Stadtgeflüster: Brandgeruch allerorten

Wie sagte schon Herr Pelzig unlängst in der Sendung „Neues aus der Anstalt“: „Ich hasse Rückblicke, das ist wie ein Besuch in der Kläranlage“. Eben solche boten andere Medien auch hier am See zuhauf an, und präsentierten meist abgehangene Erinnerungen mit überschaubarem Informationswert. Da wollten wir uns nicht einreihen. Stattdessen richten wir unseren neugierigen Blick nach vorne, frei nach dem Lindenberg´schen Motto: Hinter dem Horizont geht’s weiter ….

Angeblich ist seit dem Brand in der Konstanzer Altstadt nichts mehr so, wie es vorher war. Ein wahrer Betroffenheitstsunami schwappte durch die Stadt. Konsequenzen aus der Katastrophe wollte man allerdings auf Sparflamme halten und verhängte über Silvester nur ein halbherziges und verschämtes Feuerwerksverbot. Da beispielsweise in der Niederburg, dem ältesten Konstanzer Stadtteil, die letzten Jahre nichts passiert sei, durfte man dort weiter ballern. Wann endlich erklärt man die gesamte historische Altstadt zur feuerwerksfreien Zone? Raketenwerfern und anderen Pyromanen steht es frei, ihr teuer verdientes Geld im Stadtgarten oder anderen Freiflächen verglühen zu lassen. Merke: Nach dem Brand ist vor dem Brand.

Wird die Kohle knapp, wird gerne am Kulturetat herum gezündelt. So auch in Konstanz, wo sich Kulturbanausen bei Finanzknappheit in aller Regelmäßigkeit am Stadttheater reiben und die Forderung laut wird, dem Betrieb die Zuschüsse zu kürzen. Dabei steht unsere Spielstätte im bundesweiten Vergleich nicht nur wegen ihrer zum Teil exzellenten Aufführungen ziemlich gut da. Im vergangenen Jahr konnte Intendant Christoph Nix, so die brandaktuellen Zahlen, rund 100 000 Besucher registrieren. Oberhausen, eine Stadt mit 200 000 Einwohnern, kam gerade mal auf knapp 60 000 Besucher – hat aber einen Etat, der doppelt so hoch ist wie der für das Konstanzer Theater. Ein Blick nach Essen: Die Stadt mit rund 800 000 Einwohnern hat 78 000 Besucher in ihrem Theater-, aber auch einen Etat, der dreimal so hoch ist wie der für unsere Bühne. Die Zuschüsse liegen in Konstanz bei 48 Euros pro Besucher, in Nordrhein-Westfalen bei bis zu 280 Euro. Noch Fragen?

Auch an anderen Brandstiftern herrscht zur Zeit kein Mangel. Wie seemoz vor wenigen Wochen exklusiv berichtete, wollte der radikale Moslemprediger Pierre Vogel seine kruden Thesen in der Allmannsdorfer Mehrzweckhalle verkünden. Mit Zulauf war zu rechnen, da dieser seltsame Vogel seinen Anhängern den „Eintritt zum Paradies“ garantiert. Die Stadt war – zum wiederholten Male – leichtfertig vorgegangen bei der Hallenvergabe. Im letzten Moment konnte die Veranstaltung aufgrund winterlicher Verhältnisse abgesagt werden. Doch Herr Vogel will nun im Frühjahr kommen. Die Verantwortlichen in der Verwaltung wären gut beraten, solchen Figuren wie Vogel frühzeitig und ohne Umschweife zu signalisieren, dass man auf ihre Besuche gerne verzichten würde. Das Thema geht um in der Stadt und es besteht Handlungsbedarf. Siehe auch das immer noch aktuelle „moment mal!“ (Inschallah?) auf der seemoz-Startseite rechts oben.

Der Südkurier hat in seiner letzten Ausgabe des Jahres 2010 Oberbürgermeister Horst Frank zum Verlierer der abgelaufenen Saison geadelt. Lokalchef Jörg-Peter Rau verwies dabei auf Franks Niederlage beim Bürgerentscheid in Sachen KKH. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik, denn Rau war es, der Frank nach Kräften unterstützte und für das KKH seine Tastatur zum Glühen brachte. Sogar einen Tag nach dem Bürgerentscheid erklärte ein zutiefst beleidigter Rau seinen Lesern sinngemäß, sie hätten mit der Ablehnung des KKH eine Chance vergeben. Herr Rau darf sich also ruhig einreihen in die gerupfte Verliererschar des Jahres 2010. Zu jenen zählte auch der ehemalige Südkurier-Chefredakteur Andre Uzulis. Noch vor Ablauf seiner Probezeit wurde er wieder an die frische Luft gesetzt. Das Gespräch mit der Geschäftsleitung soll keine fünf Minuten gedauert haben. Nach Informationen aus Südkurierkreisen gab es für Uzulis nicht mal eine Abfindung für sein kurzzeitiges Engagement am Bodensee. Seit kurzem ist Uzulis neuer Auslandschef der Nachrichtenagentur dapd und Mitglied der Chefredaktion.

