Wie in Kressbronn aus einer Werft eine Ferienanlage wird
Lilo Rademacher ist sauer. Die erste Bevollmächtigte des IG-Metall-Bezirks Friedrichshafen-Oberschwaben versucht seit Wochen, 60 Arbeitsplätze bei der Bodan-Werft in Kressbronn zu retten. „Doch die Geschäftsleitung bewegt sich nicht“, wettert Rademacher. Nach zwei Verhandlungsrunden scheint das ‚Aus‘ der Bodan-Werft besiegelt; jetzt geht es nur noch um die Höhe der Abfindungen. Aber auch da mauert Bodan-Besitzer Dittmann. seemoz sprach mit Lilo Rademacher.
Die 1919 gegründete Bodan-Werft hat den größten Teil der Fähren und Schiffe auf dem Bodensee gebaut. Vater und Sohn Dittmann führten den Familienbetrieb mit insgesamt 95 Beschäftigten in vierter Generation. Doch seit Robert Dittmann alleiniger Geschäftsführer ist, geht es mit dem Schiffbau bergab – mit 16 Millionen Euro ist die Werft derzeit verschuldet, seit 2006 fehlt es an Aufträgen, im Frühjahr 2011 sollen Werft und Konstruktionsbüro geschlossen werden. IG-Metall-Chefin Rademacher wirft der Familie Rademacher dann auch gravierende Management-Fehler vor.
Hätte die Werft gerettet werden können?
Schon die Aufsplittung in fünf Gesellschaften unter dem Dach einer Holding vor vier Jahren war wohl ein Fehler. Zumindest stellten die Dittmanns damit ihr Kerngeschäft, den Schiffbau, zur Disposition. Man interessierte sich plötzlich mehr für Schwimmbad-Bauten und Ferienwohnungen als um das traditionelle Geschäft. Folgerichtig blieben Aufträge für die Werft weitgehend aus. Zumindest in Hinblick auf die Arbeitsplätze war das ein schwerwiegender, strategischer Fehler. Und unser Vorschlag, die aktuellen Probleme 2011 mit Kurzarbeit zu überbrücken, ist abgelehnt worden. Man ist offenkundig am Schiffbau nicht mehr interessiert.
Jetzt sollen 60 von 95 Beschäftigten dafür büßen. Deren Arbeitsplätze werden in drei Monaten vernichtet. Gibt es wenigstens Hoffnung auf ausreichende Abfindungen?
Das genau ist der Streitpunkt in den laufenden Sozialplan-Verhandlungen. Die Geschäftsführung bietet ein Sozialplan-Volumen von gerade mal 1,1 Millionen an – wir fordern gemeinsam mit dem Betriebsrat das Doppelte, 2,5 Millionen Euro. Mindestens.
Und wenn es in der nächsten Sozialplan-Verhandlung am 10.1. wieder keine Einigung gibt…
… dann entscheidet die Einigungsstelle. Das war wohl von Robert Dittmann von vornherein so beabsichtigt. Die Einigungsstelle, paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Vertretern besetzt, versucht unter einem neutralen Vorsitzenden, meist ist das ein Richter, dessen Stimme in der Regel den Ausschlag gibt, eine Einigung. Wird der Spruch von den Betroffenen nicht anerkannt, entscheiden die Gerichte. Die Problemlösung kann also noch lange dauern.
Wie verhält sich die Gemeinde Kressbronn in dieser Auseinandersetzung? Immerhin geht es um Arbeitsplätze ihrer Bürger?
Das hat ein Geschmäckle. Die Gemeinde hat den Bebauungsplan für das Werftgeländes geändert, so dass die Firmenleitung auf dem Sahnestück am See dann ein Hotel, Ferienwohnungen und Liegeplätze bauen kann. Damit aber wird den Dittmanns ermöglicht, sich aus dem Schiffsbau zurückzuziehen. Neues Geschäft und weiterhin Profit bei um Zweidrittel reduzierter Arbeitsplatz-Zahl, so sieht die Zukunft aus. Für die Werft ist da kein Platz mehr.
Wie konkret sind solche Pläne für eine Ferienanlage?
Noch streitet man sich um den Grundstückspreis, noch sucht man zusätzliche Investoren. Aber die drei Banken als Kreditgeber, die Werftbesitzer als Nutznießer und die Gemeinde, die diesen Deal zukunftsweisend findet, werden schon eine Lösung finden. Dennoch: Es bleibt ein undurchsichtiges Geschäft, bei dem allein die Arbeitnehmer die Zeche zahlen.
Nachtrag: Von Geschäftsführer Robert Dittmann ist seit Tagen keine Stellungnahme zu erhalten.
Autor: H.-P. Koch