Was geschah in Odessa wirklich?
Die neu gegründete Rote Hilfe-Gruppe in Konstanz zeigt am 1. Mai um 15 Uhr im DGB-Haus in Konstanz den Dokumentarfilm „Lauffeuer“ über die Brandangriffe auf das Gewerkschaftshaus in Odessa vor einem Jahr (2. Mai 2014).
Am 4. März 2015 wurde in Konstanz eine Ortsgruppe der Roten Hilfe e.V. gegründet. Die Rote Hilfe versteht sich als parteiunabhängige, Solidaritätsorganisation für die gesamte Linke, unterstützt politisch Verfolgte und von Repression betroffene und bedrohte Menschen, sei es z.B. im Antifa-Bereich oder in der Flüchtlingspolitik und vieles mehr.
Die Rote Hilfe Konstanz wird künftig sowohl von Repression Betroffene in der Region konkret unterstützen als auch über Veranstaltungen, Infobroschüren etc. über Ereignisse informieren und für die Solidarität mit politisch Verfolgten werben und Spendensammlungen initiieren und durchführen.
Am 1.Mai stellt sich die neu gegründete Gruppe erstmals mit einem Infostand auf der Maifeier vor dem Gewerkschaftshaus in Konstanz vor und zeigt um 15 Uhr den Dokumentarfilm „Lauffeuer“.
Der Film
Der 45-minütige Film „Lauffeuer“ von Ulrich Heyden und Marco Benson und dem Videokollektiv leftvision ist ein bedrückendes Zeugnis über das Pogrom in Odessa am 2. Mai 2014 und der erste deutschsprachige Dokumentarfilm darüber. Damals wurden im und um das Gewerkschaftshaus mindestens 46 Menschen von Faschisten ermordet. Angehörige sprechen von mehr als hundert Opfern; sie starben im Feuer, wurden zu Tode geprügelt, erschossen oder „verschwanden“.
Die Überlebenden und die Hinterbliebenen demonstrieren regelmäßig vor dem Gewerkschaftshaus. Sie verlangen eine unabhängige Untersuchung der Geschehnisse und dass die Täter und ihre Hintermänner zur Rechenschaft gezogen werden. Der Film nimmt diese Forderungen auf und fragt nach den Organisatoren des Massakers.
Anhand von Internetvideos, Zeichnungen und Interviews mit Augenzeugen zeichnet „Lauffeuer“ minutiös die Ereignisse am 2. Mai nach: Rechte Hooligans und Anhänger des „Rechten Sektors“ kamen damals in die Stadt. Sie suchten die Auseinandersetzung mit Aktivisten des Antimaidan, jenes Bündnisses, das unter anderem in Odessa gegen den rechten Putsch in Kiew protestierte.
Die Polizei wurde vom späteren Tatort abgezogen und ließ den Faschisten freie Hand. Die nutzten die Gelegenheit und zogen vor das Gewerkschaftshaus, wo ein Protestlager des Antimaidan errichtet war – das Massaker begann.
Der Film wirft auch die Frage auf, wem die Ereignisse nutzten. Die Spuren führen zu den neuen Machthabern. So begrüßte Präsident Petro Poroschenko das Massaker: Nun sei endlich Ruhe in Odessa. Auch der Oligarch und Gouverneur von Dnipropetrowsk, Igor Kolomojskij, profitierte. Ihm gelang es, seinen Herrschaftsbereich bis in die Schwarzmeerstadt auszudehnen. Auch die Rolle von Andrij Parubij, dem damaligen Sekretär des nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats, wird hinterfragt. Er besuchte nur wenige Tage vor dem Pogrom Odessa, wo er sich auch mit dem lokalen Statthalter des Euromaidan, Nikolai „Mykola“ Wolkow, traf. Dieser ist in Videos vom 2. Mai zu sehen, wie er mit seiner Pistole auf das Gewerkschaftshaus schießt.
Das Massaker von Odessa war ein Wendepunkt im Ukraine-Konflikt, ohne den der weitere Verlauf bis hin zum Krieg im Donbass nicht zu verstehen ist.
Stefan Frommherz (mit Material aus „junge Welt“)