Ende März ist Landtagswahl und die KandidatInnen im Wahlkreis Konstanz scharren schon mit ihren Hufen. Vor allem der CDU-Landtagsabgeordnete Andreas Hoffmann wiehert laut und will bereits im Vorfeld kräftig punkten. Stolz verwies er darauf, dass er maßgeblich daran beteiligt gewesen sei, 500 000 Euro für die bevorstehenden Konzilsfeierlichkeiten nach Konstanz umgeleitet zu haben und gebärdet sich dabei so, als stamme der Schotter aus seiner Privatschatulle. Auch in Frauenfragen wurde der Politiker überraschend aktiv und bot eine vorweihnachtliche Führung an, die sich mit berühmten Konstanzerinnen wie Maria Ellenrieder und Margarethe Blarer beschäftigte. Auch Hoffmanns Parteifreunde in der Konstanzer CDU wollen beim Thema Frauen und Politik kräftig aufrüsten. Denn in ihrer neunköpfigen Fraktion sitzen ausnahmslos meist ältere Männer und verteidigen ihre Posten mit Zähnen und Klauen. Immerhin: Neuerdings haben sie sich in einer nervenzerfressenden Kampfabstimmung dazu durchgerungen, eine Fraktionsassistentin zu beschäftigen. Es geht also voran mit der Frauenquote.

Eine etwas andere Art von Wahlkampf treibt den Konstanzer Unterhalter Tobias Bücklein um. In seiner monatlichen Show will auch er sich Ende Januar politisch einmischen und hat die LandtagskandidatInnen zum Talk geladen. Allerdings nicht alle. Ute Hauth, Kandidatin der Piratenpartei ist nicht dabei und Bernhard Hanke, Kandidat der Linken, auch nicht. Er habe sich, so Bücklein, auf die „großen Parteien“ beschränkt. Hauth und Hanke sollen nun per Videozuspiel eingeblendet werden. Da es bei Bücklein immer heiter und lustig zugehen muss, werden die beiden gebeten, ein angeblich pfiffiges Rahmenprogramm zu liefern. „Können Sie sich selbst in so vielen Worten darstellen, wie Sie alt sind?“ Oder: „In welcher Kleidung wären Sie am besten repräsentiert?“ Hanke hat abgesagt: „Ich mach´ mich doch nicht zum Affen“. Ob die Piratin Hauth einen solchen gibt, entzieht sich unserer Kenntnis. Allerdings sorgte sie mit einem Vorstoß kurz vor Jahresende für ein politisches Erdbeben. Über das ihr nahestehende Blog see-online forderte sie das lizenzfreie Singen von Weihnachtsliedern in Kindergärten. Ein echter Hammer, der die Piraten wahrscheinlich gewaltig nach vorne bringen wird.

Der hat uns gerade noch gefehlt: Guido Westerwelle, Mitglied der Splitterpartei FDP, kommt am 21. Januar zum Neujahrsempfang der Wirtschaftskammern ins Konzil und verrät vor geladenen Gästen, wie man es innerhalb eines knappen Jahres schafft, die eigene Partei in ihre einzelnen Bestandteile zu zerlegen. (Sicher auch ein Pflichttermin für die Konstanzer FDP-Stadträtin und Landtagskandidatin Tatjana Wolf.  Sie hat bei den Konstanzer Freidemokraten nicht mehr viele Freunde. Ein erster Putsch gegen sie scheiterte, ein weiterer wird folgen). Wer also an diesem Tag Zeit hat und wem partout gar nichts Sinnloseres einfällt, der finde sich gegen 18 Uhr im Konzil ein. Wann hat man schon mal die Gelegenheit, ein politisches Auslaufmodell wie Westerwelle aus der Nähe zu betrachten? Nach dem offiziellen Teil findet im unteren Konzilsaal ein Stehempfang statt. Das Werfen von Sitzkissen und alten Schuhen ist zu unterlassen. Der Eintritt jedoch ist frei.

H.Reile