So soll Konstanz in Zukunft aussehen
Der Gemeinderat hat die Öffentlichkeitsbeteiligung an den geplanten neuen bzw. fortzuschreibenden Einzelhandels-, Gewerbeflächen- und Vergnügungsstättenkonzepten beschlossen. Diese Papiere, die Basis der Bauleitplanung und damit der Stadtentwicklung werden sollen, haben große Bedeutung für die künftige bauliche, wirtschaftliche und letztlich auch soziale Entwicklung der Region – es lohnt sich also durchaus, einmal etwas genauer hinzuschauen.
Die Neigung der Stadt Konstanz, wichtige Planungsarbeiten nicht selbst zu erledigen, sondern an Privatunternehmen zu vergeben, ist ungebrochen, und so entstanden die drei Gutachten, die den Entwicklungskonzepten der Stadt die Richtung weisen sollen, in einem auf Stadt- und Regionalentwicklung spezialisierten externen Büro. Aus welchen Gründen die Stadtverwaltung, die doch mit den Konstanzer Verhältnissen bestens vertraut ist und über eine unvergleichliche Fülle an Daten verfügt, die zentrale Aufgabe der Zukunftsplanung nicht selbst übernimmt, ist unklar; diese Vergabepraxis hat sich unter der Ägide des erklärten Wirtschaftsfreundes Uli Burchardt deutlich verstärkt und ist wohl im Zuge des neoliberalen Rollbacks politisch durchaus gewollt.
Soziale Folgen
Auffällig ist, dass in allen drei Gutachten vor allem von juristischen Vorgaben und wirtschaftlichen Nützlichkeitserwägungen die Rede ist – eine Abwägung auch unter sozialen oder ökologischen Aspekten wird nicht vorgenommen (und von der Stadt Konstanz als Auftraggeber auch nicht eingefordert), so dass die Gutachten zwangsläufig einseitig ausfallen und die Auswirkungen auf jene Menschen, die im Konstanzer Einzelhandel oder Gewerbe arbeiten, nur am Rand streifen.
Rechtssichere Stadtplanung
Die rund 400 Seiten, die das Büro Dr. Acocella vorgelegt hat, und die der Gemeinderat jetzt in die Öffentlichkeitsbeteiligung schickte, skizzieren ein klares Bild der Konstanzer Entwicklung in Einzelhandel, Gewerbe und Vergnügungsstätten. Dabei sind der Stadt die Hände durch Bundes- und Landesgesetze gebunden, und es braucht einiges an taktischem Geschick, damit die Konstanzer Stadtmütter und -väter ihre Wünsche umsetzen können, ohne dabei langwierige und kostspielige Prozesse zu riskieren.
So lassen sich beispielsweise Anträge auf die Einrichtung von Rotlichtbetrieben, Spielhallen und Wettbüros nicht einfach aus moralischen oder Suchtpräventionsgründen ablehnen, sondern die Stadt muss dafür handfeste städtebauliche Gründe ins Feld führen und ein wasserdichtes Gesamtkonzept vorweisen, damit niemand eine Benachteiligung belegen kann. Über allem steht die Gewerbeordnung, die Gewerbefreiheit garantiert – und die gilt es, laienhaft gesprochen, irgendwie auszuhebeln, weil Gewerbefreiheit und eine sinnvolle Stadtentwicklung nun mal nicht zusammenpassen.
Massive Qualitätsmängel im Bestand
Als abschreckendes Beispiel gilt den Gutachtern das Gewerbegebiet Oberlohn zwischen Opelstraße und Oberlohnstraße, in dem sich Gewerbe, Vergnügungsstätten und Rotlichtangebote mischen, als vorbildlich bewerten sie hingegen das Gewerbegebiet Stromeyersdorf. Der derzeitige Entwicklungsstand wird äußerst kritisch beurteilt: „Die qualitative Analyse zeigt in den bestehenden Standorten eine geringe Qualität, die durch starke Nutzungsmischungen, gebietsfremde Nutzungen, extensive Flächenausnutzungen und eine geringe bauliche Qualität gekennzeichnet sind. In der Summe entsprechen die bestehenden Gebiete nicht dem für Konstanz erwartbaren Qualitätsniveau.“
Neue Gewerbegebiete
Für die Zukunft rechnet man mit einem weiter wachsenden Bedarf an Gewerbeflächen und empfiehlt als neue Gewerbeflächen den bisherigen Flugplatz sowie das Gebiet Hafner, „die gewerbliche Bauflächen von max. 118.000 qm (Hafner) bzw. 186.000 qm (Landeplatz) zur Verfügung stellen können. Rechnerisch könnte damit der Bedarf bis 2030 gedeckt werden.“ Außerdem wird empfohlen, sich auf bestimmte Branchen zu konzentrieren, dafür „kämen in erster Linie Betriebe des Maschinenbaus, der Pharmazie, des Bereiches DV-Geräte/Elektronik/Optik (unter Einschluss der Solarindustrie), des Bereiches Information und Kommunikation sowie der freiberuflichen wirtschaftlichen Dienstleistungen in Frage.“ Kurzum: Die Stadt soll ihre raren Gewerbeflächen für nach heutigem Stand zukunftsträchtige Unternehmen statt für Autohäuser, Speditionen oder sonstige Betriebe „mit hohem Bedarf an Lager- oder Abstellflächen“ verwenden.
