Die Luftschlacht um Konstanz hat begonnen
Als ersten Schritt auf dem Weg zu einem neuen städtischen Gewerbeflächenkonzept hat der Konstanzer Gemeinderat am gestrigen Dienstag den Beschluss zur Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung an diesem Konzept gefasst. Im zugrunde liegenden Gutachten wird auch die Umgestaltung des Konstanzer Flughafens in ein Gewerbegebiet angeregt, und dagegen feuern die Konstanzer Flieger bereits aus allen Rohren.
Der Streit um die Zukunft des Konstanzer Flughafens begann bereits, bevor das Gutachten zum künftigen Gewerbeflächenkonzept der Stadt Konstanz der Öffentlichkeit vorlag. In diesem Gutachten prognostiziert das Büro für Stadt- und Regionalentwicklung Dr. Acocella einen steigenden Bedarf an Gewerbeflächen in Konstanz.
Hier können Sie das Gutachten herunterladen: Gewerbeflächenentwicklungskonzept
Ein geeignetes Areal sieht das Gutachten auch im Konstanzer Flugplatz. Da der Pachtvertrag für den Flugplatz bereits 2017 endet, hätte die Stadt auf diese Fläche relativ bald Zugriff und könnte dort ein neues Gewerbegebiet errichten, um die Nachfrage zu befriedigen. „Der Nutzen des Landeplatzes für die lokale Wirtschaft ist sehr begrenzt; der Landeplatz dient fast ausschließlich dem Privatflugverkehr“, beschreibt das Gutachten seine Sicht der Dinge, die die Flieger natürlich mit dem Verweis auf einen regen Flugverkehr von Geschäftsleuten und auf die wissenschaftlichen Flüge der Vogelwarte in Radolfzell zu kontern versuchen.
Probleme mit dem Boden
Berndt Stadelhofer von der Ultraleichtflug Konstanz GmbH bringt in seinen 14 Fragen zum Thema (die seemoz am 13.05. hier dokumentierte) Probleme mit dem Untergrund und dem Naturschutz ins Spiel. „Wie“, so fragt er, „ist ein von der Wirtschaftsförderung in Auftrag gegebenes Gutachten zu bewerten, das die Umwandlung des Flugplatzes in ein Gewerbegebiet empfiehlt, ohne auf Baugrundproblematik, Naturschutzbelange, Überflutungsrisiko (HQ100) und die unmittelbare Nähe zur Kläranlage einzugehen?“
Offensichtlich hatte Stadelhofer das Gutachten, das er so wacker hinterfragt, gar nicht gelesen, als er diese Fragen formulierte, denn das Gutachten geht anders als von ihm behauptet ausdrücklich auf diese Probleme ein, die eine Gewerbenutzung einschränken oder verhindern könnten: „Das Areal weist in Teilbereichen einen hohen Grundwasserstand (HQ100) und einen unzureichenden Wasserabfluss auf, so dass gegenwärtig bei starken Regenfällen Teile des Geländes unter Wasser stehen. In den entsprechenden Teilbereichen dürfte eine Bebauung daher umfangreiche Aufbereitungen des Baugrundes erforderlich machen.“ Außerdem grenzt das Gelände an das geschützte Wollmatinger Ried, so dass laut Gutachten „Maßnahmen zum Artenschutz notwendig werden können, die im Einzelnen noch zu untersuchen wären“.
Kurzum, so das Fazit des Gutachtens, man muss erst noch genauer erkunden, inwieweit das Flugplatzgelände in Teilen oder in seiner Gesamtheit wegen der Beschaffenheit des Untergrundes und der Nachbarschaft zum Naturschutzgebiet als Gewerbefläche geeignet sein könnte. Für den Fortbestand des Flughafens ebenso wie für die Konstanzer Gewerbeflächenplanung könnten also spätere Umwelt- und Bodengutachten durchaus entscheidend werden, sofern sich das Gelände als (teilweise) untauglich erweist.
Flieger für die Umwelt
Berndt Stadelhofer bringt in seinen Fragen auch Landschaftsschutzbelange ins Spiel und lobt darin den Platz als „grüne Lunge der Stadt“, und in der Tat, der Flugplatz ist eine aus der Luft wie vom Boden aus betrachtet erhebliche Grünfläche. Diese Lunge rasselt allerdings insbesondere an Wochenenden mit Flugwetter ganz erheblich, weil die Männer in ihren fliegenden Kisten ungerührt erheblichen Fluglärm produzieren und damit auf das Ruhe- und Erholungsbedürfnis ihrer menschlichen wie tierischen Umwelt verdammt wenig Rücksicht nehmen, von der Umweltverschmutzung durch den Freizeitflugverkehr mal ganz abgesehen. So betrachtet erscheinen Stadelhofers Umweltbedenken eher als ein unfreiwillig drolliges Ablenkungsmanöver.
Bordell statt Flughafen
Ernstzunehmender ist da schon Stadelhofers Frage, wie im Fall einer Bebauung verhindert werden soll, „dass Betriebe kurz nach Fertigstellung in Bordelle (davon gibt es acht in Flugplatznähe), Discos (immerhin drei), Spielhallen, Supermärkte oder Gaststätten umgewandelt würden?“ Für dieses Problem haben die Gutachter immerhin eine Lösung parat: Im gleichzeitig vorgelegten Konzept für Vergnügungsstätten sowie Bordelle und prostitutive Betriebe (die beiden letzteren zählen rechtlich nicht zu den Vergnügungsstätten) heißt es zu diesem Thema unter anderem: „Vergnügungsstätten inkl. Rotlichtangebote sind darüber hinaus im abgegrenzten Zulässigkeitsbereich Gewerbegebiet Oberlohn (südlich der Max-Stromeyer-Straße und zwischen Ried- und Oberlohnstraße) ausnahmsweise zulässig“, meint also wohl: Auf dem jetzigen Flugplatzgelände sollen sie nicht zulässig sein.
Aus wirtschaftlichen wie juristischen Gründen plädiert das Gutachten vehement dafür, neue Gewerbegebiete als reine Gewerbegebiete ohne jegliche andere Nutzungen auszuweisen. „Kein Einzelhandel/Vergnügungsstätten/öffentliche Nutzungen/kommerzielle Freizeiteinrichtungen in neuen Gewerbegebieten“ lautet die Forderung der Gutachter. Bei „der Entwicklung neuer Standorte sollte in jedem Fall eine höhere städtebauliche Qualität angestrebt werden, die sich am Gebiet Stromeyersdorf orientieren kann“, was die genannten Etablissements wohl ausschließt.
Man ahnt schon: Zwischen Flughafenfreunden und Wirtschaftsförderung bahnt sich mit der Öffentlichkeitsbeteiligung ein intensives Hauen und Stechen an, und es bleibt abzuwarten, auf wessen Seite sich Lobbygruppen der Wirtschaft wie etwa die IHK schlagen werden, die sich zwischen dem Unternehmen Flugplatz und den Interessen fliegender Geschäftsleute auf der einen und einem neuen Gewerbegebiet auf der anderen Seite entscheiden müssen.
Der Gemeinderat hat jetzt jedenfalls schon mal verhalten zum Halali für den Flugplatz geblasen, und das staunende Publikum darf auf intensive Luftkämpfe und manch putzige Finten vor allem unserer bedauernswerten Flieger hoffen, die auf einmal ihre Volksnähe und Naturverbundenheit entdecken werden.
O. Pugliese[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]