“ sagte Weber. Die Sozialcharta sei daher nichts als ein durchsichtiger Versuch, das „schlechte Gewissen in Singen zu beruhigen“.

Unsinniges Versprechen

Laut Mitteilung des Insolvenzverwalters wollen die Erwerber auf „ordentliche Kündigungen bei Mietern über 70 Jahre, körperlich oder geistig behinderten Mietern, sozial Bedürftigen oder Langzeitmietern“, deren Mietvertrag über zehn Jahre besteht verzichten. Dazu sagt der Mieterbund: „Das geltende Mietrecht schützt alle Mieter, die ihre Verpflichtungen erfüllen, vor der Kündigung.“ Unsinnig sei das Versprechen, dass der Käufer ein Jahr lang keine Eigenbedarfskündigung aussprechen wolle. „Eigenbedarf gibt es nur, wenn Eigentümer ihre eigene Wohnung selbst bewohnen wollen. Ein Unternehmen kann sich gar nicht auf Eigenbedarf berufen,“ stellt Herbert Weber fest. Eine Drohung sei dagegen der Hinweis, dass Mieter nach einem Jahr mit Kündigungen wegen Hinderung an der wirtschaftlichen Verwertung der Wohnungen rechnen müssen. Entgegen der Versprechungen drohten in kürzester Zeit teure Modernisierungen, die die Mieter bezahlen müssten.

Neuem Vermieter kein Wort glauben

„Noch bevor der Eigentumswechsel im Grundbuch eingetragen ist, wissen alle GVV-Mieter, dass sie ihrem neuen Vermieter kein Wort glauben sollten“, stellt der Mieterbund fest. Nicht nur die Mieter, auch Stadt und Landkreis müssten sich auf erhebliche Folgekosten einstellen, so Weber. Die Stadt Singen habe keine Möglichkeit mehr, soziale Wohnungspolitik zu betreiben. Hinzu komme, dass der Aufwand für Sozialleistungen steigen werde, denn viele GVV-Mieter erhalten öffentliche Hilfen.

jüg (Quellen: PM Stadt Singen, PM Mieterbund Bodensee)