Weshalb allerdings trotz des von den Gutachtern ermittelten Mangels an Flächen bereits heute viele Flächen leer stehen und gar die Perle der Konstanzer Wirtschaftsförderung, das Kompetenzzentrum, seit Jahren keine Mieter findet, erklärt das Gutachten nicht. Vermutlich müssen wir Normalsterblichen einfach lernen, dass das Kompetenzzentrum zwar von innen voll vermietet ist, von außen aber leer aussieht. So wie der Einzelhandel zwar rekordverdächtig boomt, aber eigentlich leider zu arm ist, seinen Angestellten auch nur den Mindestlohn zu zahlen. Von dem armen Bauunternehmen in der Chérisy, das sich leider gezwungen sieht, von Lohnzahlungen gänzlich Abstand zu nehmen, will ich schweigen, aber wir in der Redaktion lassen mal den Hut für den Chef rumgehen. All dies ist allerdings nicht Gegenstand der Gutachten.
Boom im Einzelhandel hält an
Der Konstanzer Einzelhandel blüht: „Insgesamt wird in Konstanz von den 754 ermittelten Betrieben auf einer Verkaufsfläche von rd. 163.575 qm ein Umsatz von rd. 677 Mio. € erzielt. Die Entwicklung seit 1993 zeigt, dass die großen Veränderungen in der Konstanzer Einzelhandelslandschaft bis 2005 stattgefunden haben, Umsatz und Verkaufsflächen haben sich im Zeitraum von 1993 bis 2005 annähernd verdoppelt. Im Zeitraum von 2005 bis 2014 ist die Verkaufsfläche leicht angestiegen, während die Betriebszahl nahezu konstant geblieben ist. Eine deutliche Entwicklung ist nur in Bezug auf den Umsatz festzustellen, der um 23% gegenüber 2005 angestiegen ist.“
Vor allem der innenstädtische Einzelhandel profitiert von Schweizer Käufern wie von Touristen gleichermaßen, aber hier ist er auch verwundbar, denn die Stadt Konstanz kann weder den Wechselkurs zwischen Euro und Franken noch die Touristenströme nennenswert beeinflussen. Daher wird empfohlen, hier mehr auf die eigene Bevölkerung zu setzen.
Altstadt als Umsatzmotor
Die Hälfte des Einzelhandelsumsatzes wird in der Innenstadt gemacht, während der Hauptteil der Konstanzer Bevölkerung rechtsrheinisch wohnt. Ein Ziel der Einzelhandelsstrategie soll es werden, die Innenstadt flächen- und verkehrsmäßig zu entlasten. In der Innenstadt könne nur noch zwischen Bodanstraße und Schweizer Grenze nachverdichtet und aufgewertet werden, während sich am Bahnhof eventuell Platz für gänzlich neue Einzelhandelsflächen ergebe. Auch der „Sankt-Stephan-Platz sollte städtebaulich entwickelt werden. Der Wochenmarkt sollte gestärkt werden.“
Im Prinzip empfiehlt das Gutachten, die rechtsrheinische Bevölkerung stärker rechtsrheinisch zu versorgen, etwa durch eine Renovierung des Seerhein-Centers und seiner Umgebung. So könne man auch den Verkehr in die Innenstadt reduzieren. Petershausen-West südlich der Bahnlinie sollte um MediaMarkt und E-Center herum „zu einem modernen und leistungsfähigen Stadtteilzentrum mit gesamtstädtischer und z.T. regionaler Versorgungsfunktion entwickelt werden. Die nordöstlich an den Brückenkopf Nord angrenzende Brachfläche wäre momentan die einzige größere zusammenhängende Fläche für die Ansiedlung von Einzelhandelsnutzungen.“
Für Wollmatingen rät das Gutachten von weiteren größeren Einzelhandelsansiedlungen ab, für den neuen Stadtteil Hafner mit seinen ca. 5000 Einwohnern wird ein neues Nahversorgungszentrum hingegen empfohlen. „Unter Berücksichtigung des Prognoseergebnisses sind neben einem Lebensmittelmarkt mit bis zu ca. 1200 qm Verkaufsfläche ergänzende Nahversorgungsbetriebe und Dienstleister vorstellbar, wie z.B. eine Apotheke, eine Bäckerei mit Café, ein Friseur.“
Diese drei Gutachten, die noch viele weitere Festlegungen für die Zukunft von Konstanz unterbreiten, gelangen jetzt in die Phase der Öffentlichkeitsbeteiligung. Nachdem bereits die Nutzer des Flugplatzes hörbar Einspruch eingelegt haben, werden sich auch andere Betroffene, Lobbyisten und sonstwie Interessierte – etwa Gewerkschaften, IHK oder habituelle Fliesenhändler – ziemlich bald dazu äußern, es bleibt also spannend.
O. Pugliese[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Herzlich Willkommen in „Cool Constantia“, was bitte ist denn an Konschdanz noch attraktiv? Historische Altstadt, See und Rhein sind nicht das Werk der SV und des GR – wenn diese denn könnten, hätten sie auch dort schon alles „cool“ zugebaut. Wie lange bleiben Touristen im Schnitt ? 2,1 Tage, dann reicht´s denen nämlich und in dieser Zeit verbringen sie wahrscheinlich noch etliche Stunden ausserhalb der Stadt, auf dem See, auf der Mainau, in Überlingen, Reichenau etc. – denn die „Lebendigkeit“ unserer Innnenstadt können sie auch zu Hause „genießen“: Verkehrschaos, Menschenmassen, Enge, Dreck, Hektik, Aggressionen, explodierende Preise, Umwelt- u. sonstige Verschmutzung. Frau Thalmann hat Recht, aber offenbar will´s niemand hören: Immer mehr Konschdanzern stinkt´s, sogar den sonst so Braven, Geduldigen, die sonst nie aufmucken. Jetzt hat´s sogar ein Fachbüro erkannt: Die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung werden vernachlässigt. Ein anderes wiederum hat Probleme, ein Profil für unsere Stadt zu erstellen, die früher schlicht und ergreifend als „Perle am See“ für sich selbst geworben hat, historische Stadt mit Charakter und Charme, gemütlich, liebens- und lebenswert und wesentlich individueller als heute. Im Gutachten wird geraten, die Innenstadt flächen- u. verkehrsmäßig zu entlasten, allerdings gäbe es noch Raum für Nachverdichtung zwischen Bodanstraße und Schweizer Grenze. Wie wundersam, dass dies genau den Plänen der SV und des GR entspricht, die irrsinnigerweise genau dort am kritischsten Schnittpunkt von Grenze und 3 Stadtteilen durch massivste Bebauung des Döbele zusätzlichen, hausgemachten Verkehr in die angeblich zu entlastende Innenstadt holen und durch das absurde C-Konzept das ohnehin überlastete Paradies endgültig in eine Hölle verwandeln werden. Warum stellen sich OB und die Damen und Herren unserer GR-Repräsentative nicht einfach mal mehrere Wochenenden dorthin, wo´s brennt, evtl. als Verkehrskadetten und Innen und machen sich ein eigenes Bild anstatt sich auf Vortäuschungen am Computer und anderen ständig wechselnden Humbug auf Papier zu verlassen? Denn die Realität spricht für sich – zudem wäre dieser Einsatz gelebte wahre Bürgernähe.
Ich wohne schon zwei Jahrzehnte mit Rad und carsharing statt eigenem Auto am Rande der Altstadt und litt noch keine Sekunde unter den Verkehrsbedingungen.
Was mache ich bloss falsch ?
Konstanz leidet an seiner Attraktivität. Genervte Luana Thalmann fährt wegen der „Handlungsunfähigkeit der PolitikerInnen und der Verwaltung“ deshalb nach Ravensburg und entwickelt eine neue Lebensart: den „Ausweichtourismus“.
Ja, mehr auf die eigene Bevölkerung setzen…!
Ich selbst und viele aus meiner Nachbarschaft und Bekanntenkreis meiden Konstanz mittlerweile. Und auch von Menschen aus Nachbarstädten höre ich Ähnliches.
Ich fahre mittlerweile sogar bis Ravensburg um dem Einkaufsgedrängel, dem „Billigtourismus“, der Genervtheit der Verkaufenden und dem Verkehrschaos in Konstanz zu entgehen.
Es wäre auch sehr erfreulich wenn die Marktsituation am St. Stephansplatz u.a. durch eine Sperrung für Parkplatzsuchende an den Wochenmarkttagen entlastet würde.
Die unsägliche Verkehrssituation und die Handlungsunfähigeit der PolitikerInnen und der Verwaltung in dieser Frage nerven!